Sabotage durch Putins Russland: „Wie ein schlechter Film“ – Experten fordern harte Reaktion
Wladimir Putins Russland lässt immer mehr Sabotageakte in Europa verüben – durch seine Geheimdienste oder angeheuerte Schlägertrupps. Der Westen braucht dringend eine Antwort.
Der vereitelte Mordplan gegen Rheinmetall-Chef Armin Papperger ist nur der jüngste Fall einer ganzen Serie geplanter und vollzogener Sabotageakte der letzten Wochen – in Deutschland und Europa. Im Mai ging in Polens Hauptstadt Warschau das größte Einkaufszentrum der Stadt in Flammen auf. In Berlin brannte es bei dem Unternehmen Diehl, das unter anderem das an die Ukraine gelieferte Luftverteidigungssystem „Iris-T SLM“ produziert. Anfang Juni legte ein Cyberangriff mehrere Londoner Krankenhäuser lahm, die sofort Operationen und Bluttransfusionen stoppen mussten. Ebenfalls im Juni starb ein junger polnischer Grenzsoldat, nachdem ihm ein aus Belarus gekommener Migrant ein Messer in die Lunge gebohrt hatte. Belarus schickt seit 2021 gezielt Geflüchtete an die Grenze zu den Nato-Staaten Polen und Litauen, nach Ansicht der betroffenen Länder im Auftrag Russlands.
Meist bleiben die Saboteure selbst unentdeckt, so dass Beweise schwierig sind – doch die Spuren weisen in Richtung von Wladimir Putins Russland. Kürzlich brachten EU-Sicherheitsbeamte laut CNN auffällige Brandanschläge und Explosionen in London, Riga, Prag oder Paris öffentlich mit Russland in Verbindung. Polens Ministerpräsident Donald Tusk sagte nach dem Feuer in Warschau, dahinter stecke „wahrscheinlich“ Russland. Und der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala machte im Juni Moskau für einen Brandanschlag auf ein Busdepot in Prag verantwortlich. Im April nahm die Polizei in Bayreuth zwei Deutschrussen unter dem Verdacht fest, dass sie im Auftrag des russischen Militärgeheimdienstes GRU herumschnüffelten und Sabotageakte auf US-Militäreinrichtungen planten.
Russland heuert Schläger und Unzufriedene für Sabotageakte an
„Die jüngsten Vorwürfe aus Polen und Tschechien gehen in die gleiche Richtung“, sagt Benjamin Schmitt, Experte für demokratische Resilienz bei der Denkfabrik Center for European Policy Analysis (CEPA): „Der GRU rekrutiert für wenig Geld etwa Schlägertrupps, Leute aus dem organisierten Verbrechen und unzufriedene Menschen für kleinere Akte wie Anti-Nato- oder Anti-Ukraine-Graffitis, bis hin zu Brandanschlägen oder Angriffen auf Gebäude und kritische Infrastruktur.“
Schmitt befasst sich vor allem mit Sabotage gegen Infrastruktur wie Bahnlinien, Pipelines, Unterseekabel, die es auch in Deutschland bereits gab. Ende 2023 bohrten Saboteure an mindestens acht Stellen Löcher in eine im Bau befindliche Pipeline, die den Flüssigerdgas-Terminal in der Küstenstadt Brunsbüttel mit dem Gasnetz verbinden soll. 2022 legte das nahezu gleichzeitige Kappen mehrerer Haupt- und Reserve-Kommunikationskabel stundenlang den Bahnverkehr in Norddeutschland lahm, 2024 durchtrennten Unbekannte wichtige Kabel an der ICE-Strecke zwischen Köln und Frankfurt. „Ermittlungen können technisch schwierig sein, da es Zehntausende von Kilometern an Schienen-, Pipeline- und Kabelnetzen gibt – was es schwer macht, Möchtegern-Saboteure auf frischer Tat zu ertappen“, sagt Schmitt zu IPPEN.MEDIA.
Hinzu kommen gezielte Behinderungen. Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski etwa forderte nach dem Tod des Soldaten Belarus zur Überstellung des Mörders für eine Strafverfolgung auf, bisher ohne Erfolg. „Das ist genau das, worauf Grauzonenaggression abzielt – den Feind zu verletzen und ihn dann unfähig zu machen, zu reagieren“, schreibt die Sabotage-Expertin Elizabeth Braw von der US-Denkfabrik Atlantic Council. „Es gibt einfach kein Regelwerk dafür, was zu tun ist.“ Rache komme nicht infrage: „Eine westliche Demokratie wird kaum einen Migranten nach Belarus schicken, damit er dort einen Soldaten tötet.“

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Russlands Sabotage: „Wie in einem schlechten Film“
Die Zahl der Sabotageakte nimmt immer weiter zu. Die Vorfälle der letzten Monate seien „wie in einem schlechten Film“, sagte die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen Mitte Juli bei einer Veranstaltung der US-Denkfabrik Council on Foreign Relations. Neben den Sabotageakten zählte Frederiksen zu Russlands „moderner Kriegführung“ auch Cyberangriffe, Falschinformationen und die gezielte Steuerung von Geflüchteten an die Nato-Außengrenzen, die neben Polen auch in Finnland zu beobachten ist. „Ich glaube, wir müssen das alles sehr viel ernster nehmen“, betonte Frederiksen. „Wir müssen es als einen Angriff auf uns ansehen und nicht einfach als etwas, das immer wieder passiert – und wieder und wieder. Ich denke, wir sind in unserer Reaktion auf diese Dinge zu freundlich.“
Das sieht auch Benjamin Schmitt so. „Die Tatsache, dass viele dieser Vorfälle noch immer nicht Russland zugeschrieben werden, lässt auf ein mögliches politisches Kalkül schließen“, sagt der Resilienz-Experte. „Ich glaube, dass der Grund dafür ist, dass Länder wie Deutschland es für eine Eskalation halten, diese Angriffe den Russen zuzuschreiben. Selbst wenn sie also genügend Beweise haben, wollen sie sich vielleicht nicht so schnell dazu äußern.“
Es gebe in Westeuropa zudem eine gewisse Sorge, dass Sabotage-Vorwürfe gegen Moskau künftige Geschäftschancen mit Russland vermindern könnten. Viele früher eng mit Russland verflochtene Unternehmen haben wegen des Ukraine-Krieges ihre Geschäfte dort suspendiert. „Ich bin mir absolut sicher“, sagt Schmitt, „dass eine nicht unerhebliche Anzahl von Politikern in ganz Europa, aber insbesondere in bestimmten westeuropäischen Ländern wie Deutschland oder Österreich, eine Rückkehr zur Normalität mit Wladimir Putins Russland wünschen.“ Ihnen würde schon ein Waffenstillstand reichen, um das Business as usual wieder aufnehmen zu wollen.