Flop bei Arbeitsagentur – Jobchancen sind schlechter als während Corona

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Flop bei Arbeitsagentur – Jobchancen sind schlechter als während Corona

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Die Konjunktur in Deutschland und der Arbeitsmarkt schwächeln: Die Bundesagentur für Arbeit stellt einen Negativrekord bei der Jobvermittlung auf. BA-Chefin Nahles spricht Klartext.

Nürnberg – In diesem Sommer könnte die Zahl der Arbeitslosen erstmals seit Jahren wieder über die Drei-Millionen-Marke steigen – die anhaltende Konjunkturflaute belastet zunehmend auch den Arbeitsmarkt. Das merkt auch die Bundesagentur für Arbeit (BA): Im Jahr 2024 registrierte die Bundesagentur 6,7 Millionen sogenannte Abgänge aus Bürgergeld- und Arbeitslosengeldbezug – also Fälle, in denen Menschen die Leistung nicht mehr bezogen. Nur in 4,9 Prozent der Fälle war die BA selbst für die erfolgreiche Vermittlung in Arbeit verantwortlich – das geht laut Informationen der Bild aus einer Anfrage der AfD-Fraktion im Bundestag hervor. Zum Vergleich: 2015 lag dieser Anteil noch bei 13,2 Prozent.

Fast drei Millionen Arbeitslose – Vermittlungsquote der Arbeitsagentur und Jobchancen brechen ein

Auch insgesamt sind die Chancen, aus der Arbeitslosigkeit in reguläre Beschäftigung zu wechseln, so schlecht wie lange nicht. Laut Bundesagentur lag die sogenannte Abgangschance zuletzt bei nur 5,64 Prozent – ein historischer Tiefstand. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger forderte in diesem Zusammenhang, die BA solle sich wieder stärker auf ihre Kernaufgabe konzentrieren – „vermitteln, vermitteln, vermitteln“.

Bundesagentur für Arbeit zur Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt
Andrea Nahles, Chefin der Arbeitsagentur, sieht die Jobchancen schlechter als während Corona. © Daniel Löb/dpa

Andrea Nahles, Chefin der Bundesagentur, verwies hingegen bereits Anfang Mai gegenüber dem Bayrischen Rundfunk darauf, dass sich das Vermittlungsproblem nicht allein mit Druck lösen lasse. Angesprochen auf den Koalitionsvertrag erklärte die ehemalige SPD-Chefin, dass man „mit Druck allein“ das Vermittlungsproblem in Deutschland nicht lösen könne.

Nahles warnt vor Drehtüreffekt bei Arbeitslosen und fordert mehr Qualifizierung statt dauerhaften Druck

Unter anderem seien häufig die fehlende Qualifikation oder gesundheitliche Beeinträchtigungen Faktoren, warum viele offenen Stellen unbesetzt blieben. So entfielen im Mai von den rund 650.000 gemeldeten offenen Stellen nur etwa 120.000 auf das sogenannte Helferniveau – also auf Tätigkeiten, für die keine formale Qualifikation notwendig ist. Auch das von der Regierung geplante Modell einer „neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende“ – mit strengeren Zumutbarkeitsregeln und mehr Druck – verbessere laut Nahles nicht die Vermittlungszahlen. Die Arbeitssuchende sollen künftig Jobs aller Art annehmen – selbst aus fachfremden Branchen.

Nahles warnt dagegen vor einem Drehtüreffekt, bei dem die Menschen nach kurzer Zeit wieder arbeitslos seien. Es bedürfe vielmehr mehr Qualifizierung, damit die Leute bessere Chancen am Arbeitsmarkt erhalten.

Personalabbau bei der Arbeitsagentur: 30 Prozent weniger Vermittlungskräfte als noch vor zehn Jahren

Auch personell ist die BA heute schwächer aufgestellt: 2024 arbeiteten nur noch 13.942 Vollzeitkräfte in der Vermittlung – rund 30 Prozent weniger als noch 2015, als es 19.593 waren.

Doch auch der schwächelnde Arbeitsmarkt trage laut Nahles zu der aktuellen Misere bei: „Die Arbeitslosigkeit entwickelt sich weiter ungünstig“, erklärte die BA-Chefin bei der Vorstellung der Juni-Statistik in Nürnberg. Im Juni sank die Zahl der Arbeitslosen zwar leicht um 5.000 auf 2,914 Millionen – das sind jedoch 188.000 mehr als im Vorjahresmonat. Insgesamt blieb die Arbeitslosenquote im Vergleich zum Mai unverändert bei 6,2 Prozent. Besonders alarmierend ist zudem die Entwicklung bei der Langzeitarbeitslosigkeit: Mehr als jeder Dritte ohne Job ist seit über einem Jahr arbeitslos – im Juni waren das 1,034 Millionen Menschen, 69.000 mehr als ein Jahr zuvor.

Langzeitarbeitslosigkeit steigt: Mehr als jeder Dritte ohne Job seit über einem Jahr arbeitslos

Nahles mahnte, dass die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung quasi nicht mehr wirklich wachse und „die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen“ gering geblieben ist. Die gedämpfte Stimmung in der Wirtschaft zeigt sich auch im BA-Stellenindex, der die Entwicklung der gemeldeten Stellen abbildet. Im Juni 2025 stagnierte der Wert bei 100 Punkten – damit liegt er 38 Punkte unter dem Allzeithoch von Mai 2022. Im Jahresvergleich sank der Index um 9 Punkte.

Ein klarer Hinweis darauf, dass viele Betriebe zurückhaltend bei Neueinstellungen bleiben, trotz der weiterhin hoher Arbeitslosenzahlen. Aktuell sind 632.000 offene Stellen gemeldet – rund 69.000 weniger als im Vorjahr sowie rund eine Viertelmillionen als noch 2022. Diese Entwicklungen sorgten auch bei Nahles für ein bitteres Fazit: „So gering waren ihre Chancen auf einen neuen Job nicht einmal während der Corona-Pandemie“

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