BAP im Circus Krone: Die Feier der alten Zeiten
Sie waren vor 40 Jahren Superstars, und im Circus Krone wird klar, warum: Das Publikum bejubelt BAP und deren Klassiker aus den frühen Achtzigern.
München – Ach, die gute alte Zeit. „Weißte noch?“ So heißt der Song von 1982, den Wolfgang Niedecken launig im ausverkauften Circus Krone ankündigt: „Den haben wir damals zum allerersten Mal in Paderborn gespielt – an dem Tag, an dem Helmut Kohl zum Kanzler gewählt wurde. Trotzdem ein schönes Lied.“ Was der BAP-Chef und das lachende Publikum da noch nicht wissen: Er spielt es am Mittwoch auch an dem Abend, an dem Kanzler Olaf Scholz die Vertrauensfrage ankündigt.

Die alte Zeit ist also nie wirklich besser – noch nicht mal wesentlich anders –, auch wenn BAP ihre Tournee unter das nostalgische Motto „Zeitreise“ gestellt haben. Das weiß auch Niedecken. „Ich wünschte, die Nummer würde irgendwann mal weniger aktuell“, so kündigt er das gespenstisch intensive „Kristallnaach“ an, das von den Mitläufern und Ignoranten handelt, die im Faschismus wie Brandbeschleuniger wirken. Das im Hinblick auf den Nato-Doppelbeschluss getextete „Zehnter Juni“ lasse sich heute prima auf jenen Exodus junger russischer Männer anwenden, die nach Putins Kriegserklärung gegen die Ukraine aus dem Land geflohen seien. „Plant mich bloß nicht bei Euch ein!“, singen der 73-Jährige und die feierwütige Menge unisono.
Denn das ist dieser Abend eben doch: eine Verschnaufpause von der gen Wahnsinn taumelnden Gegenwart, eine Feier der alten Bundesrepublik. BAP spielen heute ihre Alben „Für Usszeschnigge“ und „Vun drinne noh drusse“ komplett. Songs, die nicht nur das Zentralmassiv in Niedeckens Schaffen bilden, sondern neben den Zeugnissen der römischen Colonia Agrippina, dem Dom und dem Karneval zum Kölner Kulturerbe gehören.
Niedecken gibt die alten Anekdoten von der Entstehung der Songs zum Besten, die hier jeder auswendig mitsingen kann
Auf die Idee gekommen sei man bei der letzten Tour, als man ein paar alte Songs ausgemottet habe „und die Leute Tränen in den Augen hatten. Die wurden im Lauf der Konzerte 40 Jahre jünger!“ Und so gibt Niedecken die alten Schnurren von der Entstehung der Songs zum Besten, die hier jeder auswendig mitsingen kann – nicht von allen freilich, „sonst sitzen wir morgen noch hier“. Er lässt Achtzigerjahre-Phänomene wie den brandneuen Waschsalon an der Bonner Straße in Köln („Waschsalong“) und den blasierten Typ im Norweger-Pullover („Müsli Män“) Revue passieren oder erinnert sich an Momente der Kontemplation in Griechenland („Fuhl am Strand“). Das stille Lied habe man überhaupt nur einmal live gespielt, „weil es den Betrieb aufgehalten hätte“, man wollte ja schließlich rocken.

Das tut die neunköpfige Band auch an diesem Abend – sie haut die Klassiker mit großer Verve raus. Axel Müller am Saxofon, Trompeter Christoph Moschberger und Posaunist Johannes Goltz verleihen den Rock-Stücken den Punch von Bruce Springsteens E-Street-Band, Sönke Reich trommelt wie ein Tier, Ulrich Rode entlockt seinen Gitarren feurige Soli (die an mancher Stelle noch effektiver gewesen wären, hätte er sie um ein paar Takte gekürzt).
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Die Band spielt vielseitiger als früher – wenn auch weniger schweißtreibend
Natürlich ist heute alles weniger schweißtreibend als vor 40 Jahren. Aber eben wesentlich vielseitiger. Dafür sorgt nicht zuletzt Anne de Wolff, die vom Kamm bis zur Geige alles spielen kann. Und die vor allem den ruhigen Liedern mit ihrem Cello eine feierliche Gravitas verleiht. Man erinnert sich, was für reife Kompositionen „Jupp“, Do kanns zaubre“ oder „Eins für Carmen un en Insel“ sind. Geschrieben hat sie, wie fast die gesamte Musik heute, Ex-BAP-Gitarrist Klaus „Major“ Heuser, seinerzeit Niedeckens kongenialer Partner.

Manch weniger gut gealterte Albernheiten waren schon auch drauf auf den gefeierten LPs – aber Niedecken duckt sich nicht weg vor dem „Wisch-wasch“-Refrain oder den Kölsch-Coverversionen von „Summertime Blues“ und „Wild Thing“. Sogar eine Jecken-Kapp zieht er sich an – ironisch natürlich, zur Karneval-Hass-Adresse „Nit für Kooche“. „Wellenreiter“ lässt er das Publikum quasi im Alleingang singen, „Jraduss“ will er nicht enden lassen und das frenetisch gefeierte „Verdamp lang her“ kündigt er gewohnt lakonisch als „Lied für meinen Vater“ an. BAP waren vor 40 Jahren Superstars, und heute wird wieder klar, warum.
So ganz versteht’s der Sänger aber immer noch nicht: „Seit fast 50 Jahren sind wir mit einem Dialekt unterwegs, den am Anfang keiner verstand. Und heute singt ihr in diesem Dialekt fehlerfrei unsere Lieder.“ Dann beendet Niedecken seine Zeitreise doch noch mit einem Satz zum Heute: „Versucht, empathisch zu bleiben. Und lasst Euch nicht unterkriegen!“