Landwirtschaft im Sinne der Artenvielfalt: Modell-Wiese soll‘s vormachen

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Führten über die Wiese in Wildsteig: Landwirt Martin von Mücke (l.) und Wildlebensraumberater Julian Schäfer. © Theresa Kuchler

Artenvielfalt und landwirtschaftlicher Nutzen im Einklang: Das will die Familie Oswald auf ihrer 6,5 Hektar großen Wiese in Wildsteig schaffen. Seit 2022 lässt sie die Fläche im Sinne der Artenvielfalt bewirtschaften. Ein Ortsbesuch mit dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Weilheim.

Wildsteig – Leicht gebückt streicht Julian Schäfer durch die langen Halme, die schon so hoch stehen, dass sie ihm fast bis zu den Knien reichen. Er lässt das Gras durch seine Finger gleiten und schiebt es schließlich zur Seite. Denn das, was der Wildlebensraumberater am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Weilheim auf dieser Wiese in Wildsteig eigentlich zeigen will, wächst ein Stückchen weiter unten: Am Boden der Nutzfläche zeichnet sich ein vielfältiges Pflanzenbild aus Kräuter- und Kleearten.

Ampfer, Sauerampfer, Rotklee und Frauenmantel wachsen dort zum Beispiel, aber auch zarte Weidelgras-Stängel und vereinzelte Blühblumen wie Margeriten entdeckt Schäfer. Ihre weißen Blüten blitzen ein paar Meter von ihm entfernt im Grün der Wiese auf. „Dieses Stück Fläche hat schon nahezu einen Idealzustand“, sagt Schäfer zufrieden, als er seinen Blick wieder hebt.

Landwirtschaft im Sinne der Arten: Auf Modell-Wiese in Wildsteig soll Vielfalt zurückkehren

Der Mitarbeiter des AELF „stapft“ an diesem Vormittag mit seinem Kollegen Wilfried Schmid und einer rund 20-köpfigen Gruppe Interessierter durch das hohe Gras. Das Amt hatte zu einer Besichtigung der Wiese eingeladen, die der Familie Oswald aus Wildsteig gehört. Mithilfe des Morgenbacher Landwirts Martin von Mücke bewirtschaften die Oswalds die rund 6,5 Hektar große Fläche mittlerweile im vierten Jahr als „Modellfläche zur Förderung der Artenvielfalt“. Das bedeutet: Pflanzenvielfalt und landwirtschaftliche Bewirtschaftung sollen dort keinen Gegensatz bilden, sondern sich sogar ergänzen.

Ausschlaggebend für die Schaffung so einer Fläche war, dass Robert Oswald schon lange das Blühen und Brummen auf seiner Wiese abgegangen war. „Als Kind konnte ich von Frühling bis in den Herbst einen Blumenstrauß heimbringen“, erinnert sich der Wildsteiger, der die Fläche bis 2021 an einen Bio-Landwirt verpachtet hatte. „Durch das frühe Mähen wurde die Vielfalt über die Jahre aber immer weniger.“ Auch die Insekten und Vögel seien dadurch spürbar weniger geworden.

Eine Gruppe Interessierter begutachtete die Pflanzenvielfalt auf der Modellfläche.
Eine Gruppe Interessierter begutachtete mit dem AELF die Pflanzenvielfalt, die auf der Modellfläche wächst. © Theresa Kuchler

Um die Artenvielfalt wieder zu stärken, drehen die Oswalds mit von Mücke und dem AELF Weilheim nun an verschiedenen Stellschrauben. Eine davon ist die Mahd: „Gemäht wird nur zwei Mal im Jahr“, erklärt Julian Schäfer. Dabei setzt Martin von Mücke, der sich um diese Arbeit kümmert und die Ernte für seinen Ziegenbetrieb nutzt, die erste Mahd vergleichsweise spät an: die Wiese wird erst Ende Juni oder Anfang Juli geschnitten. Das habe den Vorteil, dass sich auf der Fläche auch Kräuter und Klee etablieren können. „Die sollen dort wieder keimen“, sagt Schäfer. Die zweite Mahd folgt dann im August. Im Herbst will von Mücke außerdem seine Ziegen zur Beweidung auf die Wiese holen.

Unterschiede bei Mahd und Düngung: Auf Modellfläche wird extensiv vorgegangen

Einen weiteren Unterschied macht man bei der Düngung. Während Landwirte, die konventionell arbeiten, auf ihren Wiesen und Weiden mehrmals im Jahr Gülle ausbringen, geht man auf der Modellfläche der Oswalds extensiv vor. Das bedeutet, dass die Wiese nicht mehr beziehungsweise nur noch selten gedüngt wird. Laut Schäfer wurde auf die Fläche kein Dünger mehr ausgebracht, seit sie artenfreundlich bewirtschaftet wird. „Irgendwann muss man dort aber wieder düngen, sonst wird der Boden zu mager“, macht der Experte klar.

Der Ertrag der Wiese, den Landwirt von Mücke durch die extensive Bewirtschaftung ziehen konnte, war ihm zufolge bislang mehr als zufriedenstellend. Sowohl qualitativ als auch quantitativ. Allerdings, räumt von Mücke ergänzend ein, sei er auch in einer „Luxus-Situation“: Er betreibt die Landwirtschaft im Nebenerwerb und könne das Risiko einer schlechteren Ernte eingehen, ohne in Existenznot zu geraten. Davon geht er aber erst einmal ohnehin nicht aus.

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AELF-Mitarbeiter Schäfer weiß ebenfalls, dass sich diese Art der Bewirtschaftung nicht für alle Landwirte eignen würde. „Ein Milchviehhalter hätte damit Probleme.“ Für Halter von Schafen, Ziegen, Pferden oder für Bio-Bauern sei diese Bewirtschaftungsform aber „durchaus umsetzbar“, sagt Schäfer, der mit seinem Kollegen Wilfried Schmid dafür wirbt, sich zu informieren. „Es geht auch nicht darum, überall 100 Prozent zu schaffen. Wenn jeder ein bisschen was macht, ist schon viel getan.“ Denn so viel ist klar: Von möglichst bunten Wiesen profitieren am Ende nicht nur die Insekten.

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