Datenwissenschaftler Fabian Braesemann - So beeinflussen DeepSeek und ChatGPT Ihre Karriere
Welche Berufsfelder könnten am stärksten von diesen KI-Technologien betroffen sein und welche neuen Möglichkeiten könnten entstehen?
Nicht erst seit Beginn des Hypes um generative KI sorgen sich viele darum, ob ihr Job durch digitale Technologien ersetzbar wird. Tatsächlich ist die Angst vor der technologiebedingten Arbeitslosigkeit schon hunderte Jahre alt. Als zu Beginn der industriellen Revolution vor über zweihundert Jahren automatisierte Webmaschinen erfunden wurden, gingen die Weber auf die Barrikaden und wurden zu Maschinenstürmern. Durch das Zerstören der Webmaschinen wollten sie verhindern, dass sie selbst und ihr langwierig gelerntes Handwerk der Wollweberei durch Ungelernte ersetzt werden. Ihr verzweifelter Protest blieb letztlich erfolglos und konnte den Siegeszug der Industrialisierung und Automatisierung nicht verhindern.
So hat sich der Arbeitsmarkt aufgrund technischer Entwicklungen in den vergangen zweihundert Jahren immer wieder grundlegend geändert. Dabei ist es aber nicht so, dass wir alle arbeitslos geworden sind. Im Gegenteil, in Deutschland hat die Zahl der Erwerbstätigkeiten im Jahr 2024 mit über 46 Millionen Beschäftigten einen neuen Höchststand erreicht.
Das heißt, trotz des erheblichen Wandels der Arbeitswelt im Laufe der Zeit hat die Zahl der Beschäftigten immer mehr zugenommen und der allgegenwärtige Fachkräftemangel zeigt uns, dass wir eigentlich noch viel mehr Beschäftigte bräuchten.
Was sagt uns dieser langfristige Trend nun über die Effekte von KI-Technologien am Arbeitsmarkt? Unsere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass sich der langfristige Trend der Transformation des Arbeitsmarktes fortsetzt: während einige Jobs an Bedeutung verlieren, nehmen andere Jobs an Bedeutung zu. Die Berufsfelder, die am meisten betroffen sind, sind all jene, bei denen generative KI maßgeblich den Arbeitsalltag beeinflusst: also alles vom Schreiben über Buchhaltung und Programmieren, bis hin zu Projektmanagement und Grafik-Design..
In den meisten Fällen werden Arbeitnehmer aber durch generative KI-Technologien nicht ersetzt, sondern deutlich produktiver gemacht. Statt beispielsweise lange an einer kniffligen Programmieraufgabe zu sitzen, lädt ein Softwareentwickler nun seinen Computer-Code in ChatGPT oder DeepSeek hoch und lässt sich von der Maschine zeigen, wie der Code entsprechend verbessert werden kann, um die Programmieraufgabe zu lösen. Das Resultat: eine deutlich gesteigerte Produktivität durch weniger Zeitaufwand für vormals langwierige Tätigkeiten.
Das neue KI-Tool DeepSeek ist gerade veröffentlicht wurden und prompt beliebter als ChatGPT; was bedeutet die Popularität von KI für Firmen und Arbeitnehmer?
Das Beispiel oben zeigt, dass durch generative KI erhebliche Produktivitätsteigerungen zu erwarten sind. Das ist prinzipiell erst einmal eine gute Sache: wer möchte schon gerne unnötig lange Zeit für etwas verwenden, was durch den cleveren Einsatz eines KI-Assistenten ungleich schneller vonstatten gehen kann? Und genau hier liegt das große Potenzial von generativer KI (und KI-Anwendungen im Allgemeinen) für Firmen und Arbeitnehmer in Deutschland, Europa und weltweit.
Wer jetzt in der Lage ist, KI-Anwendungen auf eine sinnvolle (das heißt produktivitätssteigernde) Art und Weise in seinen Arbeitsalltag (bzw. den seiner Mitarbeiter) zu integrieren, kann einen erheblichen Wettbewerbsvorteil gewinnen. Vor diesem Hintergrund kann uns - den Anwendern von KI-Tools - die neue Konkurrenz zwischen amerikanischen und chinesischen KI-Unternehmen nur recht sein: durch den Konkurrenzdruck kommt es zu mehr Innovation und günstigeren Preisen für KI-Produkte und -anwendungen.
DeepSeek geht mit seiner Strategie, sein KI-Tool mit einer „Open Source“-Lizenz zur Verfügung zu stellen, noch einmal neue Wege, die die Verbreitung von KI-Anwendungen in der Wirtschaft deutlich erhöhen dürfte. Im Gegensatz zu anderen KI-Tools dürfen Nutzer das DeepSeek ganz nach Belieben anpassen und dabei auf den Quelltext der Software zugreifen. Es ist zu erwarten, dass innovative Unternehmen sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen werden und nun umso mehr versuchen werden, neue KI-Anwendungen zu generieren, die entweder bestehende Prozesse effizienter machen könnten, oder aber gänzlich neue Märkte erschließen könnten.
So zeigt auch unsere Forschung, dass diejenigen Jobs, die am meisten vom KI-Boom profitieren konnten, gerade jene sind, die KI in die Anwendung bringen: Programmierer von Chatbots und all jene, die KI-Modelle entwickeln oder große Datenmengen analysieren.
Was müssen deutsche Unternehmen tun, um vom KI-Hype zu profitieren?
Zwar sind die großen Hersteller von KI-Software in den USA und in China, aber das heißt nicht, dass der KI-Hype an Deutschland vorbeiziehen muss oder Deutschland (bzw. Europa) nicht am Ende doch noch lachender Dritter sein kann.
Das Beispiel der plötzlichen Popularität von DeepSeek zeigt, dass es nicht immer ein Segen sein muss, der erste zu sein. Kostete die Entwicklung von ChatGPT 4.0 noch schätzungsweise einhundert Millionen US-Dollar, so ließ sich das neueste Modell von DeepSeek mit nur einem Bruchteil der Kosten entwickeln. Das heißt konkret: die Entwicklung von leistungsfähiger KI-Software ist längst nicht abgeschlossen und sie wird günstiger.
Genau wie bei anderen großen Technologien in der Vergangenheit, wird es auch im Bereich der KI-Entwicklung noch zu vielen Fortschritten kommen, die der Technologie erst zum wirklichen Durchbruch verhelfen werden. So wurde ja auch das Auto erst ein Massenprodukt nachdem John Ford mit der Fließbandproduktion die Kosten der Autoproduktion soweit drücken konnte, dass jedermann es sich leisten konnte.
So ist die Messe im Bereich generativer KI noch längst nicht gelesen. Mit jedem neuen Modell und mit jeder neuen Entwicklung lernen Unternehmen, wie ein KI-System effizient aufgezogen werden kann. Verbreiten sich KI-Systeme so rasant wie im Moment, dann ist es nicht unwahrscheinlich, dass große Unternehmen bald ihre eigenen KI-Systeme entwickeln und maßgeschneiderte Lösungen entwerfen, die genau auf ihre Branche zugeschnitten sind.
Dies kann insbesondere für Deutschland eine große Chance sein. Deutschland ist immer noch führend in wichtigen Bereichen wie dem Automobilbau, der chemischen Industrie und im Maschinenbau. Wenn deutsche Firmen die momentane Aufmerksamkeit um KI geschickt nutzen, um ihre Mitarbeiter zu schulen, KI-Systeme zielführend einzusetzen und selbst neue Tools zu entwickeln, so kann die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in diesen Kernindustrien und in der Wirtschaft insgesamt zu- statt abnehmen.
Hierfür bedarf es eines dynamischen und mutigen Zusammenspiels aller Beteiligter: Unternehmen, Arbeitnehmer, Gewerkschaften, Bildungseinrichtungen und staatlicher Stellen auf allen Ebenen. Arbeitnehmer müssen mit der produktiven Nutzung KI vertraut gemacht werden, Prozesse müssen umgestellt und modernisiert werden, und es müssen die rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen geschaffen werden, hierzulande vorhandene Datenschätze für Forschung und Innovation im KI-Bereich nutzbar zu machen.