Italiens Regierungschefin Meloni nennt sich „der Ministerpräsident“ und ist „Mann des Jahres“
Seit rund 14 Monaten regiert Giorgia Meloni in Italien an der Spitze einer strammrechten Koalition. Die Umfragewerte ihrer Partei Fratelli d’Italia sind seither gestiegen.
„Mann des Jahres“ titelte die rechtskonservative italienische Tageszeitung Libero in ihrer Ausgabe vom 29. Dezember 2023. Darunter: Ein Foto von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Die 46-Jährige ist die erste Frau in diesem Amt in der Geschichte der italienischen Republik. Seit rund 14 Monaten regiert sie Italien in einer Koalition aus drei rechten Parteien: ihren Fratelli d’Italia, der Lega von Matteo Salvini und der Forza Italia, einst gegründet von dem im Juni 2023 gestorbenen Ex-Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi.
Meloni dürfte nichts gegen diesen Titel haben. Nur wenige Tage im Amt, machte sie klar, dass sie „der Ministerpräsident“ sei: „Il presidente del consiglio dei ministri“ und nicht „la presidente“, wie sie einige vorauseilend betitelt hatten. Dass Meloni eine erzkonservative Haltung hat, ist keine Überraschung. Im Wahlkampf im Spätsommer 2022 warb sie für sich mit dem Slogan: „Ich bin Giorgia, ich bin eine Frau, ich bin eine Mutter, ich bin Italienerin und Christin.“ Oft wird Meloni – vor allem im Ausland – als „Postfaschistin“ bezeichnet. Ihre Partei, die Fratelli d’Italia, ist die Nachfolgeorganisation des Movimento Sociale Italiano (MSI), in dem sich nach dem Zweiten Weltkrieg Sympathisanten und Gefolgsleute des Diktators Benito Mussolini versammelten.
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Die Angst, nicht als gleichwertig betrachtet zu werden
Es war nicht etwa der faschistische Hintergrund ihrer Partei, der die Wählerinnen und Wähler dazu gebracht hat, Meloni ihre Stimme zu geben. Für viele war es der Mangel an Alternativen, der Frust über die bisherigen Regierungsparteien. Oft hört man in Italien: Meloni ist eine von uns, sie spricht wie wir, sie versteht uns.
Die gebürtige Römerin stammt aus dem Arbeiterviertel Garbatella. Ihr Vater war bei den Kommunisten, verließ die Familie früh, sodass Giorgia und ihre Schwester bei der Mutter und den Großeltern aufwuchsen, wie es Meloni in ihrer Autobiografie beschreibt. Darin steht auch, wie sie als Jugendliche gemobbt und als „Fettkloß“ bezeichnet wurde. Die Angst, nicht als gleichwertig betrachtet zu werden, sei heute ihre Stärke, schreibt Meloni.
Mit 15 Jahren ist ihr politisches Interesse geweckt
Mit 15 Jahren setzt sie den Grundstein für ihre politische Karriere und tritt 1992 in die Jugendorganisation des MSI ein. 2006 wird Meloni zum ersten Mal ins Parlament gewählt, nun als Abgeordnete der Alleanza Nazionale (AN), der Nachfolgerin des MSI. 2008 schreibt sie schon einmal politisch Geschichte, als sie die jüngste Ministerin des Landes wird und in der Regierung von Silvio Berlusconi für Jugend und Sport zuständig ist. Vier Jahre später, 2012, gründet Meloni die heutige Regierungspartei, die Fratelli d’Italia.
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Ihre politischen Ansichten sind klar in der äußersten rechten Ecke angesiedelt. Meloni will die Zahl der Migranten, die aus Afrika nach Italien kommen, möglichst auf null senken. Sie ist strikt gegen Abtreibung und spricht sich dagegen aus, dass homosexuelle Paare Kinder adoptieren können. Sie pr
2016 wurde Meloni Mutter einer Tochter. Vom Vater des Kindes, Andrea Giambruno, hat sie sich vor wenigen Wochen getrennt. Eine Satiresendung hatte Audiodateien veröffentlicht, in denen der TV-Journalist gegenüber Kolleginnen widerwärtige, schlüpfrige und sexistische Bemerkungen von sich gibt. Die Solidarität des Landes lag danach eindeutig bei der Regierungschefin.
Ihre Umfragewerte sind gestiegen
Trotz ihres Erfolges in der Bevölkerung ist Meloni sehr auf der Hut. Interviews gibt sie nur selten. Um sich herum hat sie einen Kreis von Vertrauenspersonen aufgebaut – der zugleich ihr engster Familienkreis ist. Melonis Schwager, der Hardliner Francesco Lollobrigida, hat das Amt des Landwirtschaftsministers inne. Melonis Schwester Arianna wurde vor kurzem zur Geschäftsführerin der Fratelli d’Italia ernannt.
Die Umfragewerte der Fratelli d’Italia sind seit der Regierungsübernahme gestiegen. Sie liegen derzeit bei 28,8 Prozent. Bei der Wahl am 25. September 2022 hatten sie rund 26 Prozent der Stimmen erhalten. Ein Grund, der zur Beliebtheit beitragen dürfte: Giorgia Meloni ist seit langem die erste Person im Amt des Regierungschefs, die von den Bürgern genau dafür gewählt wurde. Mario Monti, Enrico Letta, Matteo Renzi, Paolo Gentiloni, Giuseppe Conte oder Mario Draghi – sie alle wurden als Regierungschefs eingesetzt, ohne dass sie sich vorher für das Amt beworben hätten.
Bewährungsprobe für das Bündnis in Rom
Ein Amt, das Meloni auch Kraft kostet. Die traditionelle Pressekonferenz zum Jahresende musste zweimal kurzfristig verschoben werden. Die Regierungschefin leide seit etwa zwei Wochen an einer Grippe, hieß es. Auch von Schwindel und Gleichgewichtsstörungen berichtete die italienische Presse. Der neue Termin für die Fragerunde mit den Journalisten ist der 4. Januar.
Themen gibt es genug: Das italienische Parlament hat kurz vor Weihnachten die von den Euro-Staaten seit Jahren geplante Reform des Euro-Rettungsfonds (ESM) abgelehnt. 2024 hat Italien die Präsidentschaft der G7 inne. Und kurz vor dem Gipfel in Apulien stehen Anfang Juni die Europawahlen an. Da die italienischen Regierungsparteien in Brüssel in unterschiedlichen Fraktionen organisiert sind, dürften die Wahlen auch eine Bewährungsprobe für das Bündnis in Rom werden. Von Almut Siefert