Anleger sollen noch mehr abgeben - „Anschlag auf Sparer“ und „Atombombe“ - heftige Reaktionen nach Habeck-Vorstoß
Aktienanleger sollen nach einem Vorstoß von Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck für die Sozialversicherung in Deutschland herangezogen werden. Ihre Einkünfte aus Kapitalerträgen sollen somit künftig auch der Finanzierung beispielsweise der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) dienen. „Warum soll eigentlich Arbeit höher belastet sein als Einkommen durch Kapitalerträge?“, sagte Habeck in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. Knapp sechs Wochen vor der Bundestagswahl kamen prompte Reaktionen - die meisten sind verheerend.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach reagierte mit einem Gegenvorschlag. „Bevor wir bei GKV Versicherten auch noch die Rücklagen für das Alter mit Beiträgen belasten, sollten wir privat Versicherte an Solidarität beteiligen“, schrieb der SPD-Politiker auf der Plattform X. „Sie zahlen für Familien, Arbeitslose, Geringverdiener, Menschen mit Behinderung nicht mit. Das ist falsch.“
Habeck erntet Kritik aus der Union: „Sargnagel für die private Fürsorge“
Aus der CSU kam deutliche Kritik: „Die Grünen wollen nicht nur höhere Steuern. Jetzt wollen sie auch noch ans Sparguthaben der Menschen und ihre Erträge ran“, sagte Parteichef Markus Söder der Deutschen Presse-Agentur. „Das lehnen wir grundlegend ab.“ Auf schon einmal versteuertes Geld dürfe nichts mehr erhoben werden.
CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge sprach in der „Bild“ von einem „Sargnagel für die private Fürsorge“. „Wir brauchen keine neuen Beiträge und Abgaben, sondern eine effizientere Verteilung der vorhandenen Mittel.“
Lindner watscht Habeck ab: „Angriff auf Millionen Sparer“
FDP-Chef Christian Lindner warnte vor einem „Abkassieren der Mittelschicht in Deutschland“. Habeck nehme damit auch eine weitere Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland in Kauf, sagte Lindner den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Auf X legte Lindner später nach und bezeichnete Habecks Vorschlag als einen „Angriff auf Millionen Sparer“.
Der designierte FDP-Generalsekretär Marco Buschmann rechnete vor, dieser „große Habeck-Klau“ könne sogar für kleine Sparraten sechsstellige Minderungen ihrer Erträge bedeuten. „Das halte ich für verantwortungslos.“ SdK-Vorstandschef Daniel Bauer sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Millionäre und Milliardäre würde dies nicht treffen, da die Krankenversicherungsbeiträge eben durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt sind.“
„Anschlag“ und „Atombombe“ - heftige Worte nach Habeck-Vorstoß
Der Ökonom Bernd Raffelhüschen rügte Habeck und sagte, dass die Behauptung, Kapitalerträge würden weniger stark besteuert als Arbeitseinkommen, „schlichtweg falsch“ sei. „Sollte sich Habeck mit seinem Vorschlag durchsetzen, wäre das ein Anschlag auf alle Sparer und alle jene, die eigenverantwortlich fürs Alter vorsorgen“, sagre Raffelhüschen der „Neuen Züricher Zeitung“.
Der FDP-Wirtschaftspolitiker Frank Schäffler sprach gegenüber der „Bild“ von einer „zweiten Atombombe für unser Land nach dem Heizungshammer“.
Grüne stellen sich hinter ihren Kanzlerkandidaten
Grünen-Wahlkampfleiter Andreas Audretsch sagte: „Es ist ungerecht, wenn eine Alleinerziehende in Teilzeit oder ein Polizist mehr zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung beiträgt als jemand, der sehr viel Geld im Aktienhandel verdient.“ Auch für Unternehmen sei es gut, wenn wir die Beitragssätze so gering wie möglich halten, sagte er.
Grünen-Chef Felix Banaszak betonte, es gehe um mehr Gerechtigkeit. „Es geht hier nicht um den Kleinsparer. Für Kleinsparer ändert sich nichts.“ Dafür sollten „sehr großzügige Freibeträge“ sorgen. Zahlen nannte Banaszak nicht.
Krankenkassen verhalten
Verhalten zeigten sich die Krankenkassen. „Die Frage, welche Einkunftsarten für die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung, die immerhin 90 Prozent der Bevölkerung versichert und versorgt, herangezogen werden, erfordert eine gesellschaftspolitische Antwort“, sagte Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, der dpa.