Ernest Shackletons berühmtes Expeditionsschiff Endurance, das 1915 im antarktischen Eis versank, galt lange als Symbol für Pioniergeist und Ausdauer. Doch eine neue Studie, die in der Fachzeitschrift "Polar Record" veröffentlicht wurde, zeigt: Das Schiff war strukturell schwächer als bisher angenommen – und Shackleton wusste offenbar davon.
Berühmtes gesunkenes Expeditionsschiff Endurance war nicht so stark wie vermutet
Forscher der Aalto-Universität in Finnland haben die Konstruktion der Endurance analysiert und mit anderen Polarschiffen ihrer Zeit verglichen. Ergebnis: Das Schiff hatte mehrere Schwachstellen, darunter ein zu großes, schlecht verstrebtes Maschinenraumsegment und fehlende diagonale Verstrebungen im Rumpf. Diese Bauweise machte das Schiff anfällig für den enormen Druck des Packeises.
"Selbst einfache Analysen zeigen, dass die Endurance nicht für die kompressiven Eisbedingungen konstruiert war, die sie letztlich zerstörten", erklärt Studienautor Jukka Tuhkuri, der ein Teil der Expedition Endurance22 war, die im März 2022 das versunkene Wrack der Endurance lokalisierte und analysierte. Tagebucheinträge der Crew deuten zudem darauf hin, dass nicht nur das abgerissene Ruder, sondern auch schwere Schäden an Rumpf, Kiel und Decks das Ende besiegelten.
Polarforscher Shackleton wusste vermutlich von den Mängeln
Bemerkenswert: Shackleton selbst schrieb schon vor der Abfahrt an seine Frau, die Endurance sei schwächer als seine früheren Schiffe. Noch 1911 hatte er bei einem anderen Polarschiff, der Deutschland, zusätzliche Verstrebungen empfohlen – genau jene, die bei der Endurance fehlten.
Warum Shackleton trotz des Wissens über die Risiken in See stach, bleibt unklar. Mögliche Gründe reichen von Zeitdruck bis zu finanziellen Engpässen. Sicher ist laut Tuhkuri nur eines: "Die romantische Vorstellung, die Endurance sei das stärkste Polarschiff ihrer Zeit gewesen, muss neu bewertet werden."
5 Fakten zur „Endurance“-Expedition von Ernest Shackleton
Vor über 100 Jahren brach Ernest Shackleton mit der Endurance zu einer Expedition in die Antarktis auf. Das Abenteuer endete dramatisch – und gibt Forschern bis heute Rätsel auf.
- Ziel der Mission: Shackleton wollte 1914 als Erster die Antarktis zu Fuß durchqueren – eine Strecke von rund 2900 Kilometern.
- Im Eis gefangen: Die Endurance wurde im Januar 1915 im Weddellmeer eingeschlossen und driftete monatelang mit dem Packeis.
- Das Ende des Schiffs: Nach zehn Monaten zerdrückte das Eis den Rumpf – die Crew musste das Schiff aufgeben.
- Rettung durch Mut: Shackleton und einige Männer segelten 1300 Kilometer in einem offenen Boot zur Insel Südgeorgien und retteten schließlich alle 28 Besatzungsmitglieder.
- Das Wrack heute: 2022 wurde die Endurance in 3000 Metern Tiefe entdeckt – nahezu unversehrt im eiskalten Wasser des Weddellmeers.