Bürokratie-Wahnsinn in Deutschland: Studie zeigt die bitteren Folgen für die Wirtschaft
Das Bürokratie-Monster Deutschland verschreckt jährlich zahlreiche Unternehmen und kostet den Standort dreistellige Milliardenbeiträge. Eine Studie ermittelt jetzt, wie Betriebe in der Industrie deswegen in existenzielle Schwierigkeiten geraten können.
Bonn – Betriebe klagen seit langem über unverhältnismäßige Dokumentationspflichten in Deutschland. Die Bürokratie frisst mittlerweile entscheidende Ressourcen in Unternehmen. Daraus kann ein erheblicher Wettbewerbsnachteil resultieren. Wie eine Studie des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM), die der WirtschaftsWoche vorliegt, zeigt, sind besonders kleine Betriebe betroffen.
Studie: 3.900 Bürokratie-Pflichten hemmen Unternehmen
„Es sind bemerkenswerte 3.900 Bürokratie-Pflichten, die uns auferlegt werden. Das ist insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen nicht zu leisten“, sagte Maschinenbau-Vizepräsidentin Verena Thies. Die Fixkosten für den bürokratischen Aufwand übersteigen oftmals die Investitionen für Forschung und Entwicklung.
Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) gab die Studie in Auftrag . Die Untersuchung nahm drei Maschinenbauunternehmen mit jeweils 1.700, 500 und 150 Mitarbeitern unter die Lupe. Betrachtet wurde dabei der Aufwand für mitunter Arbeitsschutz und Zeiterfassung, für steuerliche Vorschriften und andere Berichtspflichten sowie für Umweltauflagen.
Das Ergebnis ist erstaunlich: 2023 hat der kleine Betrieb 6,3 Prozent des Umsatzes an die Bürokratie verlorenen – ein Durchschnittsgehalt von 34 der 150 Beschäftigten der Firma. Vorgaben zum Arbeitsschutz, steuerliche Vorschriften etwa zu Abschreibungen oder Nachhaltigkeitsberichte kosten Unternehmen den Großteil der Ressourcen. Zwei Drittel der Vorschriften stammen der Studie nach vom Bund. Derweil fallen 30 Prozent auf die Europäische Union, Länder und Kommunen tragen den geringeren Anteil.

Schwache Konjunktur: Bürokratie kostet 146 Milliarden Euro Wirtschaftsleistung
Nach Angaben der Industrie- und Handelskammer (IHK) kostet deutsche Unternehmen der Bürokratieaufwand 65 Milliarden Euro jährlich. Das ifo-Institut beziffert den Verlust der Wirtschaftsleistung pro Jahr auf 146 Milliarden Euro. Daher gewinnt das Thema Entbürokratisierung an erheblicher Bedeutung für die neue Bundesregierung und die Zukunft des Standortes.
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Nicht nur die Masse der Vorschriften stellt für Betriebe ein Problem dar, auch die Einhaltung erfordert kosten- und zeitintensiven Aufwand. Besonders belastend werden einer IfD-Umfrage nach die umfassenden Berichts- und Dokumentationspflichten sowie die langwierigen Antrags- und Genehmigungsverfahren empfunden. „Die Einhaltung der Vorschriften bindet personelle Kapazitäten, es entstehen erhebliche Kosten, das Haftungsrisiko nimmt zu und Prozesse werden verlangsamt, ohne dass all dies auch nur minimal zur Wertschöpfung beiträgt“, so Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von NiedersachsenMetall.
Immer mehr Unternehmen zieht es deswegen ins Ausland. Wegen zu hoher Kosten wollen mittlerweile einer DIHK-Umfrage zufolge 35 Prozent der Unternehmen ins Ausland – so viele wie seit der Finanzkrise 2008 nicht mehr. „Wenn Unternehmen zunehmend ins Ausland abwandern, weil hohe Energiekosten, lähmende Bürokratie und eine steigende Steuerlast ihnen hierzulande die Luft abschnüren, ist das ein gefährliches Signal“, so Volker Treier, DIHK-Außenwirtschaftschef.
Bürokratieabbau wirkt wie „Konjunkturprogramm“
Deutschland neige dazu, jede Brüsseler Vorschrift noch zusätzlich auszugestalten „Es ist eine deutsche Eigenart, dass unsere Politik Vorgaben aus Brüssel in der Regel nicht nur rasch und vollständig übernimmt, sondern häufig auch noch verschärft“, monierte Schmidt. Das müsse aufhören. „Aktuell überwiegt bei den Unternehmerinnen und Unternehmern der Eindruck, dass der Gesetzgeber ihnen überwiegend mit Misstrauen begegnet und daher alles mittels Vorschriften und Gesetzen regeln möchte“, erklärte Leiterin der IfM-Studie, Siegener Ökonomieprofessorin Friederike Welter.
Angesichts des wachsenden Wettbewerbsnachteils benötige man mehr Flexibilität vom Gesetzgeber. „Wenn die Bürokratie schlanker und digitalisiert wäre, ließen sich nach seriösen Schätzungen locker 30 Prozent Kosten und Zeit sparen“, sagte VDMA-Vize Thies. Dabei sollte jedes Gesetz sich einem Praxistest unterziehen. Zudem müsse bei jedem neu eingeführten Gesetz ein anderes verschwinden. Bürokratieabbau könne da „wie ein Konjunkturprogramm wirken“.