In einem Kurort im Schwarzwald sind Menschen seit zwei Monaten ohne Handyempfang. Nach einem Masten-Abbau herrscht dort für alle Anwohner Funkstille.
Kassel – Das Smartphone aus der Tasche holen, Verwandte kontaktieren, bargeldlos einkaufen oder sich beim Wandern mit dem GPS orientieren – für fast alle Bundesbürger selbstverständlich. Aber in Bad Wildbad im Schwarzwald gibt es seit zwei Monaten totale Funkstille. Null Empfang, kein Signal, kompletter Mobilfunk-Ausfall für Tausende Bewohner und Besucher.
Die malerische Bäderstadt mit ihren 10.000 Bürgern durchlebt seit Ende Juni eine noch nie dagewesene Handy-Katastrophe. Schlagartig fiel für Nutzer von O2 und Vodafone jeglicher Mobilfunk- und Datenempfang aus, wie die Tagesschau meldet. Die Ursache ist ebenso grotesk wie frustrierend: Die Sendeanlagen auf einem Kamin des Fernheizwerks über der Gemeinde wurden demontiert – bevor eine alternative Lösung parat war. Ein anderer Ort hat ein ähnliches Problem.
Schwarzwald-Kurort ohne Netz: Menschen haben seit Monaten keinen Empfang
Der Fernwärmebetreiber Baden-Württemberg hatte die Netzbetreiber schon drei Jahre zuvor über den beabsichtigten Rückbau des Kamins unterrichtet und die Vereinbarungen ordnungsgemäß beendet. Dennoch gelang es den Telekommunikations-Konzernen anscheinend nicht, zeitnah eine Ersatzlösung zu etablieren. Thomas Händel, ein leidtragender O2-Nutzer, schildert seine zermürbenden Begegnungen mit der Hotline.
„Der Techniker schaut dann am Computer nach und sagt, er kann dort keine Störungen feststellen. Ist ja klar. Wenn der Funkmast oben abgebaut ist, hat der keine Meldung“, beschreibt er der Tagesschau seine hoffnungslose Situation. Zahlreiche Verbraucher hätten es nicht geschafft, sich trotz außerordentlichem Kündigungsrecht von ihren Verträgen zu lösen. Reklamationen bei der Kundenbetreuung blieben wirkungslos, weil die IT-Systeme keinen Defekt registrieren würden, berichtete der Verbraucher der Tagesschau.
Die Vize-Bürgermeisterin Ursula Jahn-Zöhrens (SPD) äußert sich verwundert über die Haltung der Mobilfunkanbieter. „Bestenfalls bekommen sie es technisch nicht hin. Schlechtestenfalls ist es ihnen einfach nicht so wichtig, weil ihnen der Standort hier nicht lukrativ genug ist“, übt sie heftige Kritik. Die Kommune ist machtlos, weil die Mobilfunkversorgung in Deutschland ausschließlich privat geregelt wird, meldet SWP. Sogar das Rathaus mit etwa 140 Vodafone-Anschlüssen leidet unter dem Ausfall. Für die vom Fremdenverkehr abhängige Bäderstadt bedeutet das Chaos eine ökonomische Katastrophe.
Netzausfall im Schwarzwald betrifft Anwohner sowie Reisende
Spaziergänger verirren sich ohne einsatzbereite Orientierungs-Apps, Urlauber können sich nicht digital registrieren. Selbst die Alarmtasten in den Schwitzbädern der Wellness-Einrichtungen versagen, weil sie per Handy-Netz kommunizieren. Stadtoberhaupt Marco Gauger fasst die Gemütslage zusammen: „Für die Menschen hier ist das kein Spaß, sie sind zu Recht sauer“, erklärte er dem Focus.
O2 Telefónica gesteht, die Verbraucher ungenügend benachrichtigt zu haben. Ein Unternehmenssprecher teilt der Tagesschau mit: „Wir versichern Ihnen, dass die Wiederherstellung der Mobilfunkversorgung in Bad Wildbad für uns höchste Priorität hat. Bereits seit 2024 arbeiten wir intensiv an einer Ersatzlösung.“
Beide Konzerne führen die komplizierte Geografie der im schmalen Enztal liegenden Gemeinde an, die von schroffen, waldreichen Berghängen eingeschlossen wird. Heise meldet, dass Vodafone für Ende August eine mobile Sendeanlage als Übergangslösung in Aussicht gestellt hat. Bis eine permanente Lösung etabliert ist, könnten Jahre ins Land gehen. Wenigstens haben die geschundenen Einwohner einen winzigen Lichtblick: Auch die Knöllchen-Technik der Gemeinde läuft über Vodafone und ist momentan außer Betrieb. Durch einen Standortwechsel gibt es auch in einem weiteren Ort keinen Empfang. (rd)