Auch Thyssen packt ein: Was nun, Kanzler?

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Der Industriestandort Deutschland blutet aus, warnt Münchner-Merkur-Chefredakteur Georg Anastasiadis. © biky/Imago/Klaus Haag/Montage: IPPEN.MEDIA

Das Who is Who der deutschen Industrie verabschiedet sich. Wie lange wollen die Liberalen dem eigentlich noch zusehen? Ein Kommentar von Georg Anastasiadis.

Jetzt also auch Thyssenkrupp. So wie der Stahlkonzern einst für den Aufstieg der Industrienation Deutschland stand, versinnbildlicht er nun deren Rückzug. Der Vorstand kündigt „tiefgreifende Restrukturierungen“ an, was im Managerdeutsch die Chiffre für massenhaften Stellenstreichungen ist. Und er verschweigt auch nicht die Gründe: hohe Energiepreise, anhaltende Wachstumsschwäche in Deutschland und Importkonkurrenz durch Länder, die es mit dem Klimaschutz weniger genau nehmen.

Die Entscheidung der Essener Industrie-Ikone ist ein weiterer Schock für den gesamten Standort D. Davor hatte bereits der schwäbische Weltmarktführer für Motorsägen, Stihl, Umzugspläne in die Schweiz öffentlich gemacht. Ebenso der Waschmaschinenhersteller Miele. Ihn zieht es nach Polen.

Das „grüne Wirtschaftswunder“ ist eine Traumwelt

Thyssenkrupp, Stihl, Miele: Das Who is Who der deutschen Industrie verabschiedet sich. Den Kanzler sollte das nicht verwundern. Die Wirtschaftsführer haben ihm die Dramatik der Lage zuletzt wiederholt eindringlich geschildert. Doch Olaf Scholz lebt weiter in seiner Traumwelt vom „grünen Wirtschaftswunder“, die er sich ebenso zurecht gezimmert hat wie sein Selbstbildnis vom „Friedenskanzler“. Die schrillen Warnungen der Arbeitgeber tat er kürzlich vor den fassungslosen Industriekapitänen mit der spöttischen Bemerkung ab, die Klage sei eben das Lied des Kaufmanns. Mehr Arroganz – und mehr Realitätsverweigerung – geht kaum.

Der Strukturwandel darf nicht zum freien Fall werden

Schon klar: Deutschland steht, bedingt auch durch die Klimawende, vor einem (politisch gewollten) Strukturwandel. Doch muss dieser von der Politik flankiert werden, damit daraus kein freier Fall wird. Gegen die von FDP-Chef Christian Lindner geforderte „Wirtschaftswende“ mit Abgabenentlastungen für Unternehmen und Arbeitnehmer sträuben sich die SPD des Kanzlers und die Grünen mit Händen und Füßen. Seit Monaten tobt der Streit, doch tatsächlich beschlossen wurde so gut wie nichts.

Wie lange wollen die Liberalen dem Trauerspiel eigentlich noch zusehen? Wichtiger als die Überwindung der Wirtschaftsschwäche ist der Ampel die Überwindung des biologisches Geschlechts per Selbstbestimmungsgesetz. Doch werden SPD, Grüne und FDP eine Gesetzmäßigkeit nicht aus den Angeln heben können: Entweder löst die Regierung die Wirtschaftsprobleme – oder die Probleme suchen sich eine neue Regierung.

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