Dänemark will Putins Schattentanker stoppen – Russland reagiert: „inakzeptabel“
Rostige Tanker ohne Versicherung verschiffen rund ein Drittel der russischen Ölexporte. Dabei müssen sie durch die Meerengen Dänemarks. Die Regierung möchte diese Durchfahrten nun stoppen.
Russlands berüchtigte Schattentankerflotte sorgt seit Monaten für Unruhe in der Ostsee. Finnland hat die Kontrollen auf See verstärkt, da es Unfälle vor seiner Küste befürchtet: Die Tanker sind uralt, kaum gewartet und fahren zumeist ohne richtige Versicherung. Schweden entdeckte kürzlich eine ganze Flotte der maroden Schiffe vor seiner Insel Gotland, die auftanken, Ladung von einem Schiff zum anderen pumpen – oder einfach nur herum dümpeln. Stockholm bezeichnete das als klare Provokation.
Nun hat erstmals Dänemark angekündigt, gegen die Flotte vorgehen zu wollen. Das Land ist der Transitpunkt zwischen Nord- und Ostsee, seine vielen Inseln verengen das Meer auf zwei schmale Fahrwasser, die die schrottreife Flotte passieren muss – durch den Großen Belt oder den Öresund zwischen Dänemark und Schweden. Die Gefahr von Unfällen und einer Ölpest ist daher groß. Dänemark habe eine Gruppe anderer Ostseeanrainer und EU-Mitglieder zusammengebracht, um Maßnahmen gegen die Schattentanker zu evaluieren, sagte Außenminister Lars Løkke Rasmussen mehreren Medien.
Dänischer Außenminister: Schattenflotte ist ein internationales Problem
„Es besteht ein breiter Konsens darüber, dass die Schattenflotte ein internationales Problem ist und dass internationale Lösungen erforderlich sind“, so Løkke Rasmussen etwa zu Reuters. Das gelte auch für russische und andere Unternehmen, die die Schattenflotte direkt oder indirekt unterstützen, sagte er dem Fachmedium Ship Technology.
Ein Drittel seiner Rohölexporte schickt Russland auf diese Weise durch die dänischen Gewässer in die Welt, etwa 1,5 Prozent des globalen Angebots. Die Sanktionen wegen des Ukraine-Krieges verbieten die Versicherung von russischen Öltransporten oberhalb eines Preisdeckels. Der Name Schattenflotte stammt daher, dass die betreffenden Schiffe absichtlich das automatische Schiffsidentifizierungssystem AIS abschalten – und sich unentdeckt wie im Schatten durch die Meere bewegen. In dänischen Gewässern lehnen die Tanker sogar trotz der Enge immer öfter Lotsendienste ab.

Ein Vertrag von 1857 zwingt Dänemark zu Durchlass aller Schiffe
Dass Dänemark diese Schattenflotte fürchtet, ist nachvollziehbar. Doch die rechtliche Lage ist durchaus knifflig, solange die Schattentanker die Gewässer nur passieren und nicht beispielsweise auch einen dänischen Hafen anlaufen. Grund ist ein fast 200 Jahre altes Dokument: Der Kopenhagener Vertrag von 1857. Zuvor hatte das dänische Königshaus jahrhundertelang Wegezoll von durchfahrenden Schiffen erhoben. Es galt die „Kanonendonner“-Regel: Länder durften über Gewässer bestimmen, die sie mit ihren Kanonenkugeln erreichen konnten. In dem Vertrag von 1857 verzichtete Dänemark „auf ewig“ auf dieses Recht gegen eine hohe Einmalzahlung der Vertragspartner, darunter Großbritannien, Frankreich, Preußen – und das russische Zarenreich.
Seither darf Dänemark keine ausländischen Schiffe mehr stoppen oder behindern. So steht es in Artikel 1 des Vertrages von 1857. Auch der russische Botschafter in Dänemark Wladimir Barbin bezeichnete die dänischen Pläne gegenüber Reuters unter Berufung auf den Vertrag als „inakzeptabel“. Die dänischen Meerengen sind zwar europäische Gewässer, in denen theoretisch die Russland-Sanktionen gelten, die Einfuhr und Transit vieler russischer Waren verbieten. Doch in diesem Fall nützt das nichts. Der uralte Vertrag setzt laut der dänischen Anwaltskanzlei Gorrissen Federspiel das UN-Seerecht (UNCLOS) außer Kraft.
Dänemark darf die Durchfahrt ausländischer Schiffe nicht stoppen
Was also kann Dänemark überhaupt gegen die Schattentanker tun? Das dänische Außenministerium stellte jedenfalls klar, es werde sicherstellen, dass alle Maßnahmen „rechtlich tragfähig sind, auch in Bezug auf das internationale Recht“.
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Eine Möglichkeit bietet die Gefahr für Umwelt und Sicherheit durch die Tanker. Dafür sieht UNCLOS eine Ausnahme vom Grundsatz der freien Durchfahrt vor. Dänemark könne mit Blick auf Umweltgefahren ein verdächtiges Schiff inspizieren und festhalten, falls es nicht über die erforderlichen Bescheinigungen und Versicherungen verfüge, so die Anwälte von Gorrissen Federspiel. UNCLOS erlaube, ein Verfahren gegen das Schiff einzuleiten, „wenn der Verstoß des Schiffes eine große Gefahr für die Küste oder andere Interessen Dänemarks darstellt.“
Vorbild Bosporus? Neue Regel reduzierte die Durchfahrten russischer Tanker
Könnte das also der Ansatz sein? Es gebe einen Vorschlag, alle Tanker in der Ostsee dazu zu verpflichten, ausreichenden Versicherungsschutz nachzuweisen, berichtet die dänische Zeitung Danwatch. Sprich, dass ihr Versicherungsvertrag große Schäden wie eine Ölpest abdeckt. Auch dies dürfe allerdings nur bei konkretem begründeten Verdacht kontrolliert werden.
Ist die Idee also ein zahnloser Tiger? Nicht unbedingt, solange sie abschreckend wirkt. Es müsste rechtlich möglich sein, die Vorlage einer Versicherung zu verlangen zu der ein Schiff verpflichtet ist, zitiert Danwatch Kristina Siig, Professorin für Seerecht an der Universität von Süddänemark: „Auch wenn es bisher keine Praxis dafür gibt.“ Ein ähnliches Modell habe sich am Bosporus in der Türkei als erfolgreich erwiesen, der einzigen Verbindung vom Schwarzen Meer zum Mittelmeer. Dort ist es laut Siig gelungen, die die Zahl der Tanker der russsischen Schattenflotte mit Fake-Versicherungen zu verringern.