Die stille Krise: Jedes fünfte Kind fühlt sich schlecht
Nach der Pandemie geht es unseren Kindern noch immer schlecht. Die Nachwirkungen der Krise halten besonders in sozial schwachen Familien an.
Die Welt steht nicht still, und ihre ständige Veränderung lastet schwer auf den Schultern der jüngsten Generation. Eine aktuelle Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) liefert alarmierende Einblicke in die seelische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Hierzu wurden in sieben Erhebungen mehr als 1.000 11- bis 17-Jährige und 1.500 Eltern von Kindern zwischen 7 und 17 Jahren befragt. Die Ergebnisse der aktuellsten Befragung im Oktober 2024 zeigen, dass die psychischen Belastungen, die während der Corona-Pandemie ihren Höhepunkt erreichten, auch heute nicht verschwunden sind – im Gegenteil, sie haben neue Formen angenommen.

Konflikte wie der Ukraine-Krieg, die Klimakrise und Wirtschaftssorgen verstärken die Ängste der jungen Generation. „Das verunsichert die Kinder zunehmend und macht ihnen auch Sorgen. Sie haben Zukunftsängste“, erklärt Ulrike Ravens-Sieberer, Leiterin der UKE-Forschungsgruppe gegenüber dem MDR. In der aktuellsten Befragung gaben 21 Prozent der Kinder an, dass es ihnen psychisch schlecht geht – ein Anstieg gegenüber den 15 Prozent vor der Pandemie. Besonders besorgniserregend: Kinder, die sich Sorgen machen, haben ein dreifach erhöhtes Risiko für psychische Auffälligkeiten, die schließlich in psychische Erkrankungen münden können. So können Eltern das Risiko für psychische Erkrankungen senken.
Soziale Medien: Fluch und Segen
Einen entscheidenden Beitrag zu dieser Entwicklung leisten soziale Medien. Fast 40 Prozent der Kinder und Jugendlichen verbringen mehr als vier Stunden täglich auf Plattformen wie TikTok oder Instagram. Dabei geraten sie in einen Teufelskreis: Ungefilterte Nachrichten schüren Ängste, während Ausgrenzung und Mobbing die Einsamkeit verstärken. Viele Kinder ziehen sich daher in die Isolation zurück und verlieren so den Bezug zum analogen Leben, in dem durch Zusammensein und Gespräche viele dieser Ängste relativiert werden könnten. Eine Studie hat herausgefunden, was Social Media mit Kindern wirklich macht.
Wer ist besonders betroffen?
Nicht alle Kinder sind gleichermaßen belastet. Die Studie identifiziert Kinder aus Familien mit niedrigem sozialen Status als besonders gefährdet. Beengte Wohnverhältnisse, finanzielle Sorgen und ein Mangel an Bildung erhöhen das Risiko für psychische Erkrankungen um das Zwei- bis Dreifache. Gleichzeitig zeigen die Daten: Unterstützung und feste Strukturen können die psychische Gesundheit signifikant verbessern – teils um das Fünf- bis Zehnfache. Doch genau daran mangelt es in dieser schnelllebigen Zeit vielen.
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Wege aus der Krise
Die Ergebnisse der COPSY-Studie bieten nicht nur eine Diagnose, sondern auch Ansätze zur Heilung. Das Forschungsteam fordert umfassende Maßnahmen:
- Niedrigschwellige Hilfsangebote: Jede Schule sollte mindestens eine feste Ansprechperson für psychische Gesundheit haben. Schulpsychologen könnten hier entscheidend helfen.
- Regeln für den Umgang mit Medien: Weniger Handyzeit und ein bewussterer Umgang mit sozialen Netzwerken könnten die Situation entspannen.
- Vorbildfunktion der Eltern: Kinder lernen den Umgang mit Medien auch durch das Verhalten ihrer Eltern.
Hoffnung auf Veränderung
Trotz der alarmierenden Zahlen bleibt ein Funke Hoffnung. Die COPSY-Studie hat nicht nur gezeigt, wie groß die Herausforderung ist, sondern auch, dass gezielte Unterstützung den Unterschied machen kann. „Kinder mit Unterstützung und festen Strukturen haben ein geringeres Risiko durch psychische Belastung“, fasst Ravens-Sieberer zusammen. In einer Zeit, in der Krisen das Lebensgefühl prägen, ist es umso wichtiger, den Jüngsten zuzuhören – und für sie zu handeln. Denn ihre Zukunft ist auch unsere.