Nach Imamoğlu-Verhaftung: Erdogan lässt Dutzende Beamte in Istanbul festnehmen

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Dutzende Mitarbeiter der Stadt Istanbul wurden in der Türkei verhaftet. Dahinter steckt nach seinem verhafteten Kritiker İmamoğlu ein umstrittenes Kanal-Projekt.

Istanbul – Im Zuge des Korruptionsverfahrens gegen den verhafteten Oppositionspolitiker und bisherigen Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu haben die türkischen Behörden erneut dutzende Menschen festgenommen. Die Generalstaatsanwaltschaft in Istanbul teilte am Samstag mit, sie habe Haftbefehle gegen 53 Menschen erlassen. 47 der Gesuchten seien zunächst festgenommen worden. Imamoglus oppositionelle CHP-Partei wertete die Festnahmen als Vorwand, um den Widerstand gegen das Mega-Bauprojekt „Kanal Istanbul“, ein von Präsident Recep Tayyip Erdogan unterstütztes Kanalprojekt, zu brechen.

Erdogan lässt Kanal-Istanbul wiederbeleben

Unter den Festgenommenen sind türkischen Medienberichten zufolge ein Berater Imamoglus und Beamte der Stadtverwaltung. Der Istanbuler CHP-Chef Özgür Celik warf der Regierung vor, das Kanalprojekt kurz nach Imamoglus Festnahme wiederbelebt zu haben und erklärte, das Vorgehen sei kein Zufall. Die Stadtangestellten, die sich gegen das Kanalprojekt ausgesprochen hätten, befänden sich derzeit auf der Polizeiwache. Die Regierungsbehörde zur Bekämpfung von Desinformation wies die Vorwürfe zurück und erklärte, das Vorgehen erfolge im Zuge der Korruptionsermittlungen gegen den Bürgermeister.

Recep Tayyip Erdogan
Auch Erdogan war einst Bürgermeister in Istanbul. (Archivbild) © Bernd von Jutrczenka/dpa

Erdogans Kanal Istanbul soll Schwarzes zwei Meere verbinden

Imamoglu meldete sich aus dem Gefängnis zu der Massenverhaftung seiner Mitarbeiter. „Diese patriotischen Menschen sind diejenigen, die Klagen eingereicht haben, um das verräterische Kanal-Istanbul-Projekt zu stoppen, um die Versuche zu verhindern, die Istanbul ohne Wasser lassen werden, und um den Abriss von nicht genehmigten Gebäuden anzuordnen“, so der Oppositionspolitiker auf X.

Das Kanalprojekt sieht vor, das Schwarze Meer mit dem Marmarameer zu verbinden. Das Vorhaben wurde 2011 von Erdogan ins Leben gerufen, als er Ministerpräsident war. Umweltschützer lehnen das Projekt ab und warnen vor den Folgen für die Natur.

Die Istanbuler Stadtverwaltung fürchtet mit dem „Kanal Istanbul“ massive Umweltschäden.
Der „Kanal-Istanbul“ soll eine zweite Wasserstraße sein, die das Schwarze Meer mit dem Marmarameer verbindet. © dpa/Lars Halbauer

Schaden für Türkei laut Imamoglu 277 Milliarden Dollar

Mit dem Kanal Istanbul winken regierungsnahen Bauunternehmern Milliardenprojekte – zu Lasten der Steuerzahler. Durch das Kanalprojekt entstehe der Türkei ein Schaden von mindestens 277 Milliarden Dollar, so der inhaftierte Istanbuler Bürgermeister über X. Alleine der Bau des Mammutprojekts soll 100 Milliarden Dollar kosten.

Imamoglu fordert, es für andere Vorhaben zu verwenden:„Dieses Geld würde das gesamte Land, einschließlich Istanbul, wiederbeleben, es erdbebensicher machen und unser gesamtes Land auf die Beine stellen“, schreibt er. Korrupte Regierungsbeamte könnten sich auf hohe Schmiergeldzahlungen freuen. Im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International liegt die Türkei auf Platz 101 und 180 Staaten. Im Rechtsstaatlichkeitsindex von World Justice Project kommt es auf Platz 117 von 142.

Erdogans gefährlichster Gegner ausgeschaltet

Mit der Inhaftierung von Imamoglu hat Präsident Recep Tayyip Erdogan seinen gefährlichsten Gegner bei möglichen Wahlen ausgeschaltet. Die Justiz wirft Imamoglu Korruption und Terrordelikte vor, er selbst bestreitet dies.

Die Festnahme löste die größten Demonstrationen gegen die Regierung von Erdogan seit den sogenannten Gezi-Protesten im Jahr 2013 aus. Imamoglu hatte zudem bei der Kommunalwahl 2014 Erdogan und seiner AKP eine herbe Niederlage zugeführt. Die CHP gewann in den meisten Metropolen der Türkei. Imamoglu war damals der Chefstratege seiner Partei. Die Kandidaten der CHP für die Bürgermeisterämter hatte er ausgesucht. (erpe/AFP)

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