„Panik-Reaktion“ von „blinden Anlegern“? Analysten erklären, was hinter dem Bitcoin-Boom steckt
Der Erdrutschsieg Donald Trumps bei den US-Wahlen hat starke Reaktionen an den Finanzmärkten ausgelöst. Besonders die Kryptowährung Bitcoin hat vom Wahlerfolg des Republikaners profitiert.
Washington D.C. - Seit der republikanische Kandidat Donald Trump die US-Präsidentschaftswahl gewonnen hat, jagt der Bitcoin-Kurs seine eigenen Rekorde. 90.000 Dollar sind bereits gefallen, auch die 100.000-Dollar-Marke könnte bald übersprungen werden. Es gibt mehrere Gründe.
Höhenflug nach Trump-Sieg: US-Präsident äußerte sich einst abfällig
Während seiner ersten Amtszeit hatte sich Trump noch ablehnend über Kryptowährungen geäußert und diese als „Abzocke“ bezeichnet. Inzwischen wandelte sich seine Position grundlegend. Ende Juli kündigte der 78-Jährige an, er werde „der Pro-Innovations- und Pro-Bitcoin-Präsident sein, den Amerika braucht“.
„Anleger setzen darauf, dass Trump als ‚Gamechanger‘ für die Branche fungiert“, sagt Marktanalyst Timo Emden. Derzeit fehlen klare Regeln für digitale Währungen, weshalb etwa die Börsenaufsicht sie mitunter wie klassische Finanzmarktprodukte und damit streng behandelte. Die Hoffnung sei nun, dass die Regeln spätestens ab Januar gelockert werden und das der „Branche neues Leben einhaucht“. Daneben dürfte „insbesondere die durch Trump in Aussicht gestellte Einführung von Bitcoin-Staatsreserven die Kursfantasien befeuern“, sagt Emden.
Republikanischer Wahslieg bringt viele Krypto-Freunde ins Parlament
Der Direktor des Blockchain Centers der Frankfurt School of Finance & Management, Co-Pierre Georg, sieht weitere Gründe für den Bitcoin-Hype. „Die Wahl mehrerer kryptofreundlicher Abgeordneter ins Repräsentantenhaus ist für mich ein noch größerer Treiber des derzeitigen Bitcoin-Hypes als der Sieg Donald Trumps“, sagt er. Damit habe die Kryptoindustrie nun ein Sprachrohr in der Politik.
Eine große Rolle spiele zudem die Ankündigung Trumps, den Chef der US-Börsenaufsicht SEC, Gary Gensler, zu entlassen. „Gensler und seine Behörde haben in den vergangenen Jahren ganz schön die Zähne gezeigt und in der Kryptoindustrie aufgeräumt“, sagt Georg. Als Beispiel nannte er die Verfolgung der Kryptobörse Binance. Er könne sich vorstellen, dass Gensler seinen Posten nun von selbst räumen werde.
Angst, etwas zu verpassen: Viele Anleger handeln laut Marktanalysten „panisch und blind“
Auch die erneute Zinssenkung der US-Notenbank Fed kurz nach der Wahl dürfte zum Rekordanstieg der vergangenen Tage beigetragen haben, erklärt Patrick O‘Hare, Analyst bei Briefing.com. Trotz fehlender Hinweise durch die Fed geht der Markt zudem von einer weiteren Senkung im Dezember aus. Sinkende Zinsen erhöhen grundsätzlich die Investitionsbereitschaft.
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Nach Ansicht von Timo Emden hat zudem das zunehmende Interesse privater Investoren einen Einfluss. Private Anleger hätten aufgrund des Höhenflugs Angst, etwas zu verpassen. „Ein nicht unbedeutender Teil“ dürfte „nahezu panisch und blind auf den fahrenden Zug aufgesprungen sein“, sagt Emden und verweist auf den steilen Anstieg des Bitcoin über das Wochenende nach der Wahl. „Da waren die Finanzmärkte geschlossen, aber einen Börsenboom gab es ausgelöst durch Privatanleger trotzdem.“
Bitcoin-Hype an der Börse: Was sind die Risiken?
„Abzuwarten gilt, auf welchen Füßen die jüngste Kletterpartie tatsächlich gebaut ist“, erklärt Emden. Bisher stützt sich die Euphorie in der Krypto-Branche auf Ankündigungen des Wahlsiegers Trump. Welche Maßnahmen er tatsächlich umsetzen wird, ist unklar. Trump habe sich in der Vergangenheit nicht dadurch ausgezeichnet, ein besonders verlässlicher Partner zu sein, sagt auch Georg.
Bitcoin-Aktien gelten grundsätzlich als hochspekulativ. Das bleibt auch nach dem Wahlsieg Trumps so. „Ich kenne keine andere Kapitalanlage, die für Kleinanleger ein so hohes Risiko birgt wie der Bitcoin“, warnt Georg. Kleinanleger sollten nichts investieren, was sie nicht auch bereit seien, vollständig zu verlieren.

Dass sich Investoren an der symbolischen 90.000-Dollar-Marke zunächst die Zähne ausbissen, spricht laut Emden für „erste sichtbare Zweifel“ an der jüngsten Kursrallye. Nicht nur Emden erwartet dennoch, dass die 100.000-Dollar-Grenze bald überschritten werden könnte. Auch Stephane Ifrah vom französischen Vermögensverwalter Coinhouse rechnet damit, dass der Anstieg weiter geht: „Der nächste Schritt sind für mich die 100.000 Dollar“.
Revolutionäre Kryptowährung: Das steckt hinter Bitcoin
Hinter dem Bitcoin steckt die Idee einer Währung, die unabhängig von Staaten, Zentralbanken und der Geldpolitik existiert. Anders als klassische Währungen werden digitale Zahlungsmittel nicht von einer zentralen Stelle kontrolliert, auch Buchungen müssen nicht von einer zentralen Stelle bestätigt werden.
Damit trotzdem klar ist, wer an wen einen Bitcoin überwiesen hat, führt vereinfacht gesagt die gesamte Nutzergemeinschaft des Digitalgeldsystems ein gigantisches Kontenbuch, das alle jemals getätigten Transaktionen enthält und das jeder jederzeit einsehen kann. Dabei sind Bitcoin begrenzt auf knapp 21 Millionen und nicht unendlich herstellbar. (afp, lf)