Donald Trump hat heute 3 Anti-Merz-Asse im Ärmel – Analyse von Ulrich Reitz

Friedrich Merz ist überzeugt, die neue deutsche Verteidigungsbereitschaft sei sein bester Verbündeter beim Versuch, sauber aus dieser Sache mit Donald Trump herauszukommen. 

Immerhin: Deutschland solle unter seiner Führung die stärkste konventionelle Armee in Europa bekommen, hat Deutschlands Regierungschef angekündigt. Mehr geht nicht, oder? 

Boris Pistorius ist voll des Lobes – für sich selbst, seine Regierung, sein Land und sein Verteidigungsbündnis. „Paradigmenwechsel“ hat im Vokabular das Wort „Zeitenwende“ abgelöst. Neue Kanzler, andere Zeiten.

Der Krieg wartet nicht

„Die Zeit der Unterfinanzierung ist vorbei.“ Und: „Wir sind entschlossen.“ Das ist der neue Sound, mit dem die gesamte Nato nun aber ganz bestimmt ihre „Kriegstüchtigkeit“ erreichen will. Allerdings – es wird dauern bis dahin. Hoffentlich wartet der Krieg. 

Tut er nicht. Sagen die Esten. Sieben bis zehn Jahre, so viel Zeit habe man nicht mehr. Die Esten müssen es wissen, besser noch als die Deutschen. Ein Blick auf die Landkarte müsste reichen. In Deutschland glaubt kaum jemand, Wladimir Putin könnte nach einem Sieg über die Ukraine bis nach Berlin durchmarschieren. 

Eine solche Sicht hält man im Baltikum für puren Luxus. Die drei baltischen Staaten waren Teil der Sowjetunion, sie waren Opfer der Hitler-Stalin-Paktes, in dessen Folge sie zu Russen werden mussten. Heute würde man sagen (müssen): „Genozid“. 

Die Esten machen aus der Lageanalyse und den bedrohlichen Russen nun folgendes: Sie erhöhen die Steuern, sie sparen in ihrem Haushalt, aktuell bei der Entwicklungshilfe, schließlich ist sich selbst erst einmal jeder selbst der nächste. Und sie werfen so gut wie alles in die Aufrüstung, die eine Abwehrrüstung ist. Niemand hatte dort je die Absicht, Russland zu erobern. 

Trump und die Seinen kritisieren die deutsche Migrationspolitik

Deutschland sagt jetzt: 3,5 Prozent. Für direkte Verteidigung. Plus noch einmal 1,5 Prozent für alles, was man irgendwie der Verteidigung zurechnen kann. Eine marode Brücke durch eine neue Brücke zu ersetzen kann man mit der Notwendigkeit begründen, dass man mit Autos sicher hinüberfahren kann. Oder eben auch mit einem Panzer. 

Das mutet spitzfindig an, und das ist es auch. Fünf Prozent auf Waffen, sagt Pistorius, sei politisch nicht durchsetzbar. Ob dieses „politisch nicht durchsetzbar“ Donald Trump wohl beeindruckt? Es gehört jedenfalls nicht zu der Regierungsmethodik des amerikanischen Präsidenten, irgendetwas, das er will, als politisch nicht durchsetzbar zu deklarieren. 

Deshalb ist es eine Frage seiner Laune, ob Trump Merz mit den infrastrukturell aufgetunten 3,5 Prozent für Panzer, Drohnen und Co davonkommen lässt. Der amerikanische Nato-Botschafter war beim Treffen der Verteidigungsminister des Bündnisses eher nicht so gnädig. 

Zur härtesten Kritik von Trump und den Seinen gehört die deutsche Migrationspolitik, die Präsidenten-Vize J.D. Vance für staatsgefährdend hält. Auch hier hat Friedrich Merz ein Gegenargument – macht er nicht gerade die deutsche Grenze einigermaßen dicht?

Trump hat drei Anti-Merz-Asse im Ärmel

Genau – einigermaßen. Das ist vielleicht doch ein Problem, vergleichbar der rhetorischen Rabulistik bei den Verteidigungsgelderzahlen. Zumal Trump hier gute Argumente hat, mit denen sich auf das Schönste ein deutscher Kanzler piesacken lässt. Trumps drei Anti-Merz-Asse heißen: 

Dänemark, Ungarn, Polen. „Why don`t you do what the danish prime minister does? And by the way: Isn`t she social democratic?“ Merz könnte den Unterschied versuchen, deutlich zu machen, der lautet: 

Die Dänen, die Ungarn, die Polen, die können dichtmachen für Migranten, weil sie sich mehr oder weniger außerhalb des europäischen Asylsystems bewegen. Teils, weil sie es dürfen – Dänemark hat sich eine Ausnahmeregel in die europäischen Verträge hineinverhandelt. 

Oder wollen – Viktor Orban will schlicht keine islamische Einwanderung – was Trump echt gut findet. Oder weil es geduldet wird von Brüssel – wie bei Polen, das gerade den Grenzwächter Europas an der belarussischen Grenze spielt, so Putin über seinen Verbündeten Lukaschenko Flüchtlings-Außenpolitik gegen Europa macht. 

Merz glaubt, dass Trump „die Demokratie gefährdet“

„So, why do you remain in this rotten European system“, fragt Trump dann Merz, falls es für den schlecht läuft. Ab hier wird die Luft dann dünn. 

Zu den Kennern der deutschen Politik im Trump-Lager gehört der frühere US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell. Und der verfolgt immer noch sehr genau, was deutsche Politiker so erzählen über Donald Trump. Merz zum Beispiel, der sich deutlich für die Wahl von Kamal Harris als Nachfolgerin von Joe Biden aussprach. 

Oder der sagte, er glaube nach wie vor, dass Trump „die Demokratie gefährdet“. Und dass Vance, als er in München bei der Sicherheitskonferenz die angebliche Gefährdung der Meinungsfreiheit in Deutschland beklagte, „übergriffig“ gewesen sei, weil nämlich: 

„Das steht auch einem amerikanischen Vizepräsidenten nicht zu, so etwas in Deutschland zu sagen.“ Der letzte, der glaubte, einem amerikanischen Vizepräsidenten diktieren zu können, was diesem zu sagen zustehe oder nicht, hieß Wolodymyr Selenskyj. 

Trumps Selenskyj-Demütigung hatte einen Vorlauf

Dieses Schreckenszenario, als Trump den ukrainischen Präsidenten im Oval Office niedermachte, beschwören sie seitdem im deutschen Lager. Immer mit der gerne auch von deutschen Journalisten kolportierten Schein-Wahrheit, Trump und Co. seien unverschämt gewesen. 

Nun – vielleicht waren sie es in diesen letzten zehn Minuten mit Selenskyj im eierförmigen Hinrichtungsraum. Aber in der guten halben Stunde vorher hatte Selenskyj die Ami-Führer gereizt mit seinen forschen Forderungen und belehrt über deren Interessen. Das wird gerne vergessen. Trumps Selenskyj-Demütigung hatte einen Vorlauf. 

Merz hat gesagt, „die Amerikaner stellen demokratische Institutionen infrage“. Und darum sei es „nicht die Aufgabe der amerikanischen Regierung uns hier zu erklären, wie wir in Deutschland demokratische Institutionen zu schützen haben“. Kurzum: Merz hat in Richtung Trump einige staatspolitische Unfreundlichkeiten angesammelt, die einen Vergleich mit Selenskyj nicht zu scheuen brauchen. 

Trump hat ein besonderes Verhältnis zu den Juden

Und da haben wir noch gar nicht gesprochen über die schillernde Israel-Politik, mit der der Bundeskanzler und sein Außenminister angefangen haben. Und wofür sie von der CSU – einmalig offen, einmalig hart, einmalig peinlich – geschurigelt wurden. 

Trump hat zu Juden ohnehin ein besonderes Verhältnis, vielleicht kann man es mit seinem Vater erklären, der, um an Juden in New York zu vermieten, seine deutsche Abstammung zu verschleiern versuchte. Israel kann sich jedenfalls auf Trump verlassen – bis vor kurzem auch noch auf Deutschland. 

„Why ist that – cause of these genocidal palestinians on your streets ?“, könnte Trump ihn fragen, seinen Gast. 

Merz will gut Freund sein mit Trump

Bilateral wenig erbaulich würde auch eine Konversation über den Stand der Wissenschaftsfreiheit verlaufen, bei der sich zuletzt Deutschlands Außenminister zu Wort meldete. Trump strich Harvard die Gelder, weil ihm dort – im Namen der Wissenschaft -  zu viele Palästinenser- und zu viele Chinesen-Freunde herangezogen werden. 

Nun will Merz gut Freund sein mit Trump. Dazu hat Richard Grenell, der Trump-vertraute Deutschlandkenner, diese Meinung: „Merz gespaltene Zunge („double talk“) sollte aufgedeckt werden, während er hier in den Vereinigten Staaten ist.“ Und, so Grenell: „Germans and Americans want authentic leaders.“ So richtig nett klingt das jetzt nicht.