Prämie beim Bürgergeld: Ampel zahlt Empfängern jetzt schon bis zu 1800 Euro extra
Die Ampel-Koalition zahlt mit Einführung des Bürgergelds schon bis zu 1800 Euro pro Jahr an Bürgergeld-Empfänger. Ob die Maßnahmen funktionieren, weiß aber niemand so genau.
Berlin – Bürgergeld-Empfänger sollen möglichst schnell in Arbeit kommen. Um ihnen einen Anreiz zu schaffen, hat das Bundeskabinett die sogenannte Anschubfinanzierung beschlossen. Ehemalige Langzeitarbeitslose sollen 1000 Euro bekommen, wenn sie ein Jahr lang einer Arbeit nachgehen, die ihr Auskommen sichert. Die Wirkung ist umstritten – auch innerhalb der SPD. Tatsächlich gibt es derartige Prämien bereits. Bis zu 1800 Euro können Arbeitslose schon bekommen.
Die Motivation der Bürgergeld-Empfänger spielt bei den Prämien nicht die einzige Rolle. Es soll auch deren Einkommen sichern, so dass diese mehr Geld als in der Grundsicherung haben.
Bürgergeld-System sieht bereits jetzt Prämien für Empfänger vor
Die erste Option der Jobcenter ist dabei das Einstiegsgeld, das es seit der Bürgergeld-Einführung gibt. Dies betrifft Fälle, in denen Menschen eine Arbeitsstelle in Aussicht haben, deren Gehalt jedoch auf oder knapp über dem Niveau des Bürgergeldes liegt. Die Arbeit soll sich durch die Prämie lohnen. Voraussetzung ist, dass die Stelle gute Aussichten bietet, nicht mehr auf Bürgergeld angewiesen zu sein. Auch der Schritt in die Selbstständigkeit kann auf diese Weise gefördert werden.
Es gibt keine einheitliche Höhe des Einstiegsgeldes. Sie hängt von den individuellen Lebensumständen der Bürgergeld-Empfänger ab und kann sich über die Dauer der Förderung verändern. Faktoren dabei sind laut Bundesagentur für Arbeit die Dauer der Arbeitslosigkeit, die Chancen auf dem Arbeitsmarkt sowie die Lebenssituation, also ob die betroffene Person eine Familie hat oder alleine lebt.
Bürgergeld-Empfänger können bis zu 1800 Euro als Weiterbildungsgeld bekommen
Mit der Reform des Bürgergeldes hat die Ampel-Koalition auch das sogenannte Weiterbildungsgeld eingeführt, das seit dem 1. Juli 2023 ausgezahlt werden kann. Wer eine Umschulung macht, um einen Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf zu erreichen, erhält monatlich 150 Euro zusätzlich. In einem Jahr summiert sich das auf 1800 Euro. Das Geld bleibt anrechnungsfrei, mindert damit also nicht aufstockende Leistungen.
Wenn ehemalige Erwerbslose eine Ausbildung machen und sie die Zwischen- und Abschlussprüfungen bestehen, erhalten sie die Weiterbildungsprämie. Für eine Zwischenprüfung gibt es dabei 1000 Euro, für eine Abschlussprüfung 1500 Euro – steuerfrei.
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Durch Bürgergeld-Prämien soll sich Arbeit lohnen, aber die Wirkung ist unklar
Das Ziel dieser Prämien für Bezieher von Bürgergeld ist nicht nur, einen Anreiz zum Beginn einer Arbeit zu schaffen. Es geht dabei vor allem darum, dass sich die Arbeit – auch in Jobs mit zu geringen Gehältern – lohnt, wenn dadurch bestimmte Sozialleistungen wegfallen. Bisher war das beim Bürgergeld kritisiert worden, da sich Arbeit ab einem bestimmten Punkt nicht mehr lohne.
Allerdings gibt es Zweifel an der Wirksamkeit der Bonuszahlungen. „Diese Zahlungen und Prämien sind nicht der Schlüssel, um den Übergang aus dem Bürgergeld in Beschäftigung dramatisch zu erhöhen“, sagte Bernd Fitzenberger, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), der Wirtschaftswoche.
Einstiegsgeld beim Wechsel vom Bürgergeld in Arbeit kaum genutzt
Bisher sei etwa das Einstiegsgeld kaum ausgezahlt worden. Zwischen 36.000 und 54.000 Menschen finden monatlich aus dem Bürgergeld heraus einen Job. Zwischen Juni 2023 und Juni 2024 hätten jedoch nur zwischen 4000 und 6600 Personen monatlich das Einstiegsgeld erhalten. „Das lässt nicht den Rückschluss zu, dass dieses Instrument intensiv genutzt werde“, erklärte Fitzenberger, der aber auch einräumte: „Für die, die es in Anspruch nehmen, kann es trotzdem wirken.“ Eine wissenschaftliche Analyse dazu gibt es jedoch bisher nicht. Fitzenbergers Kollege, Arbeitsmarktforscher Enzo Weber, verteidigte jedoch die Bürgergeld-Prämie von 1000 Euro. Es müssten alle Register gezogen werden.
Ein Problem bei der Vermittlung von Menschen aus dem Bürgergeld heraus in Arbeit ist jedoch auch der Arbeitsmarkt selbst. Dort fehlt es überwiegend an Fachkräften, nur wenige ausgeschriebene Stellen sind sogenannte „Helfertätigkeiten“, für die keine hohe Qualifikation nötig ist. Laut Andrea Nahles, Chefin der Bundesagentur für Arbeit, sind jedoch nur sechs von zehn Arbeitslosen dafür qualifiziert. Das ist ein Grund, warum die Chancen auf eine Arbeit für Bürgergeld-Empfänger gesunken sind.
Prämie kann bei Qualifizierung eine Chance für Bürgergeld-Empfänger sein
Genau an dieser Stelle können gerade das Weiterbildungsgeld sowie die Weiterbildungsprämie eine Chance sein. IAB-Direktor Fitzenberger wies gegenüber der Wirtschaftswoche auf die Hindernisse hin, die Menschen davon abhalten. Dazu gehören die benötigte Kinderbetreuung, die gerade arbeitslosen Frauen den Weg in Arbeit erschwert, der Zeitaufwand im Alltag oder prägende Erlebnisse des Scheiterns in der Schule oder Ausbildung.
Helena Steinhaus wies ebenfalls auf die möglichen Hindernisse bei der Aufnahme einer Arbeit hin. „Bei den meisten Menschen, die Bürgergeld beziehen, mangelt es mitnichten am Willen, Arbeit zu finden. Aber sie befinden sich schlicht in Situationen, die das nicht zulassen“, sagte Steinhaus IPPEN.MEDIA kurz nach dem Beschluss der verschärften Bürgergeld-Regeln.
Sie sieht die geplante 1000-Euro-Prämie kritisch. Grundsätzlich sei mehr Geld für Menschen, „die wenig haben und wenig verdienen“, gut. Die Prämie berge jedoch Potenzial zu polarisieren „und einen weiteren Grund, den Menschen Faulheit zu unterstellen“.