Bürgerversammlung in Dietramszell: Ausführliche Diskussionen um Asylunterkunft in Bairawies

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Bei der Dietramszeller Bürgerversammlung: Vor rund 150 Bürgern gab Rathauschef Josef Hauser (r.) seinen Rechenschaftsbericht ab. Danach dominiert das geplante Asylbewerberheim die Diskussion mit Landrat Josef Niedermaier (3. v.li.hi.) im Gasthaus Peiß in Schönegg. © Michaela Schubert

Die angedachte Flüchtlingsunterkunft in Bairawies für 128 Personen dominierte die Bürgerversammlung in Dietramszell.

Dietramszell – Landrat Josef Niedermaier begründete in einer ausführlichen Stellungnahme die derzeitige Akquise für weitere Unterkünfte von Flüchtlingen und Asylbewerbern – aus seiner Sicht eine „absolute Notlage“. Einheimische bangen indes um ihre Dorfidylle.

In Bairawies herrscht derzeit Unmut. Grund: In der Nähe des Schullandheimes will ein Investor eine Containeranlage errichten lassen und an das Landratsamt für die Unterbringung von Flüchtlingen vermieten. Um mit dem Landrat Josef Niedermaier über die Lage zu diskutieren, fanden sich rund 150 Bürger zur Bürgerversammlung im Gasthof Peiß in Dietramszell ein, zu der Bürgermeister Josef Hauser einlud.

Rückblick: Jüngst wurde der Antrag auf Vorbescheid für das geplante Objekt vom Dietramszeller Bau- und Umweltausschuss unisono abgelehnt. Jetzt bleibt abzuwarten, ob die zuständige Baubehörde die Planungshoheit der Gemeinde aushebeln wird, sprich das gemeindliche Einvernehmen ersetzt und den Antrag dennoch genehmigt. Um nämlich Unterkünfte im Außenbereich genehmigungsfähig zu machen, hat die bayerische Staatsregierung eigens eine Sonderregelung geschaffen. Dem Landrat ist klar „und da rede ich keinem Bürgermeister dagegen, dass damit die Planungshoheit ziemlich ausgehebelt“ werde.

Große Unterkünfte sollen Abhilfe schaffen

„Die Not an Unterkünften ist groß“, antwortete der Landrat auf die Frage eines Bairawieser Bürgers, der wissen wollte, warum in einem Dorf mit 290 Einwohnern künftig ein Drittel an Flüchtlingen zugeteilt werden soll. Niedermaier erklärt das Dilemma so: Zuerst habe man versucht, dem Flüchtlingsstrom Herr zu werden, indem Privatunterkünfte gesucht und Turnhallen belegt wurden.

Sein Versprechen die Sporthallen in den Städten Geretsried und Wolfratshausen wieder „frei zu kriegen, rückt in weite Ferne“. Gemeinden würden gegen das Verteilsystem klagen und er „weiß nicht mehr wohin mit den Flüchtlingen“. Der Landrat ist „auf Unterstützung angewiesen“, sowohl auf die der Kommunen, als auch auf die von Investoren. Denn der Landkreis könne alleine keine Unterkünfte bauen.

„Es geht längst nicht mehr um Integration, sondern darum, dass Menschen ein Dach über dem Kopf haben.“

Bürger fordern Leerstände zu nutzen

Eine Bürgerin wollte daraufhin wissen, warum Leerstände nicht genutzt werden. Die Gemeinde hätte dem Landkreis das Ascholdinger Hallenbad als Liegenschaft für Flüchtlinge angeboten. Das sei doch viel sinnvoller, als ein komplett neues Gebäude zu bauen. Obendrein seien Anschlüsse wie Kanal und Strom bereits vorhanden. „Bis heute wissen wir nicht, warum das Hallenbad nicht infrage kommt“, wetterte sie.

Weil „der Freistaat das zigmal intensiv geprüft hat“, konterte Niedermaier und „es kommt als Asylunterkunft nicht infrage“. Er erklärte kurzum, wie so eine Prüfung abläuft: Objektvorschläge, die beim Landratsamt eingehen, werden an das Innenministerium zur Prüfung gesandt und auf Wirtschaftlichkeit geprüft.

„Wenn alles passt und genehmigt wird“, dürfe das Landratsamt im weiteren Zuge im Namen des Freistaates Bayern einen Mietvertrag unterschreiben. Darin seien die Länge sowie die Entschädigung festgelegt. Die Kosten dafür können direkt in den Staatshaushalt gebucht werden. „Ein Privileg, das in keinem Bundesland so ist“, betont Niedermaier.

Zurück zum Thema Bairawies: Gemeinderatsmitglied Bernhard Fuchs monierte, die Vorgehensweise des Antragstellers und der Baubehörde. Für ihn gehe es nicht, den Antrag auf Vorbescheid vom Amt einfach „hingeknallt zu bekommen“. Er denkt, dass auch die Bevölkerung positiver gestimmt sei, wenn man sie mit einbezieht und nicht vor vollendete Tatsachen stelle.

Strategiewechsel bei der Akquise

Der Landrat begründete seinen Strategiewechsel darin, dass „es Fälle gab, wo die Investoren ihren Antrag zurückgezogen haben“, weil es Druck aus der Bevölkerung gegeben hätte. Da das Landratsamt eine Zwitterbehörde ist, also Behörde des Landkreises und zugleich untere Verwaltungsbehörde des Staates, ist das Landratsamt in der Pflicht, die per Quoten zugeteilten Flüchtlinge wiederum unter Berücksichtigung des Königsteiner Schlüssels an die Gemeinden zu verteilen.

Das seien monatlich 100 neue Asylsuchende. „Es geht hier schon lange nicht mehr um Integration, sondern darum, dass die Menschen ein Dach über dem Kopf haben. Wir brauchen einfach größere Unterkünfte“, appellierte er.

Eine Landwirtin fragte, ob nach der „Notlage“, die landwirtschaftliche Fläche im Außenbereich, auf der die Unterkunft entstehen solle, wieder als landwirtschaftliche Fläche ausgewiesen werde.

Hintergrund: Bauen im Außenbereich ist nur in wenigen Ausnahmen genehmigt, wie etwa privilegierte Baumaßnahmen von landwirtschaftlichen Betrieben. Der Gesetzgeber habe bis 2027 eine Sonderregelung für Flüchtlingsunterkünfte geschaffen, so Niedermaier. Daraufhin wendete Wolfgang Köster, Gründer der Informationsgruppe Containeranlage in Bairawies und Sprecher des Grünen-Ortsverbandes, ein: „Ich bin zwar kein Jurist, aber sowie wie ich das verstehe, darf man zusätzliche Unterkünfte nur bauen, wenn der dringende Bedarf besteht“. Also, wenn „tatsächlich die Zahl der Flüchtlinge die Zahl der bereitgestellten Unterkünfte übersteigt“ und das sei hier nicht der Fall, betonte Köster.

Es seien in der Kommune Unterkünfte geschaffen worden und in der Öko-Akademie in Linden, „da können auch 113 wohnen“, betonte eine Anwesende. Mit diesen Plätzen hätte Dietramszell seine Pflicht erst einmal erfüllt. Dem stimmte Bürgermeister Josef Hauer zu. Er berichtete, dass er kürzlich erst mit dem Eigentümer der Öko-Akademie gesprochen hätte, um sich nach dem Stand zu erkundigen.

Man sei dort wohl in den finalen Zügen, die Brandschutzauflagen aufzuarbeiten. Hauser gehe davon aus, dass ein Ende in Kürze abzusehen sei. Niedermaier entgegnete, der Eigentümer sei „chaotisch“. Sie würden die Unterkunft erst abnehmen, wenn diese wirklich „fertiggestellt ist“.

Was ist mit der Sicherheit der Kinder?

Einige Bürger äußerten Bedenken hinsichtlich der Sicherheit für ihre Kinder. Diese konnte der Landrat nicht teilen. Für die Sicherheit in den Gemeinschaftsunterkünften sorge ein Sicherheitsdienst, der rundum die Uhr eingesetzt werde. Außerdem habe er noch keinen Übergriff erlebt, wiegelte er die Bedenken ab.

Als Beispiel führte er die Asylunterkunft in Bad Tölz an, die „direkt in unmittelbarer Nähe der Montessori-Schule ist“. Bis jetzt sei da noch nichts passiert. Der Landrat betonte zwar, dass er „Verständnis für die Sorgen hat“, aber er könne nicht jedes Problem bis ins kleinste Detail diskutieren. „Ich brauche Platz, wo etwas umgesetzt werden kann“ und zwar für größere Unterkünfte, die „sind effizienter“.

Zudem gab er zu bedenken, dass in den Asylunterkünften mehrere Fehlbeleger wohnen; also anerkannte Asylbewerber, die anderweitig untergebracht werden müssten – im Landkreis aber schlichtweg der Wohnraum, diese adäquat unterzubringen, fehlt. Mit den Gemeinden gibt es diesbezüglich immer wieder Streit. Denn würde man die Fehlbeleger auf die Straße setzen, wären diese obdachlos und dann hätten die Gemeinden die Pflicht, diese unterzubringen. „In Tölz allein gibt es 150 Fehlbeleger“. Hier schlug Ratsmitglied Fuchs vor, dass man versuchen könne, diese „in Ferienwohnungen unterzubringen“.

Hören Politiker auf Bundesebene zu?

Ein weiterer Bairawieser Anwohner wollte wissen, „was auf politischer Ebene zu der Flüchtlingssituation diskutiert“ wird. Der Landrat erklärte, dass sie jüngst mit 40 Landräten in Berlin gewesen seien. „Wir haben vor allem dem Wirtschafts- und Innenminister in aller Deutlichkeit unser Problem geschildert.“ Das hätte wohl nur bedingt Gehör gefunden.

Hauser stellte abschließend klar: Für den Fall Bairawies „haben wir dagegen gestimmt und werden das rechtlich prüfen lassen“, der Vertrag für die juristische Prüfung sei unterzeichnet. Sollte also das Landratsamt unsere Entscheidung ersetzen, lassen wir das prüfen. Wenn uns empfohlen wird, dagegen vorzugehen, würde man das in Erwägung ziehen. Der Bürgermeister sehe die Gemeinden in der Nahrungskette ganz unten angesiedelt. „Wenn wir das hin bügeln, dann wird das schon funktionieren“, sei wohl die Denke. Es bleibe abzuwarten, wie es mit den Plänen weitergeht.

In Kürze: der Rechenschaftsbericht des Bürgermeisters

Der Ratschef Josef Hauser zeigte in einer zweistündigen Präsentation, was sich in der Gemeinde Dietramszell das Jahr über alles getan hat.

Stattgefundene Bauarbeiten

Anhand detaillierter Fotoaufnahmen konnte sich jeder selbst ein Bild davon machen, wie das fertiggestellte Gemeinschaftshaus in Linden aussieht und wie weit die Renovierung des D-Baus in der Schule fortgeschritten ist. Auch über ein neues Müllhäuschen konnte sich der Kindergarten in Linden dieses Jahr freuen.

Im Ortsteil Emmerkofen steht seit diesem Jahr ein neues Bushäuschen, und im „alten“ Kindergarten in Ascholding schreiten die Bauarbeiten voran, dort sollen zwei Wohnungen entstehen. In Ascholding ist seit Ende April 2024 das neue Feuerwehrhaus eingeweiht, und die Dietramszeller Floriansjünger haben ihren langersehnten Gerätewagen Logistik im Frühjahr erhalten.

Es folgte ein Bericht über die abgeschlossene Dorferneuerung im Dietramszeller Ortskern, und auch einige Straßen und Wege konnten dieses Jahr saniert werden. Das Teilstück der Staatsstraße 2368, das Dietramszell mit Bad Tölz verbindet, soll im Abschnitt Oberhof bis südlich Kirchbichl, in den nächsten Jahren erneuert werden.

Wie es der Kommune finanziell geht

„Finanziell geht es der Gemeinde noch gut“, erklärte Hauser. Die kommunalen Einnahmen des geplanten Haushaltes liegen im Normbereich. Erfolgreich zeigte sich die im vergangenen Jahr eingeführte Zweitwohnungssteuer. Sie generierte Einnahmen von rund 80.000 Euro, womit „wir alle drei Jahre ein Feuerwehrauto finanzieren können“, scherzte Hauser.

Die Gewerbesteuer übertraf die Plansumme bereits im Oktober um über eine Million Euro. Die Schuldenbilanz sank um weitere rund 200.000 Euro und liegt jetzt bei etwa 650.000 Euro. Dennoch sieht der Rathauschef die Gemeinde „mittelfristig vor größeren Schwierigkeiten“. Dies sei darin begründet, dass die Kreisumlage von 50,25 Prozent bis 2028 auf geschätzte 64 Prozent ansteige. Das bedeute, dass die Gemeinde bis dahin anstatt rund vier künftig fünf Millionen abführen müsse. Der Gemeinderat hätte bereits beschlossen, geplante Investitionen mit der Aufnahme neuer Kredite zu decken.

Um die kommunalen Einnahmen zu optimieren, wird man den Grundsteuer-Hebesatz erhöhen. Hauser kündigte an, dass anstatt wie mit der Grundsteuerreform angedacht, von 320 auf 235 Prozent zu senken, dieser sogar erhöht werde im Jahr 2025. „Das würde unsere Einnahmen erhöhen“, erklärte er.

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