Bluttat ein Racheakt? - Polizeibekannte Syrer im Mittelpunkt - neue Details zu Messerattacke in Fußgängerzone

Der blutige Streit am Dienstagabend in der Königstraße ist offenbar das Nachspiel eines Gerichtsbesuchs gewesen. Neben einem 17-Jährigen sind nun auch zwei 22 und 26 Jahre alte Tatverdächtige festgenommen worden. Sie sollen drei Männer im Alter von 47, 37 und 24 Jahren mit einem Messer teils lebensgefährlich verletzt haben. Nach Informationen unserer Zeitung handelt es sich bei den Angreifern um drei Brüder – und sie sind auch Brüder eines Beschuldigten, der sich derzeit vor dem Stuttgarter Landgericht wegen einer Messerstecherei vor gut acht Monaten auf dem Mailänder Platz verantworten muss. Kurz vor der Bluttat in der Königstraße soll das Trio dem Prozess vor der 3. Strafkammer beigewohnt haben. 

Erst war es rätselhaft, warum drei junge Männer mit einer Gruppe von drei Männern und zwei Frauen am Dienstag gegen 18.30 Uhr in die heftige Auseinandersetzung geraten sein sollen. In einem Hinterhof der oberen Königstraße, zwischen zwei Geschäftshäusern, eskalierte die Situation. Ein 37-Jähriger erlitt durch ein Messer lebensgefährliche Verletzungen und musste in einem Krankenhaus notoperiert werden. Seine 24 und 47 Jahre alten Begleiter wurden ebenfalls verletzt. Die 52 und 33 Jahre alten Frauen blieben körperlich unversehrt.

Messerattacke in Stuttgart: Viele Straftaten auf dem Kerbholz

Die drei Angreifer flüchteten – lediglich ein 17-Jähriger konnte bei der Fahndung der Polizei zunächst dingfest gemacht werden. Er wurde am Mittwoch dem Haftrichter vorgeführt, der Untersuchungshaft anordnete. Den Behörden ist der Jugendliche aus Flüchtlingskreisen bekannt. Er hat nach Informationen unserer Zeitung polizeiliche Einträge zu mehreren Dutzend Straftaten – darunter einschlägige Gewaltdelikte, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz oder Betrug.

Was hatte sich da am Dienstag gegen 18.30 Uhr entladen? An jenem Tag hatte es zuvor einen langen Prozesstermin vor der 3. Jugendkammer des Stuttgarter Landgerichts gegeben – 1,2 Kilometer Fußweg vom Tatort Königstraße entfernt. Es handelte sich um den bereits neunten Prozesstag eines Verfahrens, das Mitte Juni gegen vier Beschuldigte im Alter zwischen 18 und 19 Jahren begonnen hatte. Die jungen Männer, ebenfalls Flüchtlinge aus arabischen Konflikt- und Kriegsgebieten, sind wegen versuchten Totschlags angeklagt.

Großes Schweigen zur Bluttat am Mailänder Platz

Dieses Quartett soll am 17. November 2023 an einer blutigen Auseinandersetzung zweier Jugendgruppen vor der Stadtbibliothek beteiligt gewesen sein. Mit Messern, Macheten und Fäusten sollen etwa 24 Beteiligte aufeinander losgegangen sein – mit am Ende drei Schwerverletzten. Die Hintergründe der Tat blieben bisher unklar. Die Beteiligten von damals schweigen bis heute. So bleibt die Aufarbeitung mühsam.

Die 3. Jugendkammer mit dem Vorsitzenden Richter Johannes Steinbach hatte am Dienstag, dem neunten Verhandlungstag, ein umfangreiches Programm absolviert – den Tag über wurden sieben Zeugen vernommen und diverse Videos von der Tatnacht auf dem Mailänder Platz gesichtet. Auch zur Überraschung der Prozessbeteiligten zog sich der Prozesstag sehr lange hin – und war erst gegen 18 Uhr zu Ende. „Gerade bei der Vernehmung einer Vielzahl von Zeugen kann es immer wieder zu Abweichungen von der ursprünglichen zeitlichen Planung kommen“, begründet dies ein Gerichtssprecher auf Nachfrage.

Auch hier Haftbefehle beantragt

Dabei sollen auch die Brüder eines 19-jährigen Angeklagten im Gerichtssaal gewesen sein. Das Gerichtsverfahren wird auf Anweisung der Kammer unter hohen Sicherheitsvorkehrungen durchgeführt. Prozessbesucher müssen sich an zwei Schleusen per Leibesvisitation durchsuchen lassen – Taschen, Elektronikgeräte und Mobiltelefone, Gürtel und auch Schmuck müssen dabei in Verwahrung gegeben werden.

Warum die drei Brüder eine halbe Stunde nach dem Ende des Prozesstags und Verlassen des Gerichtsgebäudes schließlich in der Königstraße zuschlugen, wird noch ermittelt. Vorrangig war zunächst die Festnahme aller Tatverdächtigen. Der 26-Jährige wurde laut Polizei am Donnerstag gegen 18 Uhr, der 22-Jährige am Freitag um 10.15 Uhr festgenommen. Letzterer ist nach Informationen unserer Zeitung ebenfalls wegen Gewaltdelikten polizeibekannt. Beide haben in Stuttgart Wohnanschriften. Gegen die Beschuldigten hat die Staatsanwaltschaft am Freitag Haftbefehl beantragt.

Von Wolf-Dieter Obst