Trumps Ukraine-Wende: Sicherheitsberater windet sich bei Schuldfrage
Trump macht den Zwei-Fronten-Krieg auf: Die Ukraine sei der Aggressor gegenüber Russland, tönen die USA. Grund ist vielleicht eine persönliche Fehde.
Washington D.C. – „Sie müssen einen Gang zurückschalten, sich die Sache genau ansehen und den Deal unterzeichnen“, sagt Mike Waltz. Den nationalen Sicherheitsberater von Donald Trump zitiert aus dessen Interview mit Fox News die Nachrichtenagentur Reuters. Ansonsten bleibt der Republikaner und Ex-Offizier der Green Berets auf Linie – die Welt wartet auf eine Richtigstellung von Trumps Behauptung, die Ukraine hätte den Krieg gegen die Invasionstruppen von Wladimir Putin begonnen. Bisher wartet sie vergeblich.
Das Magazin Newsweek berichtet davon, dass Waltz Nachfragen von Reportern in dieser Frage ausgewichen sei. Fakt ist, dass Russland den Krieg militärisch mit einer groß angelegten Invasion im Februar 2022 begonnen hat; und die Welt ist entrüstet ob dieses völkerrechtswidrigen Übergriffs. Die Schuldfrage wabert seitdem durch die Weltpolitik mit Russland als entschieden auftretender Verfechter der Opferrolle – allerdings bestehen Stimmen, die auch die Schuldfrage am Ukraine-Krieg etwas differenzierter sehen als die Mehrheit im Westen: „Die USA und die Nato haben den Ukraine-Krieg mit ausgelöst. Es ist nicht gleichbedeutend damit, ,auf Putins Seite zu stehen‘, wenn man es zugibt“, schrieb Ted Galen Carpenter bereits im März 2022.
Kein Ukraine-Krieg: Wenn Trump anstelle von Joe Biden an der Macht in den USA gewesen wäre
Nach Meinung des Analysten des US-Thinktanks Cato Institute hätten sowohl russische Politiker als auch westliche Beobachter bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten vor der Invasion davor gewarnt, dass die Nato-Erweiterung gen Osten Feuer an die kurze Lunte von Russlands Duldsamkeit lege. Demnach sei davon ausgegangen worden, dass zumindest ein neuer Kalter Krieg mit Russland drohe; im schlimmsten Fall war davon auszugehen gewesen, dass genau das eintritt, was seit drei Jahren in der Ukraine Wirklichkeit ist.
„Selenskyj reiht sich in eine lange Reihe von Staatschefs ein, die ihr eigenes Wohlergehen über das ihres Landes stellen. Das ist eine krankhafte Form des Egoismus, bei der Selbsterhaltung um jeden Preis geht, selbst wenn das bedeutet, dass Tausende weitere Frauen und Kinder sterben werden!“
Im Gegenteil legt Mike Waltz nahe, dass selbst die aufgeheizte Stimmung seit der Annexion der Krim durch Russland 2014 keine solchen Ausmaße angenommen hätte wie heute, wenn Trump anstelle von Joe Biden an der Macht in den USA gewesen wäre. Waltz äußerte sich, nachdem Keith Kellog für drei Tage in der Ukraine mit deren Präsidenten Wolodymyr Selenskyj über einen Frieden konferierte – die Stimmung zwischen den USA und der Ukraine soll durch den Besuch des US-Sondergesandten sogar wieder zu einer Wohlfühltemperatur zurückgekehrt sein. Starke Beziehungen zwischen der Ukraine und den USA kommen der ganzen Welt zugute“, sagte Selenskyj laut Newsweek.
Carpenter sieht die „Schuldfrage“ bereits seit der Krim-Annexion klar in Europa und in der demokratischen Partei seines Landes verortet, wie er schreibt: Robert M. Gates, der sowohl unter Bush als auch unter Barack Obama Verteidigungsminister gewesen sei, habe 2014 in seinen Memoiren „Duty“ eingeräumt, dass „der Versuch, Georgien und die Ukraine in die Nato aufzunehmen, wirklich zu weit ging“, wie Gates formuliert. Gates habe das betrachtet als ein Beispiel „rücksichtsloser Missachtung dessen, was die Russen als ihre eigenen vitalen nationalen Interessen betrachteten“, so der Analyst.
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USA auf Putin-Kurs: Widerstand der Ukraine „schlicht inakzeptabel“
Insofern scheint für die US-Amerikaner unvorstellbar, dass an ihrer Sicht von außen gezweifelt wird, wie Reuters aktuell berichtet: „Der Widerstand der Ukraine gegen den Mineraliendeal und gegen Trumps Führung der Friedensgespräche sei angesichts all dessen, was die Vereinigten Staaten für die Ukraine getan hätten, schlicht inakzeptabel“, sagte Waltz laut der Nachrichtenagentur.
Die britische Daily Mail kommt daher mit der Mutmaßung, dass Donald Trump nicht nur strikt aus innenpolitischer Verve heraus handelt, sondern offenbar auch noch einen persönlichen Strauß mit der Ukraine auszufechten habe. Demnach scheint der „Hass“ auf die Ukraine darin liegen zu können, wie die Daily Mail schreibt, dass Paul Manafort – der ehemalige Leiter von Trumps Präsidentschaftswahlkampf 2016 – in einen ukrainischen Korruptionsskandal verwickelt gewesen sein soll.
Manafort habe offenbar Schmiergelder von der ehemaligen ukrainischen Regierung unter Wiktor Janukowytsch erhalten, jedenfalls sollen Enthüllungen darüber zu Manaforts Manaforts Rücktritt aus Trumps Wahlkampfteam geführt haben; später sei er mehrfach wegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung angeklagt worden. Am Ende seiner ersten Amtszeit habe Trump mit dem inzwischen zum Präsidenten gewählten Selenskyj telefoniert, um dem Ukrainer Militärhilfe und eine Einladung ins Weiße Haus zu versagen –schon damals, 2016, mühte sich Trump, die Ukraine wegen versuchter Manipulation der US-Präsidentschaftswahlen zu diskreditieren.
Presse schießt sich ein gegen Selenskyj: Der „verrückte König von Kiew“
Wie die Mail intendiert, versuche Donald Trump Wolodymyr Selenskyj vom vermeintlichen Volkshelden zum definitiven Niemand zu degradieren. Ein Zwei-Fronten-Krieg von Donald Trump, schreibt David Averre: „Er bezeichnete die US-Hilfe für Kiew als Verschwendung von Steuergeldern und scheint darauf erpicht zu sein, sich beim Kreml einzuschmeicheln, vielleicht um künftige Handels- und Energieabkommen mit Moskau zu erleichtern oder die problematische Partnerschaft mit Peking zu stören.“ Averre erinnert für die Mail daran, dass Trump nach seiner zweiten Amtseinführung die Ukraine beschrieben haben soll als ein korruptes Land „voller schrecklicher Menschen“.
Auch in den USA existieren Medien, die Trumps Zuweisungen nachplappern oder ihnen Nahrung bieten. Als „verrückten König von Kiew“ bezeichnet aktuell das in Washington beheimatete Online-Medium The Hill den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selensky, seine Europa-Tourneen zum Spendensammeln als Ego-Trip zum reinen Machterhalt und vergleicht ihn mit Diktatoren wie Saddam Hussein, der sich noch am Irak festkrallte als die Stadt und seine Herrschaft schon in Trümmern lagen. Auch John Mac Ghlionn fordert in seinem Meinungsbeitrag von Selenskyj, Macht und Kontrolle schleunigst abzugeben.
„Selenskyj reiht sich in eine lange Reihe von Staatschefs ein, die ihr eigenes Wohlergehen über das ihres Landes stellen. Das ist eine krankhafte Form des Egoismus, bei der Selbsterhaltung um jeden Preis geht, selbst wenn das bedeutet, dass Tausende weitere Frauen und Kinder sterben werden!“, schreibt Mac Ghlionn. Ob dieser Haltung in der Regierung von Donald Trump vermutet Newsweek-Autor Daniel Bush, dass Mike Waltz‘ bedingungslose Verteidigung von Trumps Darstellung von Kriegsursachen und Kriegsbeginn den Keil zwischen den USA und der Ukraine noch weiter hineintreiben wird; der Streit zwischen den beiden Ländern wird vermutlich weiter eskalieren.
Europa konsterniert: „Wir müssen kühlen Kopf bewahren und die Ukraine weiterhin unterstützen“
Und die europäischen Länder mit in den Strudel reißen, sie werden sich positionieren müssen, wenn das Tischtuch zwischen Trump und Selenskyj endgültig zerschnitten sein sollte. „Wir verstehen die Logik nicht ganz“, sagte beispielsweise Frankreichs Regierungssprecherin Sophie Primas gegenüber Reportern und führte „die vielfältigen, unterschiedlichen und oft unverständlichen Kommentare von Präsident Trump“ an, wie Reuters schrieb. Anders als der US-Präsident bezweifeln nämlich Europas Staats- und Regierungschefs Russlands Fokus auf Deeskalation, wie Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron gesagt habe: „Alle scheinen zu glauben, dass Russland über Frieden verhandeln will. Ich bin mir da überhaupt nicht sicher. Wir müssen also einen kühlen Kopf bewahren und die Ukraine weiterhin unterstützen.“
Die USA sind nun nach Russland die zweite Nation, die Front macht gegen die Ukraine. Allerdings scheint sich fortzusetzen, womit Donald Trump seine erste Amtszeit dominiert und seine zweite Amtszeit begonnen hat – mit Zweideutigkeiten, die frank und frei heraus posaunt, nach einer Weile wieder korrigiert werden mussten. Denn neben den Tiraden von Donald Trump will Waltz, laut Reuters, auch hervorgehoben wissen, dass die Differenzen zwischen den USA und der Ukraine nicht unüberbrückbar seien, wie ihn die Nachrichtenagentur zitiert: „Der Präsident hat auch gesagt, wie sehr er das ukrainische Volk liebt.“