Gastbeitrag von Kommunikationsexperte: Bayern verliert Wirtz – und zeigt, wie Führung nicht funktionieren darf
Was im Hinterzimmer der Chefetage gärt, stinkt irgendwann bis zur Eingangstür – und manchmal bis in die Kabine. Der FC Bayern hat das gerade am eigenen Leib gespürt: Trotz intensiver Werbemaßnahmen entschied sich Shootingstar Florian Wirtz gegen den Münchener Rekordmeister – nicht wegen des Gehalts, sondern wegen interner Spannungen zwischen Sportvorstand Max Eberl und Trainer Vincent Kompany. Die Folge: ein verlorener Millionen-Deal noch vor dem ersten Gespräch.
Willkommen im Club der selbst sabotierenden Eliten. Ob Fußballverein oder börsennotiertes Unternehmen – wenn die Führung sich nicht einig ist, entsteht Unsicherheit. Und Unsicherheit ist der Feind von Leistung, Loyalität und Attraktivität. Das gilt für Spieler wie für Fachkräfte.
Über Christoph Maria Michalski
Christoph Maria Michalski ist „Der Konfliktnavigator“ – renommierter Streitexperte, Autor des neuen Buches „Streiten mit System – Wie du lernst, Konflikte zu lieben“ und gefragter Redner. Seine praxiserprobten Methoden helfen Führungskräften und Teams, auch knifflige Situationen souverän zu meistern. Mit einem ungewöhnlichen Dreiklang aus Musikpädagoge, Erwachsenenbildner und IT-Profi bringt er Verstand, Gefühl und System in Einklang. Sein Versprechen: weniger Stress, mehr Erfolg, mehr Leichtigkeit. Privat ist er Zauberer, Marathonläufer und Motorradfan – ein lebendiger Beweis dafür, dass Energie und Kreativität keine Gegensätze sind.
Wenn Taktik und Transferpolitik kollidieren
Beim FC Bayern steht aktuell exemplarisch im Raum: Der Vorstand will Prestige-Transfers, der Trainer will ein System formen. Eberl sah in Wirtz den nächsten Weltstar, Kompany hingegen plante mit anderen Spielertypen. Ergebnis: kommunikatives Chaos. Der Spieler spürt das – und entscheidet sich für ein Umfeld, das geschlossen hinter ihm steht.
In der Wirtschaft sehen wir ähnliche Szenarien: Die Geschäftsführung will in neue Märkte expandieren, der Vertriebsleiter blockt – zu riskant. Der CTO pocht auf Innovation, während der CFO auf Sparkurs geht. Wenn keine einheitliche Linie nach außen kommuniziert wird, reagieren Märkte und Mitarbeitende gleichermaßen: mit Zurückhaltung oder mit Flucht.
Beispiel: SAPs Strategie-Wechsel
Bei SAP kam es 2020 zu internen Spannungen über den Kurs der Digitalisierung. Der damalige CEO Bill McDermott trat überraschend zurück, kurz darauf folgten kommunikativ unsaubere Kurswechsel bezüglich der Weiterentwicklung und Vertiefung der bestehenden Cloud-Strategie. Der Aktienkurs sackte ab, das Vertrauen in die Führungscrew war gestört. Nicht wegen falscher Inhalte – sondern wegen uneinheitlicher Kommunikation.
Die stille Macht der Gerüchteküche
Unser Gehirn ist ein Geschichten Erzählungs-Organ. Wenn Führungskräfte keine klare Linie vorgeben, entsteht Raum für Spekulationen. Und Spekulationen werden zur Realität – zumindest emotional. Mitarbeitende „spüren“, wenn Uneinigkeit herrscht. Und das löst Unsicherheiten aus, die direkt auf die Performance schlagen.
In Fußballteams äußert sich das durch Unsicherheiten im Spiel: Wer ist mein Chef? Wer darf was entscheiden? Die Folge sind Fehlpässe – im Unternehmen sind es abgesagte Projekte, gehemmte Meetings oder stille Kündigungen.
Beispiel: Adidas – Shitstorm durch falsche Signale
Im Frühjahr 2020 kündigte Adidas an, wegen der Corona-Krise vorübergehend keine Mieten mehr für seine Filialen zahlen zu wollen – obwohl der Konzern wirtschaftlich vergleichsweise stabil dastand. Während CEO Kasper Rorsted öffentlich betonte, dass dies „ein notwendiger Schritt“ sei, distanzierten sich andere Mitglieder des Vorstands hinter den Kulissen. Es fehlte an einer klar abgestimmten Linie. Die Folge: ein massiver Imageverlust und ein Shitstorm in sozialen Medien.
Der Vorwurf: Ein milliardenschweres Unternehmen entzieht sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung – und wirkt dabei uneinig und unprofessionell. Erst nach massiven Protesten ruderte Adidas zurück und entschuldigte sich öffentlich. Die Kommunikationspanne kostete Reputation, Vertrauen und letztlich auch Kundenbindung.
Loyalität wächst nicht auf verbrannter Erde
Menschen arbeiten nicht für Unternehmen. Sie arbeiten für Menschen – und zwar für solche, denen sie vertrauen. Wenn Führungskräfte sich öffentlich widersprechen, ihre Eitelkeiten vor sich hertragen oder Zuständigkeiten unklar lassen, vergraulen sie Top-Talente.
Florian Wirtz entschied sich nicht gegen Bayern – sondern für ein Team, das ihm Vertrauen, Klarheit und Entwicklungsperspektive bot. Auch im Job bewerben sich die besten Köpfe dort, wo sie keine Angst haben müssen, Spielball interner Machtspiele zu werden.
Beispiel: Der Fall Volkswagen
Die Dauerfehde zwischen VW-Chef Herbert Diess und Teilen des Betriebsrats brachte nicht nur Schlagzeilen, sondern auch Unruhe in die Führungsstruktur. Diess’ Umbau des Konzerns in Richtung Elektromobilität wurde intern ausgebremst – das Unternehmen wirkte wie ein zerstrittener Hühnerhaufen. Das Resultat: Kompetenzverluste, eine vergraulte Tech-Elite und beschädigtes Image.
Die Außenwirkung entscheidet mit
In Zeiten von Glasfassaden und Social Media braucht es nicht mal ein offizielles Statement, um ein Desaster auszulösen. Schon ein missmutiger Gesichtsausdruck beim gemeinsamen Auftritt oder widersprüchliche LinkedIn-Posts können eine Lawine lostreten. Menschen sind sensibel für Zwischentöne – auch (und gerade) auf C-Level.
Das gleiche gilt für Kunden, Investoren oder Bewerber: Wer spürt, dass da intern etwas nicht stimmt, sucht sich Alternativen. Die Konkurrenz schläft nicht – und die Generation Z hat ein feines Radar für toxische Kulturen.
Beispiel: Wirecard – der Vertrauens-GAU
Zwar spielte sich bei Wirecard der Skandal primär in der Bilanz ab, doch die entscheidende Schwächung kam durch das wiederholte Wegducken der Führungsetage, durch gegenseitige Schuldzuweisungen und unklare Statements in der Krise. Die Folge: völliger Vertrauensverlust. Eine Organisation ohne klaren Kurs ertrinkt – erst in Gerüchten, dann in Fakten.
Warum einheitliche Kommunikation der Schlüssel ist
Klartext: Es geht nicht darum, dass alle Führungskräfte immer derselben Meinung sein müssen. Im Gegenteil – Reibung ist ein Wert. Aber Reibung gehört nach innen, nicht nach außen. Nach außen braucht es Klarheit, Kohärenz und ein gemeinsames Narrativ.
Genau das macht den Unterschied zwischen einem funktionierenden Unternehmen und einem Führungs-Zirkus.
In Fußballteams wie in Firmen geht es um Haltung, nicht um Harmonie. Führung darf sich hinter verschlossenen Türen reiben, muss sich aber nach außen als Einheit zeigen. Das ist nicht Schauspiel – das ist Verantwortung.
Fazit: Wer führen will, muss sich sortieren
Der Fall Wirtz ist kein Einzelfall – er ist ein Symbol für das, was schiefläuft, wenn Führung zur Ego-Bühne wird. Unternehmen, die intern zerstritten sind, senden Signale der Schwäche. Die besten Köpfe kommen nicht – oder gehen.
Der Ball liegt in der Chefetage.
Lesetipp (Anzeige)
"Streiten mit System: Wie du lernst, Konflikte zu lieben" von Christoph Maria Michalski
Dieser Beitrag stammt aus dem EXPERTS Circle – einem Netzwerk ausgewählter Fachleute mit fundiertem Wissen und langjähriger Erfahrung. Die Inhalte basieren auf individuellen Einschätzungen und orientieren sich am aktuellen Stand von Wissenschaft und Praxis.