Russische Soldaten enthüllen Folter und Misshandlung im eigenen Lager
Russische Soldaten sollen im Ukraine-Krieg gegenseitigen Misshandlungen an der Front ausgesetzt sein. Darauf lassen neue Berichte und Videos schließen.
Kiew - Russische Soldaten, die in der Ukraine stationiert sind, sollen an der Front teils schweren Misshandlungen ausgesetzt sein. Das russischsprachige und unabhängige Nachrichtenportal Virstka sammelte in den letzten drei Monaten Berichte von russischen Offizieren, die in der Nähe der stark umkämpften Region Cherson stationiert sind. Demnach haben verbale Schikanen, aber auch Gewalt und sexueller Missbrauch seit Beginn des Krieges stark zugenommen.
Grund für die Misshandlungen auf der russischen Seite sei ein wachsender Frust unter den Soldaten. Ukrainische und russische Streitkräfte liefern sich intensive Kämpfe um die Region im Süden der Ukraine, sodass viele russische Soldaten kaum Auszeit von der Front erhalten. Laut den Virstka-Quellen würden täglich rund sechzig bis 100 Menschen von beiden Seiten getötet werden. Vor allem rekrutierte Gefangene aus Russland, denen im Gegenzug zum Krieg die Freiheit versprochen wird, würden als Folge ihre Wut und Verzweiflung an Kollegen auslassen. Die Berichte können jedoch nicht endgültig verifiziert werden.
Ehemalige russische Gefangene an der Kriegsfront - Schockierender Bericht über Misshandlungen im Ukraine-Krieg
„Der Beschuss unserer Stellungen ist immer noch ununterbrochen. Während dieser Zeit haben unsere [ehemaligen; Anm. d. Red.] Häftlinge völlig den Kopf verloren“, berichtete ein Soldat dem Nachrichtenportal. „Sie wissen, dass sie alle sterben werden. Deshalb foltern sie die einfachen Leute.“ Da sich die zuständigen Befehlshaber oft aus der Front zurückziehen und „im Hinterland“ sitzen würden, seien die Soldaten an der Front keiner direkten Aufsicht unterlegen. Die Folge: eigene Regeln.

Ein russischer Soldat und sein Kamerad sollen einem Virstka-Korrespondenten ein Video von Streitkräften des 345. Regiments geschickt haben. Das Video ist auch auf der Nachrichtenplattform X zu sehen, die Gesichter sind unkenntlich gemacht. In dem knapp 40 Sekunden langen Ausschnitt stehen vier nackte Männer bei Dunkelheit vor einigen Soldaten in grünen Militärjacken.
Russische Soldaten berichten von Gewaltverbrechen und „Bestrafungen“ in den eigenen Reihen
Einige der Soldaten filmen die Männer mit ihren Handys, wie im Video zu sehen ist. Einer von ihnen schlägt einem unbekleideten Mann ins Gesicht. Dazu reden sie auf Russisch. Virstka übersetzt die gesprochenen Inhalte mit Aufforderungen, dass die Männer in eine Erdgrube steigen sollen. Außerdem werden sie wohl zu gegenseitigen sexuellen Handlungen aufgefordert, während andere zusehen. „So bestrafen sie inoffiziell diejenigen, die während des Dienstes trinken oder Drogen nehmen“, erklärt ein Soldat dem Nachrichtenportal.
Die Echtheit des Videos kann nicht bestätigt werden. Die Redaktion soll es von einem Soldaten namens Michail Maltsew geschickt bekommen haben, ein ehemaliger Häftling aus Nowosibirsk. Er wurde für seinen Einsatz im Ukraine-Krieg vom Verteidigungsministerium begnadigt. „In Luhansk war mir schon klar, was mich erwartete, aber ich wagte nicht zu fliehen. Dann wurden wir in Richtung Cherson verlegt, wo die härteste Schinderei begann. Die Haltung ist bestialisch. Befehle, die nicht erfüllt werden können, jeder verspottet den anderen“, wird Maltsew zitiert.
Soldaten werden erniedrigt, gefesselt und ausgehungert - so brutal soll es an der russischen Front zugehen
Auch diejenigen, die sich weigern zu kämpfen, werden offenbar schwer bestraft. Der russische Soldat Semjon Kiskorow erzählte Virstka, dass er und sein Bruder sich im November 2023 geweigert hatten, an einem Angriff teilzunehmen. Sie seien daraufhin tagelang an einen Baum gefesselt worden sein, ohne zu essen oder zu trinken.
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Über Gewalt und Missbrauch in den eigenen Reihen gab es bislang kaum öffentliche Informationen. Dem Militär werden hauptsächlich Kriegsverbrechen gegen die ukrainische Bevölkerung sowie gegen gefangene Soldaten und Soldatinnen vorgeworfen. Nach eigenen Angaben hat die Ukraine in den vergangenen zwei Jahren Krieg mehr als 120.000 Kriegsverbrechen des Feindes erfasst. „Es gibt kein Verbrechen, dass die Russen nicht während dieses Krieges verübt haben“, sagte Generalstaatsanwalt Andrij Kostin am Sonntag (25. Februar) beim Forum Ukraine. Jahr 2024 vor Journalisten in Kiew. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch forderte in der Vergangenheit hingegen auch die Ukraine bereits auf, Ermittlungen wegen möglicher Kriegsverbrechen gegen russische Gefangene einzuleiten. (nz)