Baumarkt-Riese schließt viele Standorte: Chefsanierer gibt Update – „Es war außergewöhnlich ernst“
Eine große Kette befindet sich seit vielen Monaten in Schieflage – jetzt äußerte sich der Chefsanierer und findet deutliche Worte.
München - Viele große Unternehmen gerieten in den vergangenen Monaten in Schieflage, aus verschiedensten Branchen. Beispiel Gastro: Während die eine Kette Insolvenz anmeldet und massenhaft Filialen schließt, setzt die andere voll auf Expansion. Auch im Mode-Bereich haben viele zu kämpfen. Gleiches gilt für die Baumarkt- und Einrichtungswelt: Eine Baumarkt-Kette ist kürzlich in die Insolvenz geschlittert.
BayWa: Insolvenz nur ganz knapp verhindert
Eine andere kam haarscharf um die Insolvenz herum. Die Rede ist vom Mischkonzern BayWa, der weit mehr ist als eine Baumarkt-Kette. BayWa handelt zwar auch „klassische“ Baumarkt-Ware und ist insofern Anlaufstelle für Verbraucher ohne Bezug zur Landwirtschaft. Zuallererst aber ist die aus der Genossenschaftsbewegung hervorgegangene BayWa der größte deutsche Agrarhändler und spielt eine wichtige Rolle für die Landwirtschaft und Lebensmittelversorgung im Süden und Osten Deutschlands.
Agrar- und Baumarkt-Riese BayWa schließt 26 der rund 400 Standorte
26 der rund 400 Standorte werden schließen oder sind schon geschlossen. Um welche es sich handelt, wurde in zahlreichen Fällen schon vor einigen Wochen bekannt. Betroffen sind wohl sechs Baustoffstandorte sowie 20 Agrarstandorte. Die Agrartechnikstandorte sollen alle erhalten bleiben, wurde berichtet. Viele der betroffenen Filialen sind bereits bekannt (siehe Infobox), andere folgen 2026.
Diese BayWa-Standorte haben bereits geschlossen oder schließen zum 31.12. (Quellen Agrarwelt, BR, Topagrar und Bayerisch Landwirtschaftliches Wochenblatt)
Mittelneufach (Bayern)
Ehingen (Baden-Württemberg) (nur Baustoff)
Scheßlitz (Bayern)
Neu-Ulm (Bayern)
Altensteig (Baden-Württemberg)
Gars (Bayern)
Pfaffing-Forsting (Bayern)
Obertraubling (Bayern)
Scheßlitz (Bamberg)
Rothenfeld (Bayern)
Triftern (Bayern)
Kronach (Bayern)
Schwandorf (Bayern): 31.12.
Gangkofen (Bayern): 31.12.
Niederstotzingen (Baden-Württemberg): 31.12.
Thiersheim (Bayern): 31.12.
Velden (Bayern): 31.12.
Interessant: Auf dem ehemaligen BayWa-Gelände in Altensteig (Baden-Württemberg) hat am 9. Juli ein Getränkehändler eröffnet, der die ehemaligen BayWa-Kunden auffängt. „Wir haben die Chance genutzt, einen Großteil der BayWa-Artikel weiterzuführen“, so Geschäftsführer Siegfried Traub zum Schwarzwälder Boten. Es gebe dem Bericht zufolge etwa diverse Haushaltsartikel, Futtermittel – insbesondere Tiernahrung –, und auch Erde, Pflanzenschutzmittel oder Holzkohlepellets.
BayWa-Krisenmanager gibt Update: „So einen Fall habe ich noch nicht erlebt“
Wie dramatisch die Schieflage bei BayWa war, schildert nun Restrukturierungsvorstand Michael Baur dem Handelsblatt. Es blieben nur wenige Wochen, um die Liquidität zu stabilisieren. Baur: „Roland Berger wurde sehr kurzfristig mit dem Sanierungsgutachten beauftragt, ich beziehungsweise Alix Partners mit dem Krisenmanagement. Das zeigt ja, dass es ernst war. Und es war außergewöhnlich ernst.“
Der erfahrene Krisenmanager erklärte auf eine entsprechende Frage: „Nein so einen Fall habe ich noch nicht erlebt – und die Sanierungsexperten der Kernbanken auch nicht.“ Die Krise sei für die damalige Führung „überraschend“ gekommen. „Und eine Insolvenz hätte dramatische Folgen für die Gläubiger gehabt. Sie hätten Milliarden verloren.“
Die Maßnahmen spüren die Mitarbeiter und Kunden. Auch Baur verweist auf die 26 Standort-Schließungen und die Zahlen zum Stellenabbau. „Wie angekündigt bauen wir 1300 Vollzeitstellen ab. Mehr als die Hälfte davon ist bereits umgesetzt. Dabei mussten wir nur in unter zehn Prozent der Fälle betriebsbedingt kündigen, der Rest lief über Aufhebungsvereinbarungen.“ Zudem soll beim Einkauf besser auf die Preise geachtet und das Bestandsmanagement verbessert werden.

Der Rettungsplan für die BayWa sieht im Wesentlichen vor, die Auslandsexpansion abzuwickeln und die Firma wieder in das auf den deutschen Agrarmarkt konzentrierte Unternehmen zu verwandeln, das sie früher war. Bereits verkauft sind zwei wesentliche Auslandsbeteiligungen.
Für die Zukunft zeigt sich Baur gegenüber dem Handelsblatt optimistisch, sagt für den BayWa-Konzern in fünf bis zehn Jahren voraus: „Der hat dann zehn Milliarden plus X Euro Umsatz und konzentriert sich auf die vier Geschäftsbereiche Agrar, Technik, Bau und Wärme/Mobilität. Und er ist nur so stark verschuldet, wie es zu einem Konzern in dieser Größenordnung passt. Unser Zielwert im Gutachten ist das Dreifache des operativen Ergebnisses.“
BayWa meldete Anfang Juli einen Milliardenverlust fürs vergangene Jahr
Die Gegenwart allerdings ist unerfreulich, wie sich Anfang Juli zeigte. Dass der unter Milliardenschulden leidende Mischkonzern für das vergangene Jahr einen Verlust melden würde, war absehbar. Unerwartet ist das Ausmaß. Bekannt wurde ein Verlust von 1,6 Milliarden Euro. Die bis Ende 2028 geplante Sanierung soll aber nicht gefährdet sein, wie das Unternehmen in einer Pflichtmitteilung für die Börse mitteilte.
BayWa hat in ihrer 102-jährigen Geschichte zuvor überhaupt erst einmal einen Jahresverlust gemeldet, nämlich 2023. Vor zwei Jahren fiel ein Minus von rund 93 Millionen Euro an, der nunmehr innerhalb eines Jahres um etwa das Sechzehnfache in die Höhe geschossen ist. Maßgeblicher Grund ist jedoch offenkundig nicht, dass das operative Geschäft so schlecht gelaufen wäre. Hauptursache sind demnach Abschreibungen auf Buchwerte in der Bilanz, vor allem bei der im Ökostromgeschäft tätigen Tochter BayWa r.e.
In der deutschen Landwirtschaft ist die Krise der BayWa schon seit den ersten Meldungen über den Sanierungsbedarf vor einem Jahr großes Gesprächsthema. Die Folgeschäden an Reputationsverlust treffen keineswegs nur das Unternehmen selbst oder dessen frühere Leitung, sondern auch den BayWa-Aufsichtsrat, zu dessen Mitgliedern Bauernpräsident Joachim Rukwied zählt. „Bei den astronomischen Summen ist es kaum vorstellbar, dass diese Krise nicht absehbar gewesen sein soll“, kritisierte die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) nach Veröffentlichung des Milliardenverlusts die Unternehmenskontrolleure. Bei einem anderen Traditionsunternehmen herrscht Aufatmen. (lin mit dpa)