Bürger überschwemmen Sitzungssaal in Weitnau
Weitnau – Dass die Gestaltung der Ortsmitte, ein länderübergreifender Nahwärme-Verbund und Freiflächen-Photovoltaikanlagen die Bürger von Weitnau bewegen, wurde bei der jüngsten Gemeinderatssitzung deutlich, denn es kamen gut 20-mal mehr Einwohner als sonst.
So etwas hat Bürgermeister Florian Schmid in seiner knapp vierjährigen Amtszeit noch nicht erlebt: Die jüngste Gemeinderatssitzung der Marktgemeinde ist von seinen Bürgern regelrecht überflutet worden. An die 70 drängten sich in den Saal des historischen Amtshauses, sie standen dicht nebeneinander an den Wänden, suchten irgendwo ein Plätzchen, viele versuchten vor den Saaltüren die teilweise hartnäckig geführten Diskussionen der Räte mitzuverfolgen. „Ich bitte um Disziplin“, rief Schmid, um mit der unerwarteten „Bürger-Nähe“ fertig zu werden. Üblicherweise kann das Gemeindeoberhaupt bei Sitzungen höchstens drei bis vier Bürger begrüßen.
Die Themen „Neugestaltung der Dorfmitte Weitnau“, „interkommunale Wärmeplanung mit der Stadt Isny“ und „Freiflächen-Photovoltaikanlagen“ wirkten auf den ersten Blick trocken und spröde. Wie die mehr als zweieinhalbstündige Sitzung zeigte, berühren sie aber den Alltag und das Leben der Weitnauer direkt und hautnah.
Neue Dorfmitte: verweilen oder parken?
Um die derzeit brachliegende Dorfmitte – „’S isch bloß no wüscht!“, kritisierte Rätin Susanne Albrecht – aufzuhübschen und zum attraktiven Verweilareal mit Kaffeetrinken im Freien, Geschäften und naturbelassenem Wellness-Eck umzufunktionieren, soll das frühere Feuerwehrhaus saniert und für den Ortsbäcker und einen Käseladen fit gemacht werden. Der ehemalige Abstellplatz für die Feuerwehrwägen soll optisch ansprechend gestaltet werden – mit wassergebundener Oberfläche und zwölf Parkplätzen am Rande. Kostenpunkt zwischen 680.000 und 860.000 Euro. Viel Geld für die chronisch klamme Marktgemeinde.
Rat Christian Immler gab zu bedenken, dass mehr Parkplätze benötigt würden: „D’ Leut sind bequem, die laufet it weit!“ Kollege Thomas Felder befand „viel zu viel Grün“. Alexander Nowikow und Sebastian Danner konterten: „Was wollen wir in der Dorfmitte – verweilen oder parken? Das ist eine Investition in Lebensqualität, eine echte Bereicherung für Weitnau!“ Bürgermeister Schmid stellte nüchtern fest: „Wir machen nun schon seit zwei Jahren an diesem Thema rum. Wir müssen endlich handeln.“ Auf der nächsten Gemeinderatssitzung am 29. Februar soll endgültig über die Dorferneuerung abgestimmt werden.
Länderübergreifende Nahwärme
Fast eine Stunde lang wurde darüber debattiert, ob sich ein länderübergreifender Nahwärme-Verbund mit den Weitnauer Ortsteilen Kleinweiler und Hofen sowie Bolsternang inklusive Rehaklinik Überruh und den zu Isny gehörenden Dörfern Argen und Großholzleute realisieren lässt. Die Wärme soll mit Biomasse und Wärmepumpen erzeugt und über ein etwa elf Kilometer langes Leitungsnetz an die Bürger verteilt werden. Mit geschätzten 14 Millionen Euro Gesamtkosten ein großes Projekt, das allerdings nicht nur von der Marktgemeinde getragen werden müsste. Als erster Schritt soll nun eine Machbarkeitsstudie durchgeführt werden.
Wohin nur mit den Photovoltaikanlagen?
Weitaus hitziger als beim Thema Wärme ging es bei zwei Anträgen zur Aufstellung von großflächigen Photovoltaikanlagen zu. „Wir haben beschlossen, nur zehn unserer insgesamt 2.500 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche für solche Anlagen bereitzustellen“, betonte Schmid. Die genaue Platzierung der Photovoltaikanlagen sorgte dann für eine heftige Diskussion: Fragen zu Naturschutz, Biotoptauglichkeit, Diversität und nach der möglichen Existenzgefährdung für betroffene Landwirte standen im Raum.
„Wenn ein Bauer ein Viertel seiner Fläche für die Photovoltaik abgeben muss, kann das das Ende des Betriebes bedeuten“, gab ein Gemeinderat zu bedenken. „Große Photovoltaikanlagen machen kleine Bauern kaputt“, warnte Thomas Felder, selbst Landwirt in Weitnau. „Wir müssen auch darauf achten, das Landschaftsbild nicht zu zerstören“, gab Rätin Ulrita Holz aus Wengen zu bedenken.
„Wir stecken beim Thema Freiflächen-Photovoltaik immer im Dilemma“, sagte Schmid. „Es wird dabei immer jemanden treffen, theoretisch können wir alles ablehnen.“ Praktisch geschah das auch: Für die Anträge, an der B12-Ausfahrt bei Hellengerst, am Speckbach, im Gebiet Engelhirsch und Gerholz Photovoltaikanlagen auf den Wiesen zu installieren, gab es keine Mehrheit im Gemeinderat. „Schreiben Sie bitte, dass man trotzdem weiter Anträge stellen kann“, bat Schmid die anwesende Oberallgäuer Presse eindringlich. „Denn wir brauchen in Zukunft auch den Strom aus der Sonne!“