12 von 16 Kindern sind gestorben: Tragische Geschichte einer oberbayerischen Patchwork-Familie

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Eine historische Patchwork-Familie: Das Bild erzählt die Geschichte von außen nach innen. Ganz links ist Mattheis Weidinger zu sehen, ganz rechts seine erste Ehefrau Catharina. Es folgen (ab 2.v.r.) Walburga und Anna. Ebenfalls abgebildet sind Jörg Weichenmair (2.v.l.) und die insgesamt 16 Kinder der Familie Weidinger/Weichenmair (weiß-transparent die Totgeburten). Die Buben und Mädchen, die noch im Kindesalter verstorben sind, sind mit einem roten Kreuz markiert. © Stadtmuseum

Wer glaubt, Patchwork-Familien seien eine Erscheinung der heutigen Zeit, der irrt: Mit der Schongauer Schneiderfamilie Weidinger/Weichenmair gab es eine solche Konstellation bereits im 17. Jahrhundert. Ihre Geschichte ist von Leid und Tod geprägt.

Schongau – Zwei Männer, drei Frauen und 16 Kinder falten die Hände zum Gebet: Dieses Motiv ist auf einer Holztafel im Schongauer Stadtmuseum zu sehen. Das Bild beschreibt die tragische Geschichte einer Schongauer – wie man heute sagen würde – Patchwork-Familie. Der ehemalige Kreisheimatpfleger Helmut Schmidbauer hat sie der Heimatzeitung erzählt.

Lebenserwartung lag bei elf Jahren

Es ist die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts, die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, in der Mattheis Weidinger eine Schneiderei in Schongau betreibt. Zusätzlich zu den kriegerischen Auseinandersetzungen treibt auch die Pest in Europa ihr Unwesen. „Die Lebenserwartung lag damals bei elf Jahren – wegen der hohen Kindersterblichkeit“, erklärt Schmidbauer.

Mattheis Weidinger ist mit einer gewissen Catharina verheiratet. Das Paar hat vier Kinder, zwei Buben und zwei Mädchen. Nachdem Catharina verstorben ist, heiratet Weidinger zum zweiten Mal – die Frau heißt Walburga. Die Buben und Mädchen aus der Ehe mit Catharina fangen sich allesamt schwere Kinderkrankheiten ein und sterben an diesen. Mit Walburga hat Mattheis Weidinger eine Tochter. Nachdem dem Schneidermeister auch seine zweite Ehefrau und die Tochter weggestorben sind, steht er plötzlich wieder allein da.

Bei Hochzeit ging es nur um Fortbestand der Schneiderei

Weidinger entscheidet sich, ein drittes Mal zu heiraten – diesmal eine deutlich jüngere Frau namens Anna. Nur kurz nach der Hochzeit, um das Jahr 1642, stirbt Weidinger. Aus der Ehe mit Anna gehen keine Kinder hervor. Die Witwe heiratet nach dem Tod Weidingers Jörg Weichenmair, der in der Schneiderei arbeitet und durch die Ehe Weidingers Nachfolger wird. „Liebe war kein Ehekriterium“, erklärt Schmidbauer. Es geht schlichtweg darum, den Fortbestand der Schneiderei zu sichern. Das Paar zeugt insgesamt elf Kinder, wovon zwei tot auf die Welt kommen. Von den anderen neun Kindern, darunter sind sieben Buben und zwei Mädchen, überleben lediglich vier.

Witwe heiratet erneut

Nach dem Tod Jörg Weichenmairs im Jahr 1652 heiratet Anna den aus Marktoberdorf stammenden Schneider Wolf Griebler. Viel ist über ihn nicht bekannt – nur ein Satz ist in historischen Dokumenten über Griebler zu lesen: „Bringt kein Vermögen mit.“

Danach verwischen sich die Spuren der Familie. Wie es mit den vier Kindern, die überlebt hatten, weiterging, weiß Schmidbauer nicht. Die Tafel, die in den 90er Jahren ihren Weg ins Stadtmuseum fand, ließen Anna und Jörg Weichenmair wohl irgendwann in den 1640er Jahren, als Jörg noch lebte, anfertigen.

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