Zukunft für Leopard: Pistorius will mehr als Panzer – er greift nach der Schmiede

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Neuer Dienstwagen für Pistorius? Der Verteidigungsminister fährt mit in einem Leopard 2 A7V während eines Gefechtsschießens. © IMAGO/Funke Foto Services/Maurizio Gambarini

KNDS-Besitzer werden Anteile verkaufen, und der Bund erwägt den Einstieg – ein Erstzugriff vor den Chinesen? Die aber stecken ohnehin überall drin.

Berlin – „Kriegsbereit in Jahrzehnten“, schreibt Guntram Wolff. Zusammen mit anderen Analysten des in Brüssel sitzenden Thinktanks Bruegel hat Wolff Deutschland dieses Armutszeugnis Ende 2024 ausgestellt. Lange davor hatte die Zeitenwende-Rede des damaligen Bundeskanzlers (Olaf Scholz) (SPD) wieder für Hoffnung gesorgt, dass im Zuge des Ukraine-Krieges und Wladimir Putins Gier auf noch ein Stück Europas künftig fleißig gerüstet würde. Anzeichen sind da: Wie die Wirtschaftswoche berichtet, erwäge die Bundesregierung einen Einstieg bei dem deutsch-französischen Panzerhersteller KNDS. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will offenbar selber Panzer bauen.

„Wir ziehen das in Erwägung“, bestätigte Pistorius jüngst bei einem Treffen mit seinem französischen Kollegen Sébastien Lecornu in Osnabrück entsprechende Informationen der Börsen-Zeitung, so die Nachrichtenagentur Reuters. Das Blatt hatte berichtet, dass sich die KNDS-Eigentümerfamilien Bode und Braunbehrens „schrittweise aus dem Unternehmen zurückziehen und ihre Aktien verkaufen“, so die Börsen-Zeitung. Die Bundesregierung erwäge deshalb, eine Sperrminorität zu erwerben, also so viele Anteile, dass die Bundesregierung als Aktionär unliebsame Entscheidungen der Geschäftsführung verhindern könne. KNDS werde auf einen Wert von 20 Milliarden Euro geschätzt, so die Zeit, und baut beispielsweise den Leopard 2.

Der „Leo“ in der Nato: Das ist der Panzer, mit dem die Nato auch für die nähere und mittlere Zukunft plant

Das ist der Panzer, mit dem die Nato auch für die nähere und mittlere Zukunft plant. Anfang des Jahres hatte Reuters berichtet, dass die vor zehn Jahren aus dem Leopard 2-Hersteller Krauss-Maffei Wegmann (KMW) und der französischen Nexter entstandene Konzern für dieses Jahr oder später den Gang an die Börse plane. Die Wegmann-Unternehmens-Holding, die den Familien Bode und Braunbehrens gehöre, halte aktuell 50 Prozent der KNDS-Anteile, die staatliche französische Beteiligungsholding APE die übrigen 50 Prozent, berichtet die Börsen-Zeitung.

Wie die Investment Week und andere Medien publizieren, dränge das Wachstum des Unternehmens KNDS zu diesem Schritt: „Die massive Expansion fordert Investitionen in Milliardenhöhe. Neue Werke, mehr Personal, komplexe Waffensysteme. Und das ist erst der Anfang: Allein der angestrebte Kauf der Militärsparte von Iveco könnte bis zu zwei Milliarden Euro kosten“, schreibt das Blatt. Und ganz deutlich: Dem Unternehmen fehlte für Wachstum Liquidität. „Die Wegmann-Familienstruktur erlaubt keine Öffnung. Selbst eine simple Kapitalerhöhung könnte scheitern, weil keiner der Miteigentümer seinen Anteil aufstocken kann oder will“, so die Investment Week.

Der Staat könnte dann die militärische Kapazität sichern, ohne den Anreiz für eskalierende Konflikte zu verstärken.

„KNDS könnte sich mit dem Börsengang den Rüstungs-Boom in Europa nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine zunutze machen“, vermutete die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.). „Angesichts der komplexen Eigentümerstruktur könnte nur ein kleiner Anteil an KNDS an die Börse gebracht werden, sodass die Familie Wegmann und der französische Staat weiterhin die Kontrolle behalten könnten“, zitierte die F.A.Z. einen „Insider“.

Laut dem Wirtschaftsdienst Bloomberg will Deutschland 25 Milliarden Euro investieren, um die Nato-Truppen an der Ostflanke mit bis zu 3500 Panzerfahrzeugen zu verstärken. Eine Investition, die Putins Mütchen kühlen und ihm beweisen soll, dass er auf ein anderes Europa treffen würde, als jenes, das vor dem Ukraine-Krieg von der Friedensdividende gezehrt hat. So zumindest die Theorie. In diesem Zuge wird wohl auch der Fuhrpark der Nato-Streitkräfte vergrößert. Allerdings räumt Bloomberg ein, dass das Bundesverteidigungsministerium eine Stellungnahme zu diesem Panzerdeal verweigert hat.

Mega-Deal wegen Putin? Anonyme Quellen sprechen von 1000 zusätzlichen Leopard-2-Panzern

Die anonymen Quellen von Bloomberg sprechen von 1000 zusätzlichen Leopard 2 und 2500 GTK-Boxer-Radpanzern; die Kampfpanzer sollen von Rheinmetall und KNDS gefertigt werden und die GTK Boxer vom Joint Venture der beiden Unternehmen unter dem Namen ARTEC. Dieser Auftrag wäre ein Argument für einen Börsengang – der neben frischem Geld für eine Unternehmensexpansion auch ein lohnendes Investment für Anleger bedeutete. Auch der Wert der Rheinmetall-Aktie hat sich verzehnfacht. Von einem Jahresschlusskurs von 187,95 Euro im ersten Jahr des Ukraine-Krieges auf einen aktuellen Stand von ungefähr 1700 Euro.

Da der Panzer auch in künftigen Kriegen eine Hauptrolle spielen wird, scheint eine ähnliche Entwicklung einer KNDS-Aktie möglich bis wahrscheinlich. Allerdings dürfte das den Bund weniger für einen Einstieg motivieren – wie die Tagesschau berichtet, hält der Bund „weit über 100 Beteiligungen“, beispielsweise bei der Bahn. Anteilseigner sei die Bundesregierung aber auch an Unternehmen, „die von politischem oder strategischen Interesse sind“, wie Tagesschau-Finanzredakteur Stefan Wolff schreibt. Deutschland erkauft sich damit ein Mitbestimmungsrecht in Form einer Sperrminorität.

Sie kann als Gesellschafter damit Entscheidungen, die eine qualifizierte Mehrheit erfordern, verhindern; üblicherweise liegt die Sperrminorität bei 25,1 Prozent. Zu wenig, um Entscheidungen mit einfachen Mehrheiten zu blockieren, aber genug, um gewichtigen Entscheidungen entgegenzustehen. KNDS wäre nicht der erste Rüstungskonzern, dem die Bundesregierung durch ihr Aktienpaket ins Ruder greifen könnte. Unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) war die Bundesregierung im Frühjahr 2021 mit einer Sperrminorität von 25,1 Prozent für 450 Millionen Euro Anteilseigner der Hensoldt AG.

Ukraine-Krieg macht reich: „Rüstungsausgaben sind ein gigantisches Konjunkturprogramm“

Die ehemalige Airbus-Radarsparte der Airbus war 2017 vom US-Finanzinvestor Kohlberg Kravis Roberts & Co, kurz KKR, gekauft und 2020 an die Börse gebracht worden. Das Verteidigungsministerium hatte für diesen Schritt gegenüber dem Bundestag auf „sicherheitspolitische Aspekte“ verwiesen, wie Caspar Busse für die Süddeutsche Zeitung geschrieben hat. Hergestellt würden beispielsweise Hightech-Kameras für Tornado-Flugzeuge, Panzer-Periskope und Radarsysteme für den Eurofighter, so Busse.

Rüstungsausgaben sind ein gigantisches Konjunkturprogramm“, zitiert aktuell die Deutsche Welle Oliver Dörre. Im März hatte der Chef des Rüstungskonzerns Hensoldt auf einer Veranstaltung in Frankfurt die Rüstungsindustrie als Kurbel des schwächelnden deutschen Wirtschaftswachstums angepriesen. Laut der Süddeutschen Zeitung hatte vor dem Hensoldt-Deal die FDP gemault, dass der Bund nach der Beteiligung an einer Rüstungsschmiede ein Eigeninteresse am Kauf dieser Produkte wohl zwangsweise entwickeln müsse und somit eventuell den Markt verzerre. Was vielleicht nach einem möglichen KNDS-Deal die Konkurrenz von Rheinmetall zu spüren bekäme, wenn sie mit ihrem KF 51-Panzer in einen Bieterwettstreit mit einem Teil-Staatskonzern trete.

Pistorius-Plan: Notwendigkeit, die Firma vor dem Zugriff anderer Nationen, wie etwa China, zu schützen?

Mit einem Argument gegen den Hensoldt-Deal hatten sich die Liberalen aber womöglich vergaloppiert: „Es gebe auch offensichtlich keine Notwendigkeit, die Firma vor dem Zugriff andere Nationen, wie etwa China, zu schützen“, hat Caspar Busse deren damalige Meinung notiert. Allerdings müssten die Chinesen auch keine Waffenfabrik kaufen, sie stecken nämlich schon tief drin in der Produktion.

„Ohne seltene Erden keine Radare, keine Optiken, keine Kameras, keine Lasersucher, keine Nachtsichtgeräte, letztlich keine Steuerung und keine Präzision im Ziel“, schreibt Marco Seeliger. Der Autor der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) verweist auf das Monopol Chinas für seltene Erden – den Metallen, die in jedem modernen Waffensystem verbaut seien, weil sie für Sensoren und Elektronik benötigt würden, so Seeliger.

Putins Krieg: Zutiefst unmoralisch, wenn ein ganzer Industriezweig massiv davon profitiert

„Kampfpanzer, Infanteriefahrzeuge, Artilleriegeschütze, Flugabwehrsysteme, Kriegsschiffe, U-Boote, Sturmgewehre, Flugzeuge, Radaranlagen und Munition – nichts geht ohne China. Deutschland und mit ihm andere westliche Staaten befinden sich in einer strategischen Abhängigkeit von einem Land, das als enger Verbündeter Russlands gilt. Denn China hat die Rohstoffe, die Deutschland für seine Waffen braucht“, schreibt er.

Markus Knauff geht einen ähnlich radikalen Schritt. Wenn China die Produktion von Waffen ohnehin bestimme, wenn Töten überhaupt unmoralisch sei – warum dann noch die Kapitalisten daran verdienen lassen?, fragt der Autor aktuell im Freitag. Ihm zufolge könnten keine zwei Meinungen darüber bestehen, dass „zutiefst unmoralisch ist, wenn ein ganzer Industriezweig massiv davon profitiert“, wie er schreibt. Einen Einstieg des Staates als kleiner Teilhaber müsse er somit schon als einen Anfang vom Ende betrachten. Als klares moralisches Signal. Als Preisbremse mithin, wenn der Staat anstelle der Unternehmer oder Shareholder den Produktionspreis bestimmen könne.

„Warum verstaatlichen wir nicht die Rüstungsproduktion?“, fragt Knauff. „Der Staat könnte dann die militärische Kapazität sichern, ohne den Anreiz für eskalierende Konflikte zu verstärken.“

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