Singapore-Airlines-Maschine sackt fast zwei Kilometer ab: Wie gefährlich sind Turbulenzen?
Der jüngste Vorfall einer Boeing-Maschine, bei der eine Person starb und weitere verletzt wurden, wirft erneut Fragen über die Sicherheit bei Turbulenzen auf.
Frankfurt – Es scheint, die Vorfälle häufen sich: Vergangenes Jahr im März beunruhigten private Videoaufnahmen eines Lufthansa-Fluges nach Texas. Die Maschine war in Turbulenzen geraten und stark abgesackt. Für einen Passagier auf dem Weg nach Dubai endete der Flug mit einem Nackenbruch – auch seine Maschine wurde von Luftströmen erfasst, er krachte gegen die Flugzeugecke.
Im März wurden 50 Menschen auf dem Weg nach Auckland verletzt und zuletzt brachten Horror-Turbulenzen 71 Menschen in ein Krankenhaus nach einer Notlandung in Thailand. Ein Mensch starb sogar. Nehmen Turbulenzen in der kommerziellen Luftfahrt zu?
Gefahr durch Turbulenzen: „Temperaturunterschied führt zu schärferen Änderungen der Windrichtung“
Kurz gesprochen: ja. Auch wenn Turbulenzen beim Fliegen insgesamt nicht ungewöhnlich sind, nahmen die Vorfälle über die Jahre zu. Das ermittelte die britische Universität Reading in einer wissenschaftlichen Studie. Demnach sei die Zahl von Turbulenzen in den vergangenen 40 Jahren angestiegen, besonders der Nordatlantik und der Luftraum über der USA seien von der Zunahme betroffen.
Was sind Turbulenzen?
Wissenschaftlich gesehen handelt es sich bei Turbulenzen in der Atmosphäre um Wirbel, die sich bilden und wieder auflösen. Diese Wirbel verursachen Kräfte, die am Flugzeug angreifen und es nach oben oder unten beschleunigen.
Quelle: Deutscher Wetterdienst (DWD)
Als Grund nennt das Wissenschaftsteam allen voran den Klimawandel. „In Reiseflughöhe erwärmt der Klimawandel das Gebiet südlich des Jetstreams stärker als das Gebiet nördlich davon. Der größere Temperaturunterschied führt zu schärferen Änderungen der Windrichtung und somit zu mehr Turbulenzen“, erklärte Paul Williams, der als Co-Autor an der Studie mitwirkte.
„Jede zusätzliche Menge CO2 in der Atmosphäre bedeutet einen stärkeren Temperaturunterschied im Jetstream, was eine stärkere Windscherung bedeutet“, so Williams.
Aufgrund von Turbulenzen: Boeing-Maschine sackt auf dem Weg nach Singapur fast zwei Kilometer ab
In der Regel werden Turbulenzen mit Unwetter und starken Gewittern in Verbindung gebracht. Über der Westküste Myanmars, wo der heftige Zwischenfall der Singapore Airlines Maschine am Dienstag (21. Mai) lokalisiert wird, soll es zu dem Zeitpunkt gewittert haben. Dort herrscht momentan Regenzeit. Ob Unwetter tatsächlich dazu geführt hatten, dass der Boeing-Flieger vom Typ 777 binnen drei Minuten fast zwei Kilometer an Höhe eingebüßt hatte, ist bislang ungeklärt.
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Tatsächlich müssen Turbulenzen nicht zwangsläufig im Zuge von Unwetter auftreten. „Verschiedene Wetterverhältnisse können sie verursachen, darunter Luftdruck, Jetstreams, Bergluft, kalte oder warme Wetterfronten bis hin zu Gewitter“, zitierte die Washington Post die US-amerikanische Luftfahrtbehörde FAA hierzu. In der Regel können die Geräte im Cockpit Turbulenzen frühzeitig erfassen und die Piloten dementsprechend darauf reagieren. Doch: „Turbulenzen können sogar bei klarem Himmel auftreten“, heißt es seitens der FAA.
Etwa bei den sogenannten Klarluft-Turbulenzen (Clear Air Turbulence). Dabei nimmt die Windgeschwindigkeit an den äußeren Rändern der Luftströmung rapide ab und sorgt so für die von Williams genannten starken Windscherungen. Für gewöhnlich treten sie in sehr hoher Flughöhe auf. Weil sie unerwartet kommen können, raten Experten dazu, über die gesamte Flugdauer angeschnallt zu bleiben. Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) unterscheidet in:
- Light – Leichte Turbulenzen: Sanfte Erschütterungen, kaum spürbar während des Fluges.
- Moderate – Mäßige Turbulenzen: Können von den Fluggästen als unangenehm empfunden werden und Einfluss auf das Flugverhalten des Flugzeugs haben. Leichte „Sprünge“ möglich, die Kontrolle über die Maschine ist aber nie in Gefahr.
- Severe – Starke Turbulenzen: Flugzeug kann abrupte absacken oder nach oben gedrückt werden. Die Maschine kann dabei für einen kurzen Zeitraum die Kontrolle verlieren.
Quelle: Flugmeteorologie des Deutschen Wetterdienstes
Jeder dritte Vorfall in der Luft geht darauf zurück – Wie gefährlich sind Turbulenzen?
Einen Kontrollverlust empfanden auch Passagiere, die in der jüngeren Vergangenheit heftige Turbulenzen erlebt hatten. Eine Frau, die im März 2023 an Bord der Lufthansa-Maschine nach Texas gewesen ist, sagte gegenüber der Washington Post, dass es sich so angefühlt habe, als sei die Maschine im „freien Fall“ gewesen. An Bord der absackenden LATAM-Maschine von Sydney nach Auckland sei ein Fluggast sich vorgekommen, wie im Hollywood-Film „Der Exorzist“. Mehrere Menschen seien durch die Kabine geschleudert worden.
Grund zur Sorge oder Flugreisen zu meiden, gäben Turbulenzen aber nicht. „Wir sehen es eher als Problem des Komforts, weniger als Sicherheitsrisiko“, sagt Patrick Smith, der über 30 Jahre Passagiermaschinen steuerte, gegenüber der Washington Post. Entwarnung gibt auch ein Sprecher des Luftfahrt-Bundesamtes (LBA): „Man braucht keine Angst zu haben, dass ein Flugzeug durch Turbulenzen auseinander bricht, auch wenn die Flügelspitzen und Triebwerke unter Umständen ziemlich stark wackeln. Dafür sind sie gebaut“, sagt er gegenüber dem Branchenportal Reisereporter.
Moderne Flugzeuge könnten demnach weitaus stärkeren Kräften widerstehen, als durch Turbulenzen entstehen könnten. Einem Bericht der Nationalen Flugsicherheitsbehörde der USA (US National Transportation Safety Board) zufolge waren jedoch Turbulenzen für jeden dritten Vorfall aller kommerziellen Flüge zwischen 2008 und 2018 verantwortlich. Zwischen 2009 und 2021 seien 146 Passagiere durch Turbulenzen verletzt worden. (rku)
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