Krankenkassen sollen Geld für Bürgergeld-Empfänger bekommen

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Die Versorgung von Bürgergeld-Beziehenden ist eine Milliardenbelastung für Krankenkassen – steigende Beiträge sind die Folge. Der Bund will handeln – aber wie?

Berlin – Gerade erst mussten die gesetzlichen Krankenkassen ihre Zusatzbeiträge erhöhen. Die meisten Versicherten zahlen seitdem deutlich mehr für ihre Gesundheitsversorgung. Doch die nächste Erhöhung droht bereits, denn die finanzielle Belastung der Kassen ist hoch. „Ein gewaltiges Gerechtigkeitsproblem“ ist laut Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit, die Finanzierung der Gesundheitsversorgung von Bürgergeld-Beziehenden. Die liegt zu einem Großteil bei den Versicherungen – und damit den Beitragszahlenden.

Bund zahlt Krankenkassen zu wenig für Menschen im Bürgergeld

Der Staat zahlt zwar für die Bürgergeld-Beziehenden. Jedoch gibt es laut dem Sozialverband VdK lediglich eine Pauschale für einzelne gesetzlich Versicherte von 109 Euro im Monat – was grob einem Drittel des tatsächlichen Bedarfs entspricht. Laut einem Gutachten des Gesundheitsforshcungsinstitutes IGES von 2022 hätte der Beitrag schon bei 311 Euro liegen müssen.

Bisher zahlt der Staat nur etwa ein Drittel der tatsächlich benötigten Summe für die Gesundheitsversorgung für Bürgergeld-Beziehende, doch bald sollen Krankenkassen alle Kosten erstattet bekommen. (Montage) © Revierfoto/Wolfilser/Imago

Dieser „Webfehler im System“, wie es der Techniker Krankenkassen-Chef Jens Baas ausdrückt, kostet die gesetzlichen Krankenkassen laut dem IGES-Gutachten von 2022 jährlich 9,2 Milliarden Euro. Die Kassen selbst beziffern den Fehlbetrag für die Versorgung der Bürgergeld-Beziehenden auf bis zu zehn Milliarden Euro – und damit auch das Einsparungspotenzial.

Krankenkassen fordern höhere Beiträge des Bundes für Bürgergeld-Beziehende

Immer wieder verweisen die Krankenkassen auf die Ungerechtigkeit, dass durch die Beiträge vor allem die gesetzlich Versicherten für die Bürgergeld-Beziehenden zahlen, die Privatversicherten dagegen nicht. Umgekehrt liegt der staatliche Zuschuss für Privatversicherte im Bürgergeld bei 471 Euro – die privaten Kassen übernehmen die restliche Differenz bis zum Höchstbetrag des Basistarifs von knapp 943 Euro. Die privaten Versicherungen verweisen dagegen darauf, dass ihre Pro-Kopf-Belastung höher sei.

Die Forderung der gesetzlichen Krankenversicherungen: Der Staat soll einspringen und vollständig für die Gesundheitsversorgung der Hilfebedürftigen aufkommen. Die Last würde dann durch alle Steuerpflichtigen getragen. Das Problem ist der Politik schon lange bewusst – auch die Ampel-Koalition hatte sich im Koalitionsvertrag von 2021 zum Ziel gesetzt, die Beiträge für Menschen in der Grundsicherung zu erhöhen. Passiert ist jedoch nichts.

Zum Jahreswechsel 2024 und 2025 hatte das Gesundheitsministerium erklärt, die Finanzierung der Krankenversicherung für Bürgergeld-Beziehende umzusetzen, wenn es „die haushaltspolitischen Rahmenbedingungen im Lichte der wirtschaftlichen Entwicklung zulassen“. Das Problem sollte also angegangen werden, wenn der Bundeshaushalt weniger unter Druck ist.

Union und SPD wollen Krankenkassen entlasten – ursprünglich sollte es zehn Milliarden Euro geben

Nun haben sich Union und SPD auf eine gemeinsame Koalition geeinigt. Und auch sie wollen die Belastung der Krankenkassen angehen. „Ziel ist es, die Finanzsituation zu stabilisieren und eine weitere Belastung für die Beitragszahlerinnen und -zahler zu vermeiden“, erklären die Parteien im Koalitionsvertrag. Wie genau, ist jedoch sehr offen gehalten: „Hierzu setzen wir auf ein Gesamtpaket aus strukturellen Anpassungen und kurzfristigen Maßnahmen.“ Ziel sei, die „strukturelle Lücke zwischen Ausgaben und Einnahmen zu schließen.“

Im neuen Koalitionsvertrag findet sich jedoch nichts zu den Beiträgen für Beziehende der Grundsicherung, wie das Bürgergeld künftig heißen soll. Die Einnahmen der Krankenversicherung sollen lediglich „durch ein höheres Beschäftigungsniveau“ vergrößert werden und „die Kosten auf der Ausgabenseite“ sinken.

Zehn Milliarden Euro mehr für Krankenkassen-Beiträge für Grundsicherung vorgesehen

Ursprünglich waren zehn Milliarden Euro pro Jahr aus Steuermitteln für die Kassen vorgesehen. Darauf hatte sich noch die Arbeitsgruppe Gesundheit und Pflege geeinigt. Darin hieß es: „Die bisher nicht kostendeckenden Beiträge für Bürgergeldempfänger werden wir aus Steuermitteln vollständig finanzieren.“ Diese Formulierung findet sich im Koalitionsvertrag nicht mehr.

Ohnehin steht auch die neue Regierung vor dem selben Problem, wie die Ampel-Koalition zuvor: die klammen Haushaltskassen. Wie alle Vorhaben auch, steht der höhere Steuerzuschuss für die Krankenkassen unter dem „Finanzierungsvorbehalt“. Damit könnte die Entlastung der Krankenkassen anderen Zielen zum Opfer fallen, etwa die Übernahme der Rentenbeiträge für pflegende Angehörige, wie die TAZ berichtet. Durch die Übernahme dieser versicherungsfremden Leistungen soll die kriselnde Pflegeversicherung stabilisiert werden.

Übernahme von Beiträgen könnte Bürgergeld-Budget steigen lassen – entgegen dem Sparziel

Die Übernahme der gesamten Krankenkassen-Kosten für Bürgergeld-Beziehende würde jedoch den Posten der Grundsicherung im Bundeshaushalt ansteigen lassen, heißt es im TAZ-Bericht. Dabei ist das Ziel der derzeitigen Politik, bei der Grundsicherung zu sparen. So planen Union und SPD bei der Bürgergeld-Reform etwa höhere Anforderungen und harte Sanktionen, um die Erwerbslosen schneller in Arbeit zu bringen. Der DGB kritisiert dagegen, dass „gute Arbeit“ nicht durch Druck und harte Sanktionen komme.

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