Selenskyj erwartet Russland bei zweitem Friedensgipfel: Leise Hoffnung auf Ende des Ukraine-Kriegs

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Selenskyj erwartet Russland bei zweitem Friedensgipfel: Leise Hoffnung auf Ende des Ukraine-Kriegs 

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Ein erstes Ukraine-Treffen fand ohne Russland statt. Bei einem zweiten Gipfel hätte Selenskyj auch Moskau gern dabei. Der Kreml bleibt zurückhaltend.

Kiew/Moskau – Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 befindet sich Europa in einer schweren Krise. Die Debatte darüber, wie ein Weg zum Frieden gefunden werden kann, gewinnt zunehmend an Fahrt. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nun überraschend seine Bereitschaft signalisiert, Gespräche mit Russland zu führen. Dies könnte ein Hoffnungsschimmer für ein mögliches Ende des Ukraine-Kriegs sein.

Selenskyj befürwortet Russlands Teilnahme an zweitem Ukraine-Friedensgipfel

Am 15. Juli erklärte Präsident Selenskyj auf einer Pressekonferenz in Kiew, er befürworte die Teilnahme Russlands an einem zweiten Ukraine-Friedensgipfel. „Ich glaube, dass russische Vertreter an dem zweiten Gipfel teilnehmen sollten“, sagte Selenskyj. Es ist das erste Mal, dass Selenskyj Gespräche mit Russland in Erwägung zieht, ohne zuvor auf einen Rückzug russischer Truppen aus der Ukraine zu bestehen.

Gleichzeitig stellte Selenskyj klar, dass die Ukraine nicht unter Druck aus dem Westen gesetzt werde, Verhandlungen mit Russland aufzunehmen. Die militärische und finanzielle Unterstützung des Westens sei nicht an Gespräche mit dem Kreml gebunden, betonte er gegenüber der Presse. Bei einem ersten Gipfel in der Schweiz hatten Vertreter aus 93 Ländern Leitlinien für mögliche Friedensgespräche zwischen Kiew und Moskau skizziert. Russland selbst hatte am Gipfel nicht teilgenommen. Selenskyj warf Kreml-Chef Wladimir Putin vor, das Treffen „zum Scheitern“ bringen zu wollen. Der Kreml hingegen bezeichnete jegliche Gespräche über ein Ende des Konflikts ohne russische Beteiligung als „absurd“.

Russland erklärt sich zu Verhandlungen bereit, lehnt aber Gipfel mit der Ukraine ab

Russland hatte zwar selbst immer wieder behauptet, bereit zu Verhandlungen zu sein – allerdings unter der Bedingung, dass Kiew Gebiete abtritt. Das lehnt die Ukraine ab. Russland werde an einem solchen Gipfel Selenskyjs nicht teilnehmen, sagte der Chef des Auswärtigen Ausschusses der russischen Staatsduma, Leonid Sluzki. Er bezeichnete die ukrainische Führung als vom Westen gesteuerte „Marionetten“, von denen sich Moskau keine Bedingungen diktieren lasse.

Der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte in einem im Onlinedienst Telegram veröffentlichten Interview: „Man muss erst einmal verstehen, was er (Selenskyj) damit meint“. „Der erste Friedensgipfel war überhaupt kein Friedensgipfel“, betonte Peskow. 

Selenskyj weist Putins Bedingungen für Ukraine-Frieden zurück

Kurz vor dem Friedensgipfel in der Schweiz hatte Putin seine Bedingungen für Verhandlungen offengelegt. Damals bot er eine Waffenruhe an, sollte die Ukraine aus den vier von Russland annektierten Gebieten abziehen. „Der Kurs des Westens und Kiews heißt, uns zu besiegen. Aber wie Sie wissen, ist das gescheitert. Heute unterbreiten wir einen weiteren konkreten realen Friedensvorschlag“, sagte Putin in einer Rede im russischen Außenministerium.

Putin forderte zudem die Aufhebung aller westlichen Sanktionen gegen Russland. „Wir dringen darauf, diese tragische Seite der Geschichte umzuschlagen und Schritt für Schritt die Einheit zwischen Russland und der Ukraine und Europa im Allgemeinen wiederherzustellen“. Selenskyj wies Putins Vorschläge als nicht vertrauenswürdig zurück und bezeichnete sie als Ultimatum. In einem Interview mit dem italienischen Nachrichtensender SkyTG24 betonte Selenskyj, dass Putin seine Militäroffensive auch dann nicht stoppen würde, wenn seine Forderungen erfüllt würden.

Mehr als 40 Prozent der Menschen in der Ukraine sprechen sich für Friedensgespräche aus

Mehr als zwei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ist die Meinung der Menschen in der Ukraine zu Verhandlungen mit dem Kreml gespalten. Eine Umfrage des Rasumkow-Zentrums, durchgeführt im Auftrag des Internetportals Dzerkalo Tyzhnya, ergab, dass nur gut ein Drittel der Befragten strikt gegen Verhandlungen mit Russland ist. Gleichzeitig sprechen sich mehr als 40 Prozent für Friedensgespräche aus. Etwa ein Fünftel der Befragten zeigte sich unentschlossen bei der Frage nach Verhandlungen. Besonders in den zentralen und südlichen Regionen der Ukraine befürworten viele den Beginn offizieller Gespräche mit Moskau. In den zentralen Gebieten sind es 49 Prozent, in den südlichen sogar 60 Prozent.

In den östlichen Regionen des Landes, die besonders stark von den Kämpfen betroffen sind – darunter die Gebiete Charkiw, Dnipropetrowsk, Donezk und Luhansk – ist die Meinung gemischter. Hier ist jeweils ein Drittel der Bevölkerung für oder gegen die Aufnahme von Verhandlungen oder unentschlossen.

Mehrheit in der Ukraine lehnt Putins Friedensbedingungen ab

Ein großer Teil der Menschen in der Ukraine weist die von Putin vorgeschlagenen Bedingungen für einen Frieden zwischen den beiden Ländern entschieden zurück. Laut der Umfrage des Rasumkow-Zentrums, die Ende Juni durchgeführt wurde, sind mehr als 80 Prozent der Befragten gegen weitere Gebietsabtretungen an Moskau. Ebenso lehnen gut 76 Prozent die Aufhebung der Russland-Sanktionen ab, und knapp 60 Prozent sprechen sich gegen einen neutralen Status der Ukraine aus. Diese Ergebnisse verdeutlichen die klare Haltung der ukrainischen Bevölkerung gegen die Forderungen des Kremls.

An der Umfrage haben 2027 Ukrainer über 18 Jahren in allen von der Regierung in Kiew kontrollierten Teilen des Landes teilgenommen. Die statistische Abweichung soll nicht mehr als 2,3 Prozent betragen. Angaben zur Art der Befragung, ob telefonisch oder persönlich, wurden jedoch nicht gemacht.

Ist das Ende des Ukraine-Kriegs in Aussicht?

Die USA unterstützen Selenskyjs Vorschlag, russische Vertreter zu einem zweiten Friedensgipfel einzuladen. „Es ist an der Ukraine zu entscheiden, wann und wie und in welchem Zustand sie diplomatische Verhandlungen unternimmt“, erklärte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller. Selenskyj plant, bis November 2024 einen umfassenden Friedensplan vorzulegen. Vorbereitende Treffen zu Themen wie Energiesicherheit, Freiheit der Schifffahrt und Austausch von Kriegsgefangenen sollen im Sommer und Herbst in Katar, der Türkei und Kanada stattfinden.

Schweizer Friedenskonferenz
Selenskyj will Russland bei einem zweiten Friedensgipfel dabei haben. (Archivbild) © Sean Kilpatrick/Canadian Press via ZUMA Press/dpa

„Die Ukraine ist hier das Opfer, die Ukraine sieht ihr Land überfallen.“ Deshalb bestimme sie, ob und in welchem Format es Verhandlungen gebe. „Aber es ist nie klar gewesen, ob der Kreml zu tatsächlicher Diplomatie bereit ist“, sagte Miller. Die USA hätten sich schon vor dem Krieg für eine diplomatische Lösung des Konflikts eingesetzt.

Nato-Länder unterstützen Ukraine im Kampf gegen Russland

Nach dem Nato-Gipfel in Washington sieht sich die Ukraine für ihren Kampf gegen den russischen Angriffskrieg gestärkt. Zum Abschluss ihres Gipfeltreffens sicherten die Staats- und Regierungschefs der Nato-Staaten der Ukraine ihre Unterstützung bis zum Sieg gegen Russland zu. Das Bündnis erklärte, entschlossen zu sein, die Ukraine beim Aufbau einer Streitmacht zu unterstützen, die in der Lage ist, die russische Aggression zu beenden.

In einer nach einem Treffen mit Selenskyj veröffentlichten Erklärung heißt es, dass der Kampf der Ukraine für Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität direkt zur euro-atlantischen Sicherheit beiträgt. Die Nato-Unterstützung werde so lange fortgesetzt, wie es notwendig sei. (jal mit dpa)

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