Kim Jong-un auf Kriegskurs: Wie Nordkorea zur Bedrohung für den Weltfrieden wurde

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Nordkorea ist so gefährlich wie lange nicht mehr. Das liegt auch an einem Gipfeltreffen von Donald Trump und Kim Jong-un, das vor genau fünf Jahren spektakulär scheiterte.

Er hätte natürlich auch das Flugzeug nehmen können, rund fünf Stunden hätte die Reise von Pjöngjang nach Hanoi dann gedauert. Kim Jong-un aber bevorzugt die Eisenbahn. Also stieg er an einem Samstag vor fünf Jahren in Nordkoreas Hauptstadt in einen gepanzerten Sonderzug, ließ sich zwei Tage und rund 4500 Kilometer durch China fahren, wechselte am Grenzort Dong Dang in eine Limousine und legte die letzten 170 Kilometer bis nach Hanoi per Auto zurück.

Man darf zwar annehmen, dass Kims Spezialzug deutlich mehr Komfort bietet als etwa ein deutscher ICE. Beschwerlich war die lange Reise sicherlich dennoch. Umso frustrierter dürfte Kim gewesen sein, als sich sein Kurztrip nach Vietnam als Reinfall entpuppte. Nordkoreas Diktator war in das kommunistische Land gereist, um sich mit Donald Trump zu treffen, dem damaligen US-Präsidenten. Es sollte die zweite Begegnung der beiden Staatsoberhäupter nach dem historischen Gipfel von Singapur werden, bei dem Trump ein gutes halbes Jahr zuvor verkündet hatte, er und Kim würden nun „eine grandiose Beziehung“ eingehen. Kim schien das zu glauben: An Bord seines Sonderzugs nach Hanoi hatte er angeblich einen Komponisten, der eine Oper über den diplomatischen Sieg des Diktators über den US-Präsidenten schreiben sollte.

Trump zu Kims Forderungen: „Das konnten wir nicht tun“

Doch daraus wurde nichts. Nach einem gemeinsamen Abendessen im noblen Hôtel Métropole hieß es zwar zunächst aus Hanoi, Trump und Kim würden am darauffolgenden Nachmittag eine Erklärung unterzeichnen. Am nächsten Tag aber, dem 28. Februar 2019, ließ Trump nach einem kurzen Gespräch mit Kim und noch vor dem geplanten gemeinsamen Mittagessen den Gipfel platzen. Was genau geschehen war, darüber gibt es unterschiedliche Erzählungen. Die Amerikaner forderten offenbar von Kim, sein komplettes Atomwaffenprogramm einzustellen und sämtliche Nuklearwaffen auszuhändigen. Nordkorea wiederum behauptete, man habe einen Rückbau der wichtigen Atomanlage in Yongbyon angeboten und im Gegenzug die Rücknahme einiger UN-Sanktionen gefordert. Trump zufolge hatte Kim allerdings verlangt, dass alle Sanktionen abgeschafft würden – „und das konnten wir nicht tun“.

Nordkoreas Diktator Kim Jong-un und der damalige US-Präsident Donald Trump im Februar 2019 in Hanoi.
Nordkoreas Diktator Kim Jong-un und der damalige US-Präsident Donald Trump im Februar 2019 in Hanoi. © Saul Loeb/AFP

So oder so: Das Treffen war für Kim eine Blamage. Nordkoreas Diktator kehrte mit leeren Händen zurück nach Pjöngjang und mit der Überzeugung, dass die USA ihn nicht ernst nehmen. Daran änderte auch ein drittes Treffen mit Trump nichts, bei dem der US-Präsident einige Monate später sogar kurz die Grenze nach Nordkorea überquerte. Kim wollte auf Augenhöhe mit Trump verhandeln, der US-Präsident hingegen suchte einen schnellen Deal. Und der war mit Kim nicht zu haben.

Nordkorea: Raketentests statt Gipfeldiplomatie

Also begann Kim, sich anderweitig Aufmerksamkeit zu verschaffen: Statt auf Diplomatie setzte er fortan auf militärische Drohgebärden. 2020, im ersten Corona-Jahr, ließ er vier Raketentests durchführen, im Jahr darauf dann doppelt so viele und 2022 die Rekordzahl von rund 90 Tests. „Man sollte meinen, dass die Gipfeldiplomatie unter Trump das Verhalten von Nordkorea beeinflusst hätte“, sagte Victor Cha, Korea-Experte bei der US-Denkfabrik CSIS, unlängst auf einer Online-Veranstaltung. „Aber das hat es nicht.“

Offizielle Kontakte zwischen Washington und Pjöngjang gibt es heute nicht mehr, für Trumps Nachfolger Joe Biden scheint Nordkorea keine Priorität zu haben. Die Folge: Von einer Denuklearisierung, wie sie Trump angestrebt hatte, ist Nordkorea weit entfernt. Mehrere Experten erwarten sogar, dass Kim Jong-un noch in diesem Jahr sogar erstmals seit 2017 einen Atombombentest anordnen könnte.

Im März 2022 präsentiert sich Kim Jong-un in „Top Gun“-Manier vor einer ballistischen Rakete.
Hochgerüstet: Im März 2022 präsentiert sich Kim Jong-un in „Top Gun“-Manier vor einer ballistischen Rakete. © AFP

Vor allem gegenüber Südkorea hat Kim zuletzt die Rhetorik verschärft und das Land zum Hauptfeind erklärt. Dort regiert mit Yoon Suk-yeol ein nationalistischer Hardliner, der die Nähe zu den USA und zu Japan sucht, um Nordkorea einzuhegen. Denn auch in Seoul sorgte der gescheiterte Hanoi-Gipfel für ein Umdenken. „Viele Südkoreaner – nicht nur Konservative, sondern auch Liberale – machten sich nach Hanoi keine Illusionen mehr über Nordkorea“, sagt Ramon Pacheco Pardo vom Londoner King‘s College. „Es war für sie klar, dass sich der Norden nicht ändern würde.“

Kim Jong-un hat die Entscheidung getroffen, in den Krieg zu ziehen“

Für die beiden renommierten Nordkorea-Experten Robert Carlin und Siegfried Hecker ist die Situation derart ernst, dass sie sich Anfang des Jahres zu einer dramatischen Warnung veranlasst sahen: „Die Lage auf der koreanischen Halbinsel ist so gefährlich wie seit Anfang Juni 1950 nicht mehr“, schrieben Carlin und Hecker in einem Beitrag für die Denkfabrik Stimson Center. Im Juni 1950 begann der Korea-Krieg, der drei Jahre später mit einem Waffenstillstand, aber ohne Friedensvertrag endete. „Kim Jong-un hat die strategische Entscheidung getroffen, in den Krieg zu ziehen“, so Carlin und Hecker.

CSIS-Experte Cha sieht das anders: „Nordkorea würde nicht all seine Munition an Putin verkaufen, wenn sie sich für irgendeine Art von Krieg vorbereiten würden.“ Er spielt damit auf Berichte an, nach denen Kim Jong-un massenhaft Munition sowie ballistische Raketen für den Einsatz im Ukraine-Krieg an den russischen Präsidenten liefert. Ähnlich wie Cha sieht das Bruce Klingner, Korea-Experte der Denkfabrik Heritage Foundation. „Ich glaube nicht, dass Nordkorea die Entscheidung getroffen hat, in den Krieg zu ziehen“, sagte Klingner auf der CSIS-Veranstaltung. Zwar müsse man Kim Jong-uns Drohungen ernst nehmen, aber Vorbereitungen für einen Krieg sehe man derzeit nicht. Sollte es aber doch so weit kommen, würden die USA als Sieger aus einer Konfrontation mit Nordkorea hervorgehen. „Aber es wäre ein ziemlich verheerender Sieg, mit massiven Verlusten und massiven Zerstörungen“, so Klingner.

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