Liste der Ausdrücke, die kaum noch jemand kennt: Stirbt der Münchner Dialekt immer weiter aus?

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„Wieder geht ein Stück Kultur verloren.“ Helmuth Hopper sorgt sich um den Münchner Dialekt – und nennt Begriffe, die in der Isar-Metropole nur noch selten verwendet werden.

München – „Es würde mich freuen, wenn ich mit dieser Einschätzung nicht recht hätte“, sagt Helmuth Hopper. „Trotz aller Versuche, dem Dialekt wieder zu seiner angestammten Bedeutung zu verhelfen, sehe ich dessen Zukunft sehr pessimistisch.“ Hopper gehört als Vorstandsmitglied des Fördervereins Bairische Sprache und Dialekte e.V zu denjenigen, die trotzdem weiter kämpfen. „Ein Großteil der gebürtigen Bayern sieht den Dialekt immer noch nicht als wertvollen Teil der Kultur. Mancherorts schämt man sich sogar seines Gebrauchs“, wundert sich Hopper. Reichlich „angespannt“ erscheint ihm die Lage in München.

Best of 2023

Dieser Artikel wurde zum ersten Mal im Juni 2023 veröffentlicht. Er gehört zu den meistgelesenen Artikeln 2023 im München-Ressort. Aufgrund des großen Interesses bieten wir ihn zum Jahresende erneut an.

„München war Anziehungspunkt für Menschen aus allen Regionen Bayerns und darüber hinaus“

Die ältesten schriftlichen Texte in bairischem Dialekt werden auf die Zeit um 1650 zurückdatiert. Als Residenzstadt und Handelszentrum hatte sich München schon früh auch auf sprachlicher Ebene eine Sonderrolle erarbeitet. Hopper zitiert den renommierten Sprachwissenschaftler Anthony Rowley: „München war Anziehungspunkt für Menschen aus allen Regionen Bayerns und darüber hinaus.“ Deren Einfluss erweiterte den Wortschatz der „Stodara“ um zahlreiche Lehnwörter, etwa aus dem Italienischen oder Französischen. Die Ausdrucksweise der Münchner sei infolgedessen „vornehmer“, bilanziert Sprachwissenschaftler Rowley.

„Alteingesessene wissen, dass der Münchner durch seine Art zu sprechen verriet, aus welchem Viertel der Stadt er stammte“, erklärt Dialektförderer Hopper. Erkennbare Unterschiede ergaben sich daraus, dass rechts der Isar (unter anderem in der Au, Haidhausen und Giesing) Zugezogene aus Niederbayern und der Oberpfalz lebten. Links der Isar, an der Schwanthalerhöhe und im Westend, ließen sich vermehrt Schwaben nieder.

Verein will Münchner Dialekt erhalten – auch mit „Aufklärungsarbeit“ an Schulen

Für Hopper begann ab dem zweiten Drittel des 20. Jahrhunderts der Niedergang, „auch in unserem München“. Es ist ein Phänomen, das der stellvertretende Schatzmeister des Fördervereins „Verpreußung der Sprache“ nennt und nicht nur durch den fortwährenden Zuzug in die attraktive Isar-Metropole begründet. Einen gehörigen Teil der Schuld schreibt er dem Schulsystem zu. „Dialektsprecher waren eine Randgruppe, man hielt sie für weniger gebildet und intelligent als hochdeutsch sprechende Schüler.“ Schon während seiner eigenen Schulzeit sei ihm verboten worden, in der Schule Dialekt zu sprechen, erinnert sich Hopper. Das sei nicht weiter schlimm gewesen, „denn in den Familien und im Alltag war der Gebrauch weiter üblich“.

Dialekt in München
Helmuth Hopper ist stellvertretender Schatzmeister des Fördervereins Bairische Sprache und Dialekte e.V. © IMAGO / Smith/ Förderverein Bairische Sprache und Dialekte e.V

Seit 2009 steht Bairisch auf der UNESCO-Liste der gefährdeten Sprachen. Die Mitglieder des bereits 20 Jahre zuvor gegründeten Fördervereins Bairische Sprache und Dialekte e.V geben sich noch nicht geschlagen. „Wir setzen uns dafür ein, dass auch die kommenden Generationen Bairisch reden“, steht als Leitsatz auf der Homepage. Dazu gibt der Verein unter anderem fachspezifische Publikationen heraus und leistet „Aufklärungsarbeit“ an Schulen, bei Medien und Verbänden. Auf Volksfesten und Bauernmärkten ist der Zusammenschluss mit Infoständen präsent. Über 3000 Mitglieder kämpfen für die gemeinsamen Ziele.

Einige in München nicht mehr sehr geläufige Ausdrücke, die der Verein identifiziert hat

  • „schmecka“ für „riechen“
  • „Schremsn“ für „Kurve“
  • „Schneifeier“ für „Zündhölzer“
  • „Ziefern“ für „ungepflegte Frau“
  • „Parasol“ für „Sonnenschirm“
  • „Paraplü“ für „Regenschirm“
  • „Augnglasl“ für „Brille“
  • „Spogat“ für „dünne Schnur“
  • „Trottoir“ für „Gehsteig“
  • „Kanapee“ für „Sofa“

Heute sind es laut Hopper vor allem die „mittleren Jahrgänge des zwanzigsten Jahrhunderts“, die den in München üblichen Dialekt noch beherrschen – und anwenden. „Das echte ‚Münchnerische‘ dürfte heute von kaum mehr als zehn Prozent der in München ansässigen Personen gesprochen werden“, schätzt Hopper. „Schade, denn damit geht wieder ein Stück Kultur verloren.“

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