Warum Erdogan alle Mittel für einen Sieg in Istanbul einsetzt

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Am Sonntag finden Kommunalwahlen in der Türkei statt. Dann könnte Präsident Erdogan die Metropole Istanbul zurückgewinnen.

Istanbul - Am Sonntag (31. März) finden in allen 81 Provinzen der Türkei Kommunalwahlen statt. Dann will Präsident Recep Tayyip Erdogan die Metropolen Istanbul und Ankara für seine Regierungspartei AKP zurückerobern. Dafür setzt Erdogan und Chef der Regierungspartei AKP alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel in Bewegung.

Erdogan schickt Minister in den Kommunalwahlkampf

Auch die Minister machen bei den Wahlkampfveranstaltungen mit und werben für die AKP-Kandidaten – vor allem in Istanbul. Sogar der Außenminister und ehemalige Geheimdienstchef Hakan Fidan sind auf Stimmenfang, vor allem für den AKP-Kandidaten für Istanbul, Murat Kurum. „Wenn wir zeigen wollen, dass wir aus den Naturkatastrophen eine Lektion gelernt haben, muss Murat Kurum Oberbürgermeister werden“, sagte Fidan auf einer Veranstaltung in Istanbul am Wochenende. Kurum habe als Stadtplanungsminister Projekte vorbereitet, begonnen und auch beendet.

Auch Innenminister Ali Yerlikaya war in der vergangenen Woche in Istanbul auf Stimmenfang und warb für Murat Kurum. Gleichzeitig ist der türkische Innenminister auch für die Sicherheit bei den Kommunalwahlen zuständig. Am 31. März werden 594.000 Beamte aus Polizei, Gendarmerie und Küstenwache die Wahlen absichern, teilte Yerlikaya auf einer Pressekonferenz mit.

Gouverneure und Landräte machen Wahlkampf für Erdogan-Partei

Wie Erdogan staatliche Mittel für die Kommunalwahl missbraucht, sieht man in den kurdischen Städten und Gemeinden, erzählt Leyla Imret im Gespräch mit Fr.de von IPPEN.MEDIA. 2019 hatte die HDP damals in 67 Städten und Gemeinden die Kommunalwahlen gewonnen. Erdogan entließ allerdings in 59 dieser Städte und Gemeinden die Bürgermeister und setzte einen Zwangsverwalter (“Kayyum“) ein.

„Diese Zwangsverwalter sind gleichzeitig auch Gouverneure und Landräte. Sie machen Wahlkämpfe für die AKP und benutzen dabei etwa Fahrzeuge und Transportmittel, die den Gemeinden und Städten gehören“, so Imret. Gemeinsam mit der Polizei würden diese Zwangsverwalter Machtdemonstrationen in den kurdischen Kommunen abhalten. Die AKP-Wahlkämpfe würden hier gemeinsam mit den Landräten, Gouverneuren, Polizeipräsidenten und Gendarmerie-Kommandeuren geleitet, obwohl diese Beamte keine Parteimitglieder seien, so Imret.

Erdogan setzt alle Mittel dafür ein, dass seine AKP bei der Kommunalwahl am 31. März die Metropolen Istanbul und Ankara zurückgewinnt.
Präsident Recep Tayyip Erdogan möchte bei der Kommunalwahl Istanbul zurückerobern. © IMAGO/Shady Alassar

Erdogan lässt S-Bahnen in Istanbul umsonst fahren

Auf dem alten Flughafen von Istanbul fand am Sonntag eine große Wahlkampfveranstaltung statt. Auch dafür wurden offenbar staatliche Mittel missbraucht. Nach einem Bericht der türkischen Zeitung Sözcü schickte die AKP-Führung am 15. März an die staatliche Bahn TCDD ein Schreiben und forderte diese auf, am Tag der Kundgebung zwischen 10.00 und 16.00 Uhr und zwischen 18.00-23.00 Uhr keine Gebühren für die „Marmaray-Strecke“ zu nehmen. Diese werde durch die AKP beglichen. Die Marmaray ist eine S-Bahn, die den europäischen und asiatischen Teil von Istanbul verbindet.

Ein namentlich nicht genannter Mitarbeiter der TCDD kritisiert seinen Arbeitgeber, der sich der Anweisung der AKP gebeugt habe. „Jeder kann sagen, zur Veranstaltung zu gehen, und bezahlt dann nicht für die Bahn. Was passiert, wenn die AKP sagt, diese Leute gehören nicht zu uns?“

Kommunalwahl in der Türkei als Machtdemonstration

Erdogan will unbedingt Istanbul wieder zurückerobern, in der Ekrem Imamoglu von der Oppositionspartei CHP, regiert. Und das hat auch gute Gründe. „Die Kommunalwahlen in der Türkei sind für Erdogan sehr wichtig. Erdogan muss siegreich daraus hervorgehen. Die AKP-Regierung ist eine Koalition aus Abgeordneten der rechtsextremen MHP, der islamistischen Hüda Par und der Yeniden Refah Partisi. Die MHP unterstützt den türkischen Präsidenten offen. Ein Wahlergebnis, das den Eindruck erweckt, dass ´Erdogan besiegt werden kann´, könnte zu einem Riss in Erdogans Koalition führen. Wenn es ihm nicht gelingt, Metropolen wie Istanbul und Ankara zurückzugewinnen, und er Stimmen in den Gemeinderäten verliert, könnte dies zu einem Bruch in Erdogans Koalition aus politischen Parteien und der Staatsbürokratie führen“, erzählt der Türkei-Experte Dr. Süleyman Özeren von der American University in Washington im Gespräch mit unserer Redaktion.

Erdogan könnte Sieger bei Kommunalwahl werden

Und Erdogans Plan könnte am kommenden Sonntag aufgehen. Grund dafür sei mangelnde Rechtsstaatlichkeit und ein autoritäres Regime, das die Macht in den Händen hält. „Es gibt auch keine echte Opposition. Das haben wir bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen gesehen. Die Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu (CHP) und Meral Akşener (IYI Parti) spielten Erdoğan in die Hände. Statt einer starken Opposition gab es eine Splittergruppierung mit gemischten Botschaften“, so Özeren. (ep)

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