Ehemaliger US-General wettert gegen US-Präsidenten: „Trumps Versagen stärkt Europa“
Der ehemalige US-General Ben Hodges kritisiert die US-Regierung scharf, die ihm zufolge keinerlei klare, gut organisierte Linie gegenüber dem Kreml habe.
Ben Hodges (67) war 2014 bis 2017 Oberkommandierender der US-Landstreitkräfte für Europa und die Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Wir sprachen mit dem Ex-General über die Chancen auf einen Ukraine-Frieden.
Sie sind gerade in South Carolina. Was halten die Amerikaner von Donald Trumps Ukraine-Plan?
Selbst Trump-Unterstützer wundern sich und sind verärgert. Aber natürlich gibt es einen Teil der US-Bevölkerung, der sich um Dinge, die so weit weg in Europa passieren, nicht kümmert oder die Trump-Linie unterstützt, dass es Geldverschwendung sei, der Ukraine zu helfen. Denn schon US-Präsident Joe Biden hat den Fehler gemacht, nicht gut genug zu erklären, warum die Unterstützung der Ukraine durchaus auch im Interesse der USA ist.
Gibt es nach dem Treffen von Trump mit Wolodymyr Selenskyj in Rom Hoffnung auf Frieden in der Ukraine?
Nein. Zuversichtlich werde ich erst sein, wenn Präsident Trump beginnt, ernsthaft Druck auf Russland auszuüben, einen bedingungslosen Waffenstillstand zu akzeptieren. Bis jetzt sehe ich leider keine Anzeichen dafür, dass die Russen unter Druck gesetzt werden, der Hauptforderung der Ukraine nachzukommen – nämlich einem bedingungslosen Waffenstillstand. Russland fordert nach wie vor, dass die Ukraine nicht der Nato beitreten dürfe und dass die Ukraine ihre Verteidigungsfähigkeiten reduzieren müsse. Ich kann mir unter diesen Umständen, also ohne die Zusicherung eines bedingungslosen Waffenstillstands, nicht vorstellen, dass die Ukraine einen für sie so schlechten „Deal“ akzeptiert, zumal sie sich auf dem Schlachtfeld sehr erfolgreich verteidigt.
Ex-General greift Trump an: „Keinerlei klare, gut organisierte Linie gegenüber Kreml“
Was könnte der Grund für Trumps Sinneswandel sein?
Ich weiß nicht, ob Präsident Trump seine Haltung grundsätzlich geändert hat. Sollte er sich während des Gesprächs in Rom tatsächlich die Argumente von Präsident Selenskyj angehört haben, statt ihn zu belehren, besteht vielleicht die Chance, dass Präsident Trump seine Meinung ändert – was ich natürlich sehr hoffe. Aber, um realistisch zu sein, im Moment wissen wir nicht, ob dies der Fall ist.
Gibt es eine einheitliche Linie in der US-Regierung?
Nein, es gibt keinerlei klare, gut organisierte Linie gegenüber dem Kreml. Außenminister Marco Rubio, der Unterhändler Steve Witkoff und der Ukraine-Sondergesandte Keith Kellogg vertreten ganz unterschiedliche Positionen. Die dann, wenn Trump etwas sagt, sowieso nichts mehr wert sind. Der für Europa zuständige Nato-Oberbefehlshaber General Christopher Cavoli erklärte vor drei Wochen vor dem US-Senat, dass die ukrainischen Truppen auf dem Schlachtfeld gewinnen. Warum um alles in der Welt sollten sie dann diesen schlechten Deal akzeptieren!
Aber was wird passieren, wenn Selenskyj Trumps Deal ablehnt?
Die US-Regierung hat im Moment keinen großen Einfluss mehr auf die Ukraine. Die Militärhilfe wurde bereits gestoppt, das, was jetzt noch an Waffen kommt, stammt von der Biden-Regierung. Auch die Geheimdienst-Informationen sollen bereits deutlich eingeschränkt worden sein. Mehr Druck auf Selenskyj geht gar nicht! Aber Europa erkennt, dass es aus Eigeninteresse die Ukraine weiter unterstützen muss.

Ehemaliger US-General attackiert Trump: US-Präsident will die Welt unter drei starken Männern aufteilen
Es gibt viele in der EU, die sagen: Wir sind nicht stark genug, um gegen das riesige Russland zu bestehen...
Ich halte das für absoluten Unsinn. Russland hat es in elf Jahren nicht geschafft, die Ukraine zu besiegen! Die Ukraine hat ihre Rüstungsproduktion deutlich ausgeweitet, während Russland sehr abhängig davon ist, dass China und Indien sein Öl und Gas kaufen und China, Iran und Nordkorea Drohnen und Waffen liefern. Zu sagen, Europa sei militärisch nicht stark genug, ist nur eine Ausrede für Untätigkeit. Das Einzige, was Europa fehlt, ist Selbstbewusstsein. Und das ist auch der Grund für die Respektlosigkeit, mit der Trump der EU begegnet.
Warum ist Trump so begeistert von Putin?
Darüber zerbrechen sich viele den Kopf. Ich glaube, es ist Trumps Vorstellung, dass sich drei starke Männer die Welt aufteilen sollen – Xi beherrscht die indopazifische Sphäre, Putin Europa und er selbst Amerika. Trump interessiert sich nicht für moralische Prinzipien, er denkt bis heute wie ein New Yorker Immobilienhändler, dem es nur um den besten Deal geht: Wie kriege ich ukrainische Bodenschätze, wie Geschäfte mit Russland? Aber dieses Denken ist nicht nur außenpolitisch höchst problematisch, es führt auch zu großen Konflikten innerhalb seiner Regierung: Denn während Steve Witkoff, auch ein Immobilien-Mensch, das Geschäft mit Russland wiederbeleben will, will US-Energieminister Doug Burgum Russland als Konkurrenten auf dem Gas- und Öl-Markt zerstören.
Ex-General wettert gegen Trump: „Europa scheint sich nicht mehr auf die USA verlassen zu können“
Hört Trump überhaupt noch auf Argumente aus Europa?
Friedrich Merz hat kurz nach der Wahl gesagt, Deutschland müsse sich unabhängig machen von den USA. Da hat er wohl leider Recht, denn Europa scheint sich nicht mehr auf die USA verlassen zu können. Wir Amerikaner werden das bald sehr bereuen, dass wir unsere Verbündeten derart verprellt haben und damit an Einfluss verlieren. Und ich bin überzeugt: Das so zu mehr Selbstständigkeit gezwungene Europa wird gestärkt aus all dem hervorgehen
Wie groß ist die Gefahr, dass die EU in einen Krieg mit Russland verwickelt wird?
Wir wissen aus tausenden Jahren der Geschichte, dass der beste Weg, einen Krieg zu verhindern, ist, sich gut darauf vorzubereiten. Das Risiko, in einen Konflikt mit Russland verwickelt zu werden, steigt, wenn Europa Schwäche zeigt. Das Einzige, was Putin respektiert, ist Stärke. Ich weiß, dass viele Deutsche ein ungutes Gefühl dabei haben, eine Führungsrolle in Europa zu übernehmen. Aber die Bundesregierung muss sich ja nicht hinstellen und sagen: Wir sind jetzt die Führer! Es reicht, einfach entschlossen zu handeln: die Verteidigungsfähigkeit, die Rüstungsindustrie, die Infrastruktur massiv zu verbessern. Und sich so Russland entgegenzustellen. Ich bin überzeugt davon, die anderen europäischen Staaten wünschen sich diese Art von deutscher Führung. Jetzt ist der entscheidende Moment, in dem Deutschland die langfristige Sicherheit Europas organisieren muss.