Alleinerziehend zu sein, ist in Deutschland ein Armutsrisiko. Vor allem Mütter verfügen laut aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts oft nur über 60 Prozent des mittleren Einkommens, weil nur sie eine reduzierte Stundenzahl arbeiten können. Auch Sozialleistungen wie das Bürgergeld reichen hier oft nicht aus.
2024 lag die Armutsgefährdungsschwelle für eine alleinerziehende Person mit einem Kind unter 14 Jahren bei knapp 1800 Euro netto im Monat. Der durchschnittliche Bürgergeldanspruch lag mit rund 1494 Euro deutlich darunter – eine Lücke, die oft nicht geschlossen werden kann.
Projekt "Mika" will Alleinerziehende aus dem Bürgergeld holen
Das will das Projekt „Mika", über das der „MDR" in einer Reportage berichtet, ändern. „Mika“ steht für „Mit Kind in Arbeit" und ist ein Programm des Ausbildungsverbunds Magdeburg in Kooperation mit dem Jobcenter, das alleinerziehende Mütter beim Einstieg in Ausbildung oder Beruf unterstützt.
Die Besonderheit: Es geht nicht nur um Qualifikationen, sondern um einen ganzheitlichen Ansatz, der auch persönliche Hürden und die familiäre Belastungen der alleinerziehenden Teilnehmer berücksichtigt.
Projektleiterin Christiane Horn beschreibt die Vorgehensweise im Interview mit dem „MDR" so: „Wir gucken genau, was sie können. Wir haben Testverfahren: Was können sie richtig gut? Darauf bauen wir auf.“ Im sogenannten „Haus der Berufe“ können Alleinerziehende verschiedene Tätigkeiten ausprobieren – etwa in der Pflege, in der Ergotherapie, in der Küche oder im Handwerk. Ziel ist, realistische Perspektiven zu entwickeln, die zu den eigenen Fähigkeiten und der familiären Situation passen.
Eine der gezeigten Teilnehmerinnen ist Lea Alter. Die 25-Jährige ist Mutter eines kleinen Sohnes und seit 2 Jahren alleinerziehend. Im Interview mit dem „MDR" erzählt sie davon, kaum vom Bürgergeld leben zu können: „Insgesamt kommen etwa 1300 Euro im Monat zusammen, mit Kindergeld und Unterhaltsvorschuss. Man hat nicht viel Geld zur Verfügung. Ich möchte dem Kleinen auch mal was leisten können. Geht aber nicht.“
Bürgergeld Empfängerin: „Ich liebe es zu arbeiten“
Ihre Ausbildung zur Altenpflegerin musste Lea aus gesundheitlichen Gründen abbrechen. Danach folgte eine Phase der Unsicherheit – bis sie durch das Jobcenter Magdeburg auf das Projekt „Mika“ aufmerksam wurde. Für die alleinerziehende Mutter war das eine Chance, die sie ergreifen wollte.
Dem oft verbreiteten Vorurteil, Bürgergeldempfänger seien faul und hätten keine Lust auf Arbeit, will sie etwas entgegensetzen: „Ich liebe es zu arbeiten", erzählt sie in der Reportage, „aber als Alleinerziehende ist es nicht so einfach, angenommen zu werden.“
Hier will „Mika“ ansetzen: Das Projekt unterstützt nicht nur bei der Berufsorientierung, sondern vermittelt auch Fähigkeiten, die für den Alltag im Job entscheidend sind – wie zum Beispiel Verlässlichkeit: „Wir üben das ganz intensiv. Die jungen Frauen werden in Dienstpläne eingeteilt, so dass sie jeden Tag wissen, wann ist wer dran", erzählt Projektleiterin Horn dem „MDR". „Und wenn sie verhindert sind, sind sie verpflichtet, für ihre eigene Vertretung zu sorgen. Dafür gibt es Springer, und so fängt Verantwortung übernehmen einfach an."
Für Lea bedeutet das auch, praktische Arbeitserfahrung zu sammeln. Einmal pro Woche hilft sie bei den „AllesRettern“, einer Initiative, die Lebensmittel an Bedürftige verteilt. Das verschafft ihr Routine und zeigt möglichen Arbeitgebern, dass sie zuverlässig ist.
Armut bleibt der Alltag vieler Alleinerziehender
Dass Projekte wie „Mika“ nötig sind, zeigen die Zahlen. Seit 2019 verzeichnet das Statistische Bundesamt einen kontinuierlichen Anstieg der Ein-Eltern-Familien mit minderjährigem Nachwuchs. 2024 lag die Zahl bei rund 1,7 Millionen.
Bemerkenswert ist, dass das Problem nicht allein auf fehlende Erwerbstätigkeit zurückzuführen ist: 71 Prozent der alleinerziehenden Mütter und 87 Prozent der Väter sind laut den Zahlen der Bertelsmann Stiftung berufstätig, viele sogar in Vollzeit.
Dennoch reicht das Einkommen oft nicht, um über die Armutsgrenze zu kommen. Ausfallende Unterhaltszahlungen, teure Kinderbetreuung und flexible Arbeitszeiten, die schwer mit Betreuungspflichten vereinbar sind, verschärfen die Lage. Diese Lebensumstände führen bei alleinerziehenden Müttern und Vätern laut dem aktuellen Familienbericht der Bundesregierung häufig zu gesundheitlichen Problemen - was sich auch negativ auf das Wohlbefinden der Kinder auswirken kann.
Ein Schritt aus der Armutsfalle
„Mika“ versucht, an diesen Schnittstellen anzusetzen. Bereits 23 Alleinerziehende haben seit Projektstart den Sprung in Arbeit oder Ausbildung geschafft. Für sie bedeutet das nicht nur mehr Einkommen, sondern auch mehr Unabhängigkeit.
Für Lea ist das Ziel klar: „Ich will raus aus dem Bürgergeld. Ich will meinem Sohn zeigen, dass sich Arbeit lohnt.“