Sozialsystem am Limit – Kritik aus dem Handwerk: „Kahn wird komplett untergehen“

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Die Sozialabgaben in Deutschland werden immer teurer. Von der Merz-Regierung müssten Reformen kommen. Aus dem Handwerk hagelt es deutliche Kritik.

Berlin – Bei den Krankenkassen droht ein neuer Beitragshammer. Das Bürgergeld verschlingt Milliarden. Pflege wird teurer und immer mehr Menschen treten in die Rente ein, während die Zahl der Beitragszahler auf nicht absehbare Zeit weiter schrumpfen wird. Kurz gesagt: Das deutsche Sozialsystem leidet unter verschiedenen Problemen, für die es Lösungen braucht. Ein paar davon kommen nun aus dem Handwerk.

Handwerks-Präsident kritisiert Sozialsystem – und stellt Forderungen für Reformen

„Wir sitzen in einem Schiff, das am Rumpf ein Leck hat“ – mit deutlichen Worten kritisiert Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) die aktuelle Lage der sozialen Sicherungssysteme. „Und wenn wir dieses nicht bald abdichten, wird der Kahn komplett untergehen“. Angesichts der steigenden Sozialabgaben müssten grundlegende Reformen her. Das Bürgergeld hob er dabei hervor: Dieses dürfe keine „Wahlleistung“ sein. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur zeigte er eine Reihe von Problemfeldern auf und fordert eine Lösung.

Jörg Dittrich auf der internationalen Handwerksmesse IHM 2025.
Jörg Dittrich auf der internationalen Handwerksmesse IHM 2025 (Symbolfoto). © IMAGO / Sven Simon

Zwar habe der Koalitionsvertrag einige wichtige Themen zumindest angesprochen, Dittrich bewertete die darin aufgeführten Lösungen als „butterweiche Aussagen“. Auch die zuerst versprochene und dann ausgefallene Stromsteuersenkung kritisierte er scharf. „Nach dem, was wir erlebt haben, wächst bei mir die Sorge, dass jetzt wieder lange geredet, aber letztlich nicht gehandelt wird. Aber das geht nicht mehr.“

Die Bundesregierung setze zwar Kommissionen ein, die viel untersuchen wollen, aber das geschehe primär zur „Drückung“ vor unpopulären aber notwendigen Entscheidungen. Der dpa zufolge fordert Dittrich neben der Reform beim Bürgergeld auch eine Anpassung bei der Rente. Laut dem Handwerks-Präsidenten gehört die abschlagsfreie Rente mit 63 auf den Prüfstand.

Wirtschaftsweiser warnt vor 50 Prozent Sozialabgaben – Sozialsystem braucht dringende Lösung

Ohne Reformen kommt auf Deutschland möglicherweise eine massive Verteuerung bei den Sozialabgaben zu. Das Wissensunternehmen IGES prognostizierte bereits im Januar 2025 eine mögliche Steigerung bei den Sozialabgaben auf fast 50 Prozent. Etwa ein halbes Jahr später blies der Wirtschaftsweise Martin Werding ins selbe Horn. „Die aktuelle Entwicklung ist atemberaubend. Die Frage ist nicht, ob die Beitragssätze irgendwann 50 Prozent erreichen, sondern wann das geschieht“, erklärte Werding in der Rheinischen Post.

Die Alterung der deutschen Bevölkerung sorge dafür, dass der Aufwärtstrend in den 2030er-Jahren unverändert anhalte – sofern es keine Reformen gebe. Schon 2026 sieht Werding eine neue Beitragserhöhung bei den Krankenkassen. Im Jahr danach, also 2027, wenn nicht spätestens 2028, soll dann auch bei den Rentenkassen eine Erhöhung stattfinden.

Nach aktuellem Stand betragen die Sozialabgaben, die für gewöhnlich zur Hälfte von Arbeitgeber und -nehmer getragen werden, bei etwa 42 Prozent des Bruttoeinkommens. Noch 2025 soll dieser Wert – nach Werdings Prognose – auf 43 Prozent steigen. Seine Begründung: Eine ganze Reihe von Krankenkassen hat erst 2025 die Beitragssätze erhöht, teilweise gar mitten im Jahr. Die Beiträge für viele Krankenkassen seien über die Marke von 17 Prozent gewachsen.

Reformen beim Bürgergeld und der Rente – Merz-Regierung muss Sozialsystem reparieren

Was hat die Merz-Regierung darum vor? Derzeit kursieren einige Ideen rund um die Sozialabgaben, denen jedoch primär die Finanzierung fehlt, von einem abgeschlossenen Gesetzgebungsprozess mal abgesehen. Im Mittelpunkt stehen aktuell die sogenannte Aktivrente und eine Reform des Bürgergelds.

Am 9. Juli kündigte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) eine „umfassende“ Reform des Bürgergelds an. Einsparungen in Milliardenhöhe stehen bevor. So jedenfalls die Hoffnung der Bundesregierung. Weitere Entscheidungen dazu seien aber erst im Herbst zu erwarten. (mit Material der dpa)

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