Vorständin warnt: Pflegebeitrag könnte 2025 noch stärker steigen als gedacht

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Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland steigt – und damit auch der finanzielle Druck auf die Kassen. (Symbolbild) © Sven Hoppe/ dpa

Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland steigt – und damit auch der finanzielle Druck auf die Kassen. Der Pflegebeitrag könnte 2025 dann noch weiter ansteigen als bisher erwartet.

Berlin – Bei der Pflege zeichnen sich große Finanzierungslücken ab. So müssen sich die Beitragszahler Anfang 2025 wohl auf eine weitere Erhöhung der Pflegeversicherungsbeiträge einstellen. Nach der DAK rechnet auch der Verband der Ersatzkassen NRW (VdEK) mit einem Anstieg zum Jahreswechsel. Eine weitere Vorständin prognostiziert in einem Bericht sogar eine noch höhere Steigerung als bislang erwartet.

Kassen warnen vor weiterem Anstieg des Pflegebeitrags

„Die Pflegekassen gehen davon aus, dass die Finanzmittel im ersten Quartal 2025 insgesamt weniger als eine Monatsausgabe betragen. Für diesen Fall darf die Bundesregierung den Beitragssatz per Rechtsverordnung anheben“, erklärte der Verband VdEK der Rheinischen Post. „Die Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit des Gesamtsystems macht nach aktueller Datenlage eine Beitragssatzanhebung voraussichtlich schon zu Beginn des Jahres 2025 erforderlich.“

Ähnlich hatte sich Anfang April DAK-Vorstandschef Andreas Storm geäußert. Er sprach von der Notwendigkeit, „den Beitragssatz zur Pflegeversicherung voraussichtlich zum kommenden Jahreswechsel anzuheben – und zwar nach dem derzeitigen Rechenstand um etwa zwei Beitragszehntel“.

Die Pflege steckt finanziell in der Klemme: Bereits 2024 sei ein Minus von 1,4 Milliarden Euro in der sozialen Pflegeversicherung zu erwarten, legen Prognosen des BKK-Dachverbandes laut Wirtschaftswoche nahe. 2025 seien es dann sogar drei Milliarden Euro Minus. Die Vorständin des BKK-Verbands, Anne-Kathrin Klemm, erklärt dem Magazin: „Die Leistungsausgaben sind bereits im ersten Quartal 2024 um zehn Prozent gestiegen.“

Verbandsvorständin Klemm fordert nun, dass die Regierung jetzt gegensteuern müsse. „Spätestens 2025 wird der allgemeine Beitragssatz um 0,63 Prozentpunkte auf 4,03 Prozent steigen, für Kinderlose sogar auf 4,63 Prozent“, so Klemm der Wirtschaftswoche. Damit würde ihren Worten folgend der Pflegebeitrag deutlicher steigen als die bisher prognostizierten 0,2 Prozentpunkte.

Lauterbach sieht keine Chance mehr auf Pflegereform in dieser Wahlperiode

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte am Montag aber deutlich gemacht, dass er keine Chance mehr auf eine Pflegereform in dieser Wahlperiode sieht – obwohl die Zahl der Pflegebedürftigen massiv steigt. Grund dafür seien die unterschiedlichen Ansichten der Ampel-Partner. 

VdEK-Chef Dirk Ruiss nannte dies „mehr als enttäuschend“. Er fordert, die privaten Versicherer in die Pflicht zu nehmen: „Die Verpflichtung der privaten Pflegeversicherung, sich mit einem Finanzausgleich an der sozialen Pflegeversicherung zu beteiligen, könnte zu einer Entlastung von bis zu zwei Milliarden Euro jährlich führen“, sagte er der Rheinischen Post. Zugleich fordert er die Finanzierung der Rentenbeiträge für pflegende Angehörige durch Steuermittel. „Das würde 3,7 Milliarden Euro Entlastung für die Pflegeversicherung bedeuten.“

Eigentlich sollten die Finanzen der Pflegeversicherung bis 2025 abgesichert sein. Dafür hatte der Bundestag im vergangenen Jahr einen Beitragsanstieg für Kinderlose auf 4 Prozent und für Beitragszahler mit einem Kind auf 3,4 Prozent beschlossen. Der Arbeitgeberanteil ging auf 1,7 Prozent herauf. Bei mehr Kindern sinkt der Beitrag. Der Spitzenverband der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen prognostizierte noch im Oktober Handlungsbedarf bei den Beiträgen spätestens für 2025. Tatsächlich zeichnen sich nach Angaben der Experten aber bereits jetzt erhebliche Finanzierungslücken ab. 

Sozialexperte: Pflegebedürftige sollen Pflegekosten das erste Jahr selbst zahlen

Doch wie lassen sich die Finanzierungslücken noch stopfen? Der Freiburger Sozialexperte Bernd Raffelhüschen plädierte für eine einjährige Selbstbeteiligung der Betroffenen an den Kosten. „Die Kostenlawine ist nicht mehr aufzuhalten. Um die Folgen abzumildern, sollte eine Pflege-Karenzzeit schnellstmöglich eingeführt werden“, sagte er der Bild.

Pflegebedürftige müssten dann das erste Jahr die Pflegekosten selbst zahlen. „Erst danach fließen Leistungen aus der Pflegeversicherung.“ Der Ökonom sagte einen stark steigenden Beitragssatz voraus: „Die Pflegeversicherung könnte bis 2040 auf circa sieben Prozent für Kinderlose steigen.“

Medizinischer Dienst erwartet weiter starken Anstieg der Pflegefälle 

Der Medizinische Dienst Bund erwartet währenddessen einen weiteren deutlichen Anstieg der Pflegefälle wegen der Zunahme von Demenzerkrankungen. „Schätzungen zufolge wird sich die Anzahl von Menschen mit Demenz in Zukunft weiter stark erhöhen, sollte kein Durchbruch in Therapie und Prävention erzielt werden“, sagte die stellvertretende Bundesvorstandsvorsitzende Carola Engler der Augsburger Allgemeinen. Die Gutachter der Pflegekassen hätten im vergangenen Jahr 160.000 Erstanträge mehr bearbeiten müssen als im Vorjahr. Insgesamt sei die Zahl der Erstanträge auf 1,35 Millionen gestiegen. 

Lauterbach hatte am Montag vor einem explosionsartigen Anstieg der Pflegefälle gewarnt. Im vergangenen Jahr kamen rund 35 .000 Pflegebedürftige mehr als in den Vorjahren üblich dazu, wie der Spitzenverband der Krankenkassen mitteilte. Die Zahl stieg damit auf 361.000. Mit Material der dpa

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