Merz-Knall gegen Bürgergeld-Realität: So viele Arbeitslose bekommen 20 Euro Miete pro Quadratmeter wirklich

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Bürgergeld-Beziehende bekommen „Luxus-Mieten“ gezahlt. Das ist der Tenor der Debatte, die Friedrich Merz angestoßen hat. In der Praxis ist das selten.

Berlin – Über zwei Jahre schwache Konjunktur machen sich auch beim Bürgergeld bemerkbar. Weniger neu besetzte Stellen und Entlassungen lassen die Zahl der Beziehenden steigen, die damit auf Hilfe angewiesen sind und die Grundsicherung-Ausgaben erhöhen. Besonders die Kosten der Unterkunft, letztlich die Zahlung der Miete, ist dabei ein Kostenpunkt.

Das hatte auch Bundeskanzler Friedrich Merz im ARD-Sommerinterview angesprochen und damit eine Debatte um vermeintliche „Luxus-Mieten“ für Bürgergeld-Beziehenden angestoßen. „Sie haben in den Großstädten heute teilweise bis zu 20 Euro pro Quadratmeter, die sie vom Sozialamt oder von der Bundesagentur bekommen für Miete“, erklärte der CDU-Chef. Merz kann sich eine Pauschalisierung der gezahlten Mieten vorstellen.

20 Euro Miete pro Quadratmeter für Bürgergeld-Empfänger große Ausnahme

„Und wenn sie das mal hochrechnen, das sind bei 100 Quadratmetern schon 2000 Euro im Monat.“ Das könne sich eine „normale Arbeitnehmerfamilie nicht leisten“, erklärte Merz. Außer Acht ließ er, dass auch Erwerbstätige Anspruch auf Sozialleistungen wie – im ersten Schritt – Wohngeld und Kinderzuschlag haben, wenn sie aufgrund von hohen Mieten ihren Lebensunterhalt nicht alleine stemmen können. Ist das Existenzminimum bedroht, haben sie als dann sogenannte Aufstocker auch einen Anspruch auf Bürgergeld. Etwa 80.000 Vollzeitbeschäftigte hatten etwa 2024 Grundsicherung bezogen.

Mieten machen einen Großteil der Jobcenter-Ausgaben für das Bürgergeld aus. Doch 20 Euro pro Quadratmeter sind sehr selten. (Montage) © Montage: Vor ein Foto mit mehreren Altbauwohnungen ist das Logo der Agentur für Arbeit eingefügt.

Zurück zu Merz Beispiel: Wie viele Bürgergeld-Beziehende bekommen tatsächlich 20 Euro oder mehr pro Quadratmeter für die Miete gezahlt? Konkret seien es 122.083 Bedarfsgemeinschaften, erklärte eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit (BA) IPPEN.MEDIA. Mit Blick auf rund 2,5 Millionen Bedarfsgemeinschaften seien das 4,77 Prozent.

Kosten der Unterkunft von 2000 Euro im Bürgergeld möglich – aber nur in bestimmten Fällen

Das Ergebnis der Merz-Rechnung, 2000 Euro als Miete, ist möglich. Jedoch schließt das laut BA-Sprecherin bereits kleine Sammelunterkünfte mit ein. Es sind damit viele Personen Teil der jeweiligen Bedarfsgemeinschaft. Das ist auch nötig, denn eine von Merz angesprochene Begrenzung der Mieten gibt es bereits.

Die Kommunen legen die Mietobergrenzen fest – im Preis, aber auch in der Größe. Um auf 2000 Euro zu kommen, müssten in München, der teuersten Stadt, mehr als fünf Personen in der Bedarfsgemeinschaft leben.

Stadt Alleinlebende Zwei Personen Drei Personen Vier Personen
Berlin 449 Euro 543,30 Euro 668,80 Euro 752,40 Euro
Hamburg 573 Euro 693,60 Euro 813 Euro 980,10 Euro
München 890 Euro 1092 Euro 1286 Euro 1569 Euro
Köln 677 Euro 820 Euro 976 Euro 1139 Euro
Frankfurt 786 Euro 903 Euro 1078 Euro 1219 Euro
Düsseldorf 546 Euro 632 Euro 776 Euro 1003 Euro
Stuttgart 556 Euro 670 Euro 780 Euro 923 Euro
Leipzig 345,79 Euro 450 Euro 586,63 Euro 671,44 Euro
Dortmund 570 Euro 690 Euro 820 Euro 1040 Euro
Bremen 528 Euro 550 Euro 672 Euro 758 Euro
Essen 472 Euro 613 Euro 754 Euro 896 Euro
Dresden 450,50 Euro 557,64 Euro 715,73 Euro 813,85 Euro
Nürnberg 522 Euro 649 Euro 747 Euro 917 Euro
Hannover 499 Euro 587 Euro 697 Euro 834 Euro
Duisburg 425 Euro 495,30 Euro 608,80 Euro 735,30 Euro

(Stand: 12. Februar 2025)

Bürgergeld-Beziehende bekommen im Schnitt 8,19 Euro pro Quadratmeter Miete

Der Blick auf den Quadratmeterpreis sei daher besser, erklärte die BA-Sprecherin im Gespräch. Dabei sind die von Merz angesprochenen 20 Euro pro Quadratmeter im Bürgergeld eine Ausnahme, wie der Anteil von weniger als fünf Prozent zeigt. Im Schnitt liegen die tatsächlich anerkannten Kosten der Unterkunft laut BA-Daten bundesweit bei 8,19 Euro pro Quadratmeter.

In München, der deutschen Stadt mit den höchsten Mieten, liegt der Schnitt bei 16,14 Euro, in Hamburg bei 15,15 Euro. Frankfurt (10,37 Euro), Köln (10,03 Euro) und Berlin (8,65 Euro) liegen noch einmal darunter.

Bürgergeld-Wohnungen über 100 Quadratmeter im Fokus – Statistik offenbart Tücken

Im Zuge der Debatte um die „Luxus-Mieten“ im Bürgergeld nach Merz-Äußerung haben die Springer-Blätter um Bild und Welt zudem die Wohnungsgröße von 100 Quadratmetern zum Thema gemacht. Denn laut der Arbeitsagentur gab es im März 20.236 alleinlebende Bürgergeld-Beziehende, die so viel zur Verfügung haben. Mit Blick auf 1,4 Millionen Single-Bedarfsgemeinschaften sind das 1,4 Prozent. Im Schnitt leben sie auf rund 48 Quadratmetern.

Größe der Bedarfsgemeinschaft Wohnfläche (Schnitt) Kosten/qm (Schnitt)
1 Person 47,62 qm 8,70€
2 Personen 63,70 qm 7,91€
3 Personen 72,32 qm 8,27€
4 Personen 79,11 qm 8,83€
5 Personen 85,85 qm 9,79€
6 oder mehr Personen 99,40 qm 11,83€

Dabei sei es zudem möglich, dass mehr Personen im entsprechenden Haushalt leben, die statistisch nicht aufgeführt sind, sagte die BA-Sprecherin IPPEN.MEDIA. Trotzdem werde die gesamte Wohnungsgröße statistisch erfasst. Das sei der Fall, wenn die Personen nicht leistungsberechtigt seien. Als Beispiel nannte sie eine Wohngemeinschaft, wo nur eine Person Leistungen erhalte. Das zweite Beispiel ist eine Alleinerziehende mit drei Kindern, bei der die Kinder über ausreichende Unterhaltszahlungen keinen Bürgergeld-Anspruch haben.

Wie gezeigt, sind das jedoch auch Ausnahmefälle: Die 100-Quadratmeter finden sich im Schnitt erst ab Sechs-Personen-Haushalten in den BA-Statistiken.

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