Jetzt schmiedet Deutschland mit 79 weiteren Staaten einen revolutionären „TAFF-Plan“

Es ist eine bemerkenswerte Runde, die am späten Mittwochnachmittag deutscher Zeit zu einem Pressetermin auf der Weltklimakonferenz (COP30) im brasilianischen Belém Platz nimmt. Ein Dutzend Minister versammelt sich auf dem Podium, um eine Forderung zu stellen, über die noch zu reden sein wird auf den letzten drei Tagen dieser Weltklimakonferenz. 

„Wir fahren nicht ohne Fahrplan nach Hause“

Was das Bündnis will: Nichts weniger als einen Fahrplan zum verpflichtenden weltweiten Ausstieg aus den fossilen Energien. „Heute bringen wir viele unterschiedliche Interessen zusammen, die alle den Ruf nach einem Fahrplan für einen gerechten, geordneten und fairen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen unterstützen“, sagt Tina Stege, die Klimagesandte der Marshall-Inseln.

Mit Stege auf dem Podium sitzen Vertreter so unterschiedlicher Staaten wie Großbritannien, Kolumbien, Kenia und Sierra Leone. „Hier sprechen der globale Norden und der globale Süden mit einer Stimme“, sagt der britische Außenminister Ed Miliband.

In diesem Jahr kommen die Staaten bei der UN-Klimakonferenz in Belém zusammen, um über den weltweiten Kampf gegen die Klimakrise zu diskutieren.

FOCUS online Earth berichtet für Sie über die COP30: Alle wichtigen Entwicklungen, Hintergründe und aktuellen Updates können Sie hier im Ticker nachverfolgen.

Der erste Redebeitrag der Pressekonferenz kommt allerdings von einem anderen Staat: Deutschland. Es gehe darum, sich von fossilen Energieträgern „zu befreien“, sagt Umweltminister Carsten Schneider (SPD). Deutschland unterstütze die Forderung daher, „und die meisten meiner europäischen Freunde unterstützen sie auch.“ Insgesamt 80 Staaten habe die Initiative bereits um sich geschart, sagt die britische Klimagesandte Rachel Kyte am Rande der Pressekonferenz: „Wir wollen nicht nach Hause fahren, ohne Klarheit über einen Fahrplan zu haben.“

Der große Streit von Dubai

Die Rebellion der Klima-Vorreiter ist die vielleicht überraschendste Entwicklung dieser Weltklimakonferenz. Zwar hat sich die brasilianische COP-Präsidentschaft zum Ziel gesetzt, all die hehren Beschlüsse der letzten Jahre endlich in konkrete Maßnahmen zu gießen. Ein Ausstieg aus den fossilen Energien, wie er vor zwei Jahren in Dubai erstmals vorsichtig formuliert worden war, sollte nach dem Willen von COP-Präsident André Corrêa do Lago aber nicht auf der Agenda landen.

Dem erfahrenen Klima-Diplomaten dürfte noch gut im Gedächtnis sein, wie erbittert in Dubai um den sogenannten TAFF-Beschluss („Transitioning Away From Fossil Fuels“) gerungen wurde, vor allem der Widerstand aus Saudi-Arabien drohte die gesamte COP zum Entgleisen zu bringen. Doch gleich zum Auftakt des diesjährigen Klimagipfels hielt Brasiliens Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva eine Rede, die den ursprünglichen Plan über den Haufen warf. 

Der brasilianische COP-Chef André Corrêa do Lago telefoniert am Sonntag während der Weltklimakonferenz in Belém
Der brasilianische COP-Chef André Corrêa do Lago telefoniert am Sonntag während der Weltklimakonferenz in Belém AP Photo/Joshua A. Bickel

„Zeit, sich der Realität zu stellen“

In seiner Ansprache zur Eröffnung rief Lula dazu auf, „die Abhängigkeit von fossilen Energien zu beenden“. Es sei Zeit, „sich der Realität zu stellen und zu entscheiden, ob wir den Mut und die Entschlossenheit haben, wirklich etwas zu verändern.“ Dem Vernehmen nach kam Lulas Statement für die COP-Präsidentschaft um do Lago überraschend – zumal Brasiliens Regierung erst wenige Tage zuvor neue Lizenzen zur Förderung von Öl und Gas erteilt hatte.

Mehrere Staaten wie Deutschland, Kolumbien und Kenia schlossen sich sofort der Forderung an. „Wir werden jede Entscheidung für einen Fahrplan für TAFF hier in Belém unterstützen“, sagte der deutsche Klima-Staatssekretär Joachim Flasbarth. Die COP-Präsidentschaft hingegen reagierte zunächst verhalten. Es gebe viele Länder, die gerne die TAFF-Frage diskutieren würden, sagte do Lago auf einer Pressekonferenz. Aber es gebe eben auch Länder, für die andere Themen im Vordergrund stünden, etwa die Finanzierung von Klima-Maßnahmen.  

Das 1,5-Grad-Problem

Als immer mehr Staaten dem TAFF-Plan ihre Unterstützung zusicherten, trieb ihn do Lago mit so viel Enthusiasmus voran wie jeder Untergebene, der eine ungeliebte Vorgabe seines Chefs umsetzen muss. Im neuesten Entwurf für den Abschlusstext der Klimakonferenz wird ein möglicher Ausstieg aus den fossilen Energien kurz angerissen, drei Optionen seien laut des Dokuments möglich. Eine der Optionen: Nichtstun. 

„Die momentane Erwähnung im Text ist schwach“, kritisiert Stege. „Sie muss gestärkt und dann verabschiedet werden.“ Der Entwurf erhalte schon die richtigen Zutaten, doch hinterlasse noch „einen bitteren Beigeschmack“, sagt der Klimaexperte Andreas Sieber von der US-Organisation 350.org. „Ein Fahrplan zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels ohne einen glaubwürdigen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen im Kern ist hohl.“

Endlich mal selbst diktieren

Für ihr Engagement in der TAFF-Initiative geben die Staatenvertreter unterschiedliche Gründe an. Deutschland etwa sehe „enorme Chancen“ in einem fossilen Ausstieg, sagt Umweltminister Schneider: „Er kann an uns daran helfen, an Energie zu kommen, er kann Preise für Haushalte sowie Unternehmen senken und er kann unsere Energiesicherheit stärken.“ Bislang müsse sich das rohstoffarme Großbritannien die Preise für Energie vom Weltmarkt diktieren lassen, erklärt Miliband, der britische Außenminister. Erneuerbare Energien seien daher die wesentlich günstigere Option. 

Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) am Dienstag auf der Weltklimakonferenz in Belém
Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) am Dienstag auf der Weltklimakonferenz in Belém Fernando Llano/AP/dpa

Für die Staaten des globalen Südens hingegen geht es um grundsätzlichere Fragen. „Die Auswirkungen des Klimawandels töten, zerstören und verarmen Gesellschaften und Gemeinschaften“, sagt Ali Mohamed, der kenianische Klimagesandte. Der Umweltminister von Sierra Leone, Jiwoh Abdulai, weist darauf hin, dass die Kosten der Anpassung an den Klimawandel bereits jetzt viele Staaten überfordern. „Aber es geht nicht nur ums uns: Die Versicherungsmärkte werden auch in den entwickelten Ländern kollabieren“, warnt Abdulai. „Wir müssen das Ganze mit Dringlichkeit behandeln.“ 

Fahrplan für den Fahrplan

Wie ein Fahrplan zum Ausstieg aus den Fossilen Energien aussehen kann, ist noch offen. Auf den Fluren der Weltklimakonferenz kursieren Ideen wie eine internationale Task Force unter UN-Aufsicht, die Ländern dabei hilft, von der Sucht nach Kohle, Öl und Gas loszukommen. Umweltaktivisten bringen radikalere Ideen ins Spiel wie eine internationale Ächtung fossiler Energien, ähnlich wie Landminen oder Atomwaffen.

Als wahrscheinlicher gilt, dass in Belém erstmal ein Fahrplan für den Fahrplan verabschiedet wird – also ein Verfahren, das sich die verschiedenen Ideen ansieht und bewertet. Ein konkretes Ausstiegsdatum mit verpflichtender Jahreszahl gilt hingegen als so gut wie ausgeschlossen.

Mächtige Gegner

Denn Beobachtern zufolge darf als gesichert gelten, dass sich auch die Gegner des TAFF-Plans in den nächsten Tagen organisieren werden. Der Öl- und Gasexporteur Saudi-Arabien versuchte nach seiner diplomatischen Niederlage von Dubai bereits letztes Jahr bei der Weltklimakonferenz in Baku, den Beschluss wieder auszuhöhlen.

Staaten wie China und Indien argumentieren, es sei unfair, dass der globale Norden dem Süden jetzt einen Ausstieg vorschreiben wolle, nachdem der Norden selbst durch die Ausbeutung fossiler Energien reich geworden war. Und auch im globalen Süden ist TAFF nicht unumstritten: Staaten wie Nigeria, die selbst auf großen Öl-Vorräten sitzen, sehen fossile Brennstoffe als notwendiges Werkzeug für Wohlstand und Entwicklung an.

Angst vor dem Anruf

Und dann gibt es da noch eine große Unbekannte: Die USA. Mit Amtsantritt von Präsident Donald Trump waren die Vereinigten Staaten zwar aus dem Pariser Klimaabkommen ausgetreten, von der Konferenz in Belém hielt sich die US-Regierung fern. Aber die USA unter Trump verstehen sich als Petrostaat, ähnlich wie Russland oder Saudi-Arabien, der seine fossilen Interessen zur Not mit allen Mitteln durchzusetzen weiß.

Bislang hat sich die Trump-Regierung nicht in die Verhandlungen von Belém eingemischt. Aber ein Fahrplan zum Ausstieg aus den fossilen Energien, so die Befürchtung, könnte bei den versammelten Diplomaten plötzlich viele Anrufe aus Washington zur Folge haben.

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