Das BayWa-Beben: Insider erhebt schwere Vorwürfe gegen Chefetage des Agrar-Riesen
Der Agrarriese BayWa steckt in einer tiefen Krise. Vor wenigen Wochen hieß es noch, man kehre zu schwarzen Zahlen zurück. Wer ist für das BayWa-Beben verantwortlich?
München – Februar 2023: BayWa-Chef Klaus Lutz und Manfred Nüssel, der den Aufsichtsrat des Agrarriesen leitet, schlendern durch die Isarphilharmonie. Es gibt Rotwein, Häppchen und Freundschaftsbekundungen: Zwischen ihm und Nüssel sei es „Liebe auf den ersten Blick“ gewesen, lobt Lutz, der zum 100. Geburtstag seiner BayWa geladen hat. Auch der designierte Lutz-Nachfolger Marcus Pöllinger ist da und bester Laune.
BayWa in der Krise: Milliarden-Schulden plagen das Unternehmen
Das Fest ist kaum mehr als ein Jahr her – und doch ein Rückblick in andere Zeiten. Heute steckt die BayWa in einer tiefen Krise. Die Schulden drücken, das Geschäft stockt, die Dividende wurde gestrichen. Vor etwa einer Woche der vorläufige Tiefpunkt: Die BayWa musste einräumen, dass ein Sanierungsgutachten bestellt wurde. Das passiert meist dann, wenn Banken wissen wollen, ob sie einer Firma überhaupt noch Kredite geben können.
Seit dem Festakt im Februar 2023 ist die BayWa-Aktie um zwei Drittel abgestürzt, das Meiste in den vergangenen Tagen. Wer wissen will, wie das passiert ist, muss im Jahr 2008 anfangen. Klaus Josef Lutz wurde da neuer BayWa Chef und wollte das Unternehmen zum globalen Agrarkonzern umbauen. Dazu kaufte er einen Obsthändler aus Neuseeland, einen Getreidehändler aus Rotterdam, expandierte in Erneuerbare Energien. Bis 2023 verdreifachte er so den Umsatz.
Die Kehrseite: knapp sechs Milliarden Euro Schulden. In den Nullzinsjahren kein Problem, doch seit die Zinsen wieder hoch sind, drücken sie der BayWa die Luft ab. Fragt man nach der Schuld für die Misere, richten sich deshalb viele Finger auf Ex-Chef Lutz, aktuell Präsident der IHK für München und Oberbayern. Aber: Niemand führt einen Konzern im Alleingang.
Kritik an BayWa-Chefs: Warum kaufte die BayWa ein defizitäres Unternehmen?
Kritik gibt es deshalb auch an einer weiteren Schlüsselperson: Manfred Nüssel. Der einflussreiche Funktionär saß ab 1983 im Aufsichtsrat der BayWa und war von 2000 bis 2023 dessen Vorsitzender. „Nüssel und der Aufsichtsrat tragen eine große Mitschuld an der heutigen Lage“, sagt ein Kenner des Unternehmens. „Statt seiner Aufgabe nachzukommen und Lutz zu kontrollieren, hat ihn Nüssel immer vorbehaltlos unterstützt.“ Der Rest des Aufsichtsrats sei faktisch ausgeschaltet worden. „Und wer Kritik äußerte, wurde als Nestbeschmutzer beschimpft.“
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Die Verbindung von Lutz und Nüssel war lange so eng, dass die beiden als „Tandem“ beschrieben wurden. Pikant: Nüssel leitete auch bei der Raiffeisen-Beteiligungsgesellschaft BRB den Aufsichtsrat. Die BRB besitzt 34 Prozent der BayWa-Aktien, ist damit größter Anteilseigner und dominiert die BayWa Hauptversammlung „Nüssel hat so faktisch sein eigenes Gehalt und das von Lutz in der Hauptversammlung abgenickt, inklusive der Millionenabfindung zum Ende der Amtszeit“, sagt der BayWa Kenner, der weitere Vorwürfe erhebt.
So habe die BayWa 2015 ein defizitäres Unternehmen gekauft, in dem Nüssel im Aufsichtsrat war und in dem auch Familienmitglieder beschäftigt waren: die PC Agrar. Bis zum Verkauf an AGCO in diesem Jahr sei sie für die BayWa ein Verlustbringer gewesen. Und Lutz? Hat danach lange geschwiegen. Er sei über die aktuelle Lage der BayWa „überrascht und entsetzt“, sagte er nun unserer Zeitung. Die Schieflage „verwundert angesichts der Tatsache, dass der Vorstand auf der BayWa Hauptversammlung vor wenigen Wochen noch die Rückkehr zu schwarzen Zahlen angekündigt hatte.“
Krisen könne man bewältigen, so Lutz mit Blick auf das aktuelle BayWa-Management. „Aber dazu braucht es eine überzeugende Kommunikation und schnelle Handlungsfähigkeit.“ Das Umfeld des Ex-Chefs spricht sogar von „Rufmord“ und einer „Verleumdungskampagne“ – und bringt sogar eine mögliche Rückkehr von Lutz zur BayWa ins Spiel, „sofern die Mitarbeiter darum bitten.“
Sanierungsgutachten soll BayWa vor der Insolvenz bewahren
So weit die Spekulationen, Gerüchte, Vorwürfe. Was davon zutrifft? Schwer zu sagen. Klar ist hingegen: Die nächste Zeit wird nicht leicht für das angeschlagene Unternehmen. Laut Insidern muss die BayWa 2025 Schulden in Milliardenhöhe refinanzieren, zwei Milliarden davon stecken in einem auslaufenden Konsortialkredit von Geldgebern wie DZ Bank, LBBW, Commerzbank oder HypoVereinsbank. Vieles wird also davon abhängen, wie das Sanierungsgutachten ausfällt, das bald vorliegen soll.
Parallel will die BayWa mit Verkäufen von Beteiligungen Geld in die Kasse bekommen. „Gut möglich, dass sie dann wieder auf ihre ursprüngliche Größe zusammenschrumpft“, unkt ein Insider.