Drastische Vorhaben des US-Präsidenten - Trumps Zölle halten die Welt in Atem: Drei Wege führen aus dem Dilemma

 

Dass diese Logik einer auf Protektionismus beruhenden Weltwirtschaft nicht aufgehen kann, wenn sie von vielen Staaten angewendet wird, erschloss sich schon den Zeitgenossen. So zeigte bereits Adam Smith in seinem berühmten Buch „Der Wohlstand der Nationen“ im Jahr 1776, dass merkantilistische Handelspolitik zu Zollspiralen und Handelskriegen führt und letzlich alle dabei verlieren, wenn Waren künstlich verteuert werden und so der internationale Handel zurückgeht.

In der Folge wurde die merkantilistische Wirtschaftsauffassung von der Idee des Freihandels abgelöst. Seit dem 19. Jahrhundert ist der Freihandel zum vorherrschenden Dogma des Außenhandels geworden und er war Leitmotiv als im goldenen Zeitalter der Globalisierung der 1990er Jahre die Welthandelsorganisation (WTO) gegründet wurde. Die Idee dahinter war, dass letztendlich schädliche Eingriffe in den freien Welthandel durch eine regelbasierte Handelspolitik vermieden werden sollten. Kommt es zum Streit, so kann die WTO angerufen werden, um zu schlichten.

Das Ergebnis: eine noch nie dagewesene globale Verkettung von Wirtschaftsräumen, weitere bilaterale, regionale und internationale Freihandelsabkommen - von denen vor allem auch die deutsche Wirtschaft massiv profitierte - und eine lange Phase stetig wachsender Weltwirtschaft.

Selbstverständlich hat der Freihandel auch Probleme mit sich gebracht: so fällt es Nationen in der Abwesenheit von Zöllen schwer, neue Wirtschaftszweige im eigenen Land zu etablieren, wenn Billigimporte aus anderen Ländern es der einheimischen Industrie unmöglich machen, selbst wettbewerbsfähige Produkte zu entwickeln. Um aber solches „Dumping“ zu verhindern, hat die WTO Regeln entworfen, um derart unlautere Handelspraktiken einzudämmen und stattdessen fairen Welthandel zu fördern. Das zugrunde liegende Prinzip: eine regelbasierte, auf Fairness und gleichen Chancen beruhende Handelspolitik statt Protektionismus ist auf Dauer für alle besser.

Welche Rolle spielt die Komplexität in der Wirtschaftspolitik für Zölle, wie sie jetzt von Donald Trump eingeführt werden?

Der Blick auf die Geschichte des Welthandels zwischen Freihandel und Protektionismus zeigt, dass effektive Handelspolitik notwendigerweise die komplexen Reaktionen ins Auge fassen muss, die durch die Einführung von Zöllen ausgelöst werden können. Kommt es zu Gegenzöllen, kann es zu Handelskriegen kommen, die möglicherweise - auch das hat die Geschichte gezeigt - in tatsächliche Kriege ausarten können, und in jedem Fall eine Menge wirtschaftlichen Schaden anrichten.

Aber nicht nur die offensichtlich drohenden Gegenreaktionen machen Donald Trumps Politik wahrscheinlich einen Strich durch die Rechnung, sondern möglicherweise die eingeführten Zölle selbst. Was Trump nicht zu berücksichtigen scheint, ist, dass die amerikanische Wirtschaft selbst global vernetzt ist. Teile amerikanischer Produkte kommen aus dem Ausland, sie werden in den USA weiter zu größeren Komponenten zusammengebaut und wieder exportiert, bevor sie als fertige Produkte vielleicht wieder in die USA kommen.

So besteht zum Beispiel die globale Lieferkette des amerikanischen Computerherstellers Apple aus 43 Ländern, zwischen denen es komplexe und wechselseitige Import- und Exportbeziehungen gibt, um so die belieben Produkte von IPhone bis MacBook herzustellen und den amerikanischen und internationalen Konsumenten zur Verfügung zu stellen.

Entsprechend hat der bekannte Komplexitätsökonom César Hidalgo jüngst auf die unbeabsichtigten Folgen hingewiesen, die die Trump'schen Zölle haben könnten, und sich zu einem zweischneidigen Schwert entwickeln könnten. Durch die komplexe Verzahnung der Lieferketten und das mehrfache Exportieren und Importieren von Teilen und Komponenten könnte sich die Produktion von bestimmten Gütern durch Zölle erheblich verteuern und damit zu einem Verschieben der Lieferketten führen.

Es ist dabei aber längst nicht ausgemachte Sache, dass die Lieferketten sich dann in die USA verschieben werden. Genauso gut kann es sein, dass die gesamte Produktion ausgelagert wird, um Kosten zu senken. Es könnte auch sein, dass amerikanische Lieferanten bei Produkten, die im Ausland gefertigt werden, durch andere Zulieferer, z.B. aus China, verdrängt werden. Oder aber es kann dazu kommen, dass ausländische Produzenten sich andere Absatzmärkte suchen oder amerikanische Komponenten umgehen, wie kürzlich erfolgreich bei der  Entwicklung von chinesischer KI-Software ohne Chips des US-Herstellers NVidia.

Wie könnte eine smarte Wirtschaftspolitik aussehen, die diese Komplexitäten berücksichtigt?

Smarte Wirtschaftspolitik berücksichtigt die komplexen Interaktionen in der Weltwirtschaft. Wie gelingt das? Sie nutzt die dank der Digitalisierung zur Verfügung stehenden ungeheuren Datenmengen, die es erlauben, die Lieferketten einzelner Unternehmen, Industrien oder ganzer Nationen in höchster Auflösung abzubilden.

So durchforsten Forscher bereits diese Datenberge und gewinnen eine Unzahl an Erkenntnissen über die komplexen Verflechtungen in Lieferketten. Sie konnten z.B. zeigen, wie der ökologische Fußabdruck von Nationen erheblich reduziert werden kann, wenn CO2-Einsparungen an kritischen Stellen in der Lieferkette vorgenommen werden. Wegen der Bedeutung von Lieferketten, um Volkswirtschaften stabiler und nachhaltiger zu machen, gibt es in Österreich sogar ein ganzes Forschungszentrum, das sich der datenbasierten Erforschung von Lieferketten widmet.

Statt also blindlings Zölle auf alle Einfuhren zu erheben, versucht smarte Handelspolitik, Regeln zu definieren und Schäden durch gezielte Maßnahmen zu beschränken. Auch wenn selbst eine umstrittene Maßnahme, so greifen beispielsweise die  EU-Zölle auf chinesische Elektroautos bereits einige dieser Erkenntnisse auf. Hier wurden Zölle nach gründlicher Analyse und abgestuft eingeführt, weil bestimmten chinesischen Elektroauto-Herstellern vorgeworfen wurde, wettbewerbswidrige Preise aufzurufen, um so die europäische Elektroautoindustrie darin zu behindern, selbst wettbewerbsfähig zu werden.

Wie könnte also smarte Wirtschaftspolitik im 21. Jahrhundert aussehen, die die komplexen Interaktionen der Weltwirtschaft berücksichtigt?

Zunächst einmal sollte sie nicht so tun, als ob Zölle im Vakuum verhängt werden. Zölle lösen Gegenreaktionen aus und diese Spirale kann eine eigene Dynamik entfalten, die sich jeder Kontrolle entzieht.

Zweitens sollten Handelseinschränkungen nur da angewandt werden, wo sie helfen, die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Sie müssen dabei zwangsläufig temporär sein und in der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft muss es einen Fahrplan geben, bis wann die heimische Industrie auf eigenen Beinen und im globalen Wettbewerb bestehen kann.

Und drittens sollte smarte Handelspolitik datenbasiert vorgehen, um kritische Punkte in der Lieferkette ausfindig zu machen, und zu verhindern, dass Zölle ungewollte Konsequenzen wie das Abwandern von Produktion nach sich ziehen. Smarte Wirtschaftspolitik benutzt also die Pinzette und nicht die Kettensäge, um wirtschaftliche Ziele zu erreichen.