Syrien: UN-Sicherheitsrat fordert von Übergangsregierung Schutz aller Syrer
Die Massaker an den Alawiten in Syrien nehmen immer schrecklichere Ausmaße an. Über 1.300 Menschen waren alleine in der vergangenen Woche getötet worden.
Damaskus – Die Massaker an den Alawiten in Syrien sind auch zum Thema der UN geworden. Der UN-Sicherheitsrat hat die mutmaßlichen Massaker an Zivilisten im Westen Syriens verurteilt und die Übergangsregierung zum Schutz der gesamten Bevölkerung aufgerufen. Der Sicherheitsrat „verurteilt vehement die Gewalt, die seit dem 6. März in den Provinzen Latakia und Tartus verübt wird“, hieß es in einer Erklärung vom Freitag.
Kritisiert wurden vor allem die „Massaker an Zivilisten“, insbesondere an der Minderheit der Alawiten. Das mächtigste UN-Gremium rief die Übergangsregierung in Damaskus dazu auf, „alle Syrer zu beschützen, unabhängig von ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit“.
UN warnt vor Eskalation der Gewalt in Syrien
Der Sicherheitsrat warnte zudem vor einer weiteren Gewaltspirale. Angesichts der möglichen „eskalierenden Spannungen zwischen den Gemeinschaften in Syrien“ sei das Gremium „sehr besorgt“. Der Sicherheitsrat forderte alle Parteien dazu auf, auf Gewalt zu verzichten sowie diese nicht weiter anzuheizen und „dafür zu sorgen, dass alle Zivilisten, zivile Infrastruktur und humanitären Einsätze geschützt werden“, hieß es weiter.
An der syrischen Mittelmeerküste dauern unterdessen die Angriffe auf Alawiten nach Angaben von Menschenrechtlern weiter an. „Es gibt weiterhin Aufrufe zur Vernichtung der Minderheit“, sagte der Nahost-Experte der Gesellschaft für bedrohte Völker, Kamal Sido, am Freitag in Göttingen. Zu Wochenbeginn waren bei Übergriffen der offiziellen syrischen Sicherheitskräfte und wohl auch islamistischer Milizen nach Medienberichten mehr als 1.000 Menschen getötet und teils auf offener Straße hingerichtet worden.

Aufruf zur Vernichtung von Alawiten in Syrien
Auch die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) warnt weiterhin auf die Übergriffe auf die Minderheiten in Syrien. „Es gibt weiterhin Aufrufe zur Vernichtung der Minderheit“, sagte der Nahost-Experte der Gesellschaft für bedrohte Völker, Dr. Kamal Sido, am Freitag. Mehrheitlich handelte es sich bei den Opfern in Syrien um Alawiten. Diese Minderheit, der auch der im Dezember gestürzte Präsident Bashar al-Assad angehört, macht 10 bis 15 Prozent der syrischen Bevölkerung aus und lebt vor allem in den Küstenprovinzen Tartus und Latakia.
Die ebenfalls in dieser Woche erfolgte Unterzeichnung eines Abkommens zwischen der neuen islamistischen Führung in Damaskus und der kurdischen Führung der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) bezeichnete Sido als „Manöver, um von den Massakern an den Alawiten abzulenken“. Tatsächlich gingen die Angriffe auf Alawiten im Westen und auf Kurden, Christen und Jesiden im Nordosten Syriens weiter, sagte Sido, der selbst in Nordsyrien geboren wurde.
Dass die neuen Machthaber in Syrien mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit „nichts am Hut“ hätten, zeigt nach Angaben des
Nahost-Experten zufolge auch der kursierende Entwurf für eine syrische Verfassung. Dieser unterscheide sich kaum von der Verfassung der Assad-Diktatur, bekräftige die Prinzipien der islamischen Scharia und erwähne weder die kurdische noch die aramäische Sprache, die von Millionen Menschen in Syrien gesprochen werde.
Amnestie von Assad-Militärs in Syrien stößt auf Kritik
Im Gespräch mit Fr.de von IPPEN.MEDIA bestätigt der Wiener Politik- und Religionswissenschaftler Prof. Dr. Hüseyin Cicek, dass es sich bei den Massakern an den Alawiten vor allem um Rache handelt. „Die Massaker an Alawiten sind Ausdruck einer Gewaltspirale, die durch Vergeltungsmotive und schwache politische Institutionen verstärkt wird. Der Bürgerkrieg in Syrien, der über eine Million Todesopfer gefordert hat, wurde maßgeblich durch die Gewaltpolitik des Assad-Regimes befeuert.
Meine News
Die von der Regierung Al-Scharaa initiierte Amnestie ehemaliger Militärangehöriger des Assad-Regimes stößt insbesondere bei Teilen der sunnitisch-arabischen Bevölkerung auf massive Kritik. Die derzeit fehlende institutionelle Kontrolle der HTS-Regierung trägt zur Fortsetzung dieser Gewalt bei, auch wenn eine solche institutionelle Schwäche nach einem Bürgerkrieg zunächst durchaus typisch ist.“
Europa und Türkei tragen Mitverantwortung
Die deutsch-türkische Journalistin Süheyla Kaplan sieht im Gespräch mit unserer Redaktion hinter den Massakern dagegen die Regierung von Ahmed Al-Scharaa mitbeteiligt. „Al-Scharaa-treue Truppen, die vom Westen anerkannt und von den USA und dem islamistischen Regime Erdogans in der Türkei persönlich unterstützt werden, haben einen Angriff auf die alawitischen Gebiete entlang der Mittelmeerküste gestartet“, sagt die deutsch-türkische Journalistin Süheyla Kaplan und warnt vor den neuen Machthabern in Syrien.
„Seit Tagen kommt es zu Massakern an Alawiten und Christen. Die ganze Welt beobachtet das Massaker nur im Rahmen ihrer eigenen nationalen Interessen. Weder die Assad-Diktatur noch die Regierung Colani, die aus einer islamistischen, dschihadistischen Organisation hervorgegangen ist, dürfen als legitim angesehen werden. Europa trage dabei ebenso viel Verantwortung wie Erdogan.
Übergansregierung kündigt Untersuchung von Massakern an
In der vergangenen Woche war es im Westen des Landes zu den bisher heftigsten Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Anhängern des gestürzten Machthabers Baschar al-Assad gekommen. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden mindestens 1383 Zivilistinnen und Zivilisten getötet, die meisten davon Angehörige der religiösen Minderheit der Alawiten, der auch Assad angehört .Es waren die blutigsten Vorfälle seit dem Sturz Assads durch die islamistische HTS-Miliz und mit ihr verbündeter Gruppen am 8. Dezember. Am Montag erklärte die syrische Übergangsregierung den Militäreinsatz für beendet. Sie setzte eine Untersuchungskommission ein, welche die Gewalt im Westen des Landes untersuchen soll. (erpe mit Agenturen)