Wie Wagenknecht bei der Europawahl 2024 von Schwächen bei Linke und SPD profitiert

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Ein Sieg bei der Europawahl 2024 für das Bündnis Sahra Wagenknecht, das gerade mal ein halbes Jahr alt ist. Worin liegt der Erfolg? Ein Experte erklärt.

Aus dem Stand macht die Partei-Neugründung von Sahra Wagenknecht bei der Europawahl auf um die sechs Prozent. Wäre es eine Bundestagswahl, wäre das Bündnis Sahra Wagenknecht vertreten. Für den Politologen Prof. Jürgen Falter (Uni Mainz) „ein hervorragendes Ergebnis. Die Partei ist erst vor einem halben Jahr gegründet worden. Sie hat bislang nur eine rudimentäre Organisation und ihre Spitzenkandidaten für die Europawahlen waren eher unbekannt.“

Er glaubt, dass die Partei durchaus Chancen hat, sich auch bei künftigen Wahlen durchzusetzen. „Im Osten wird es wahrscheinlich bei den Landtagswahlen im Herbst noch besser für die Wagenknecht-Partei ausgehen als bei der Europawahl“, so Falter weiter. Auch Professor Werner Weidenfeld (LMU München) bewertet das Ergebnis als Erfolg: „Diese Partei, die es bis vor kurzem ja gar nicht gab, steigt gleich sehr erfolgreich ein. Ein sehr gutes Abschneiden.“

Europawahl 2024: Im Osten ist Wagenknecht sogar doppelt so stark

Ein Blick auf das Ergebnis der Europawahl in den ostdeutschen Bundesländern mit Berlin bestätigt die Einschätzung. Hier kommt das Bündnis auf rund 13 Prozent und landet auf dem dritten Platz hinter der AfD und der Union. Das BSW hat laut Prof. Falter „ein symbolisch relativ zugkräftiges Programm. Eine Mischung aus eher konservativer und rechter Gesellschaftspolitik und linker Programmatik, was Sozial- und Wirtschaftspolitik angeht.“ Das komme bei relativ vielen Menschen gut an, nicht zuletzt auch „bei Arbeitern und unteren Angestellten, die sich von den etablierten Parteien und der Ampelkoalition nicht mehr vertreten fühlen, insbesondere von Teilen der SPD und der Linken, von deren Wokeness sich viele zurückstoßen fühlen, weil diese ganz und gar nicht ihrer Lebenswelt entspricht“, so Falter.

Sahra Wagenknecht
Sahra Wagenknecht konnte ihre Stimmen vor allem bei der Linken und SPD abgreifen. © Fabian Sommer/dpa

BSW zieht besonders von SPD und Linke Wähler und Wählerinnen ab bei der Europawahl

Woher kann das BSW ihre Wählerinnen und Wähler gewinnen? Besonders deutlich konnte Sahra Wagenknecht bei der Linken und SPD abgreifen. Die BSW hat quasi die Linke – zumindest aktuell – zerstört. Laut ZDF-Hochrechnung am Sonntagabend hatten 18 Prozent der BSW-Wähler bei der Europawahl 2019 noch die Linke gewählt und neun Prozent die SPD. Die größte Gruppe, nämlich gut ein Drittel, waren Nichtwähler. Von der AfD kamen nur vier Prozent, das ist mit der FDP die kleinste Gruppe. Dabei glaubten vor der Wahl noch eingie, das BSW könnte der AfD gefährlich werden. Falter: „Das BSW hat besonders von der Linken Wähler abgezogen, aber auch von der SPD. Es ist nicht eingetreten, was viele erhofft hatten: Dass AfD Wähler in hellen Scharen zur BSW wechseln würden.”

Auch bei dieser Wahl zeigt sich, dass bei den jungen Wählern bis 24 Jahre nicht die etablierten Parteien, sondern vor allem die AfD und auch das BSW punkten konnten. Während die Grünen mit minus 24 Prozent im Vergleich zu 2019 bitter verlieren, legt die AfD mit plus 12 und das BSW mit plus 6 gut zu. Falter: „Jungwähler tendieren ohnehin dazu, anders abzustimmen, als die Alten es von ihnen erwarten. Da haben sich Parteibindungen noch nicht festgesetzt. Ihr Wahlverhalten ist im Allgemeinen stärker idealistisch motiviert, was von kleinen Parteien mit ihren radikaleren und manchmal auch abwegigeren Forderungen stärker erfüllt wird als von den etablierten Parteien.“

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