Deutschland verlernt das Arbeiten: „Bürgergeld nur ein Beispiel falscher politischer Entscheidungen“
Sigmund Gottlieb sieht eine Krise in der deutschen Wirtschaft. Mangelndes Personal und steigende Krankschreibungen sind nur einige der Symptome.
Der renommierte Journalist und langjährige Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks, Sigmund Gottlieb, kommentiert für IPPEN.MEDIA mit scharfem Blick wöchentlich in seiner Kolumne „Gottlieb direkt“ aktuelle Themen. Diesmal geht es um die deutsche Wirtschaft.
Die vergangene Woche hat mich schockiert. Meine Bäckerei schließt schon um 15 Uhr, weil das Personal fehlt. Mein Italiener öffnet nur mehr an drei Tagen in der Woche, weil er weder Koch noch Bedienung findet. Der Taxifahrer erzählt mir von seinem Freund, einem türkischen Unternehmer, der einen großen Auftrag zurückgeben muss, weil er keine Leute mehr findet.
Immer mehr kleine Läden in Deutschlands Innenstädten müssen aufgeben, weil sie niemanden finden, der bei ihnen arbeiten will. Ärzte bestätigen mir, dass die Zahl der Krankschreibungen drastisch steigt – kein Wunder, das geht ja ganz leicht am Telefon. Gewerkschaften und SPD müssen keine Vier-Tage-Woche mehr fordern – wir haben sie bereits – wenn es nicht schon drei Tage sind!
Deutschland ist auf dem Weg, das Arbeiten zu verlernen. Unser Land bietet zu viele Möglichkeiten, auch ohne Arbeit sein Auskommen zu finden. Das Bürgergeld ist nur ein Beispiel in einer Reihe falscher politischer Entscheidungen. Dieses Land und seine Politik bietet zu viele Anreize, sich nicht mehr anzustrengen. Politiker, die auf den betreuten Bürger setzen, machen sich diesen vielleicht für die nächste Wahl gewogen, aber sie handeln verantwortungslos. Wer arbeitet, ist nämlich der Dumme.
► Sigmund Gottlieb ist einer der renommiertesten und erfahrensten Journalisten Deutschlands. Er war von 1995 bis 2017 Chefredakteur und von 2001 bis 2014 dazu stellvertretender Fernsehdirektor beim Bayerischen Rundfunk.
► Gottlieb moderierte die „Münchner Runde“ sowie aktuelle Brennpunkt-Sendungen im Ersten und war einer der präsentesten Kommentatoren in den „Tagesthemen“ der ARD.
► Für seine Arbeit erhielt Gottlieb mehrere Auszeichnungen, darunter den Bayerischen Fernsehpreis für die Berichterstattung über den Kosovo-Krieg. Seit 2005 ist er Honorarprofessor für Journalismus an der Hochschule Amberg-Weiden. Und er ist im Universitäts- und Stiftungsrat der Universität Passau tätig sowie Ehrensenator dieser Hochschule.
► Weiter Kolumnen, zum Beispiel zur deutschen Außenpolitik und Annalena Baerbock finden sie hier
Eine neue Bundesregierung muss diesen Trend schnellstens stoppen. Wer arbeitet, muss deutlich mehr in der Tasche haben als der, der die Sozialsysteme ausnutzt. Deutschland muss das Arbeiten wieder lernen, sonst geht das nicht mehr lange gut!