74 Milliarden Euro auf dem Spiel: So bedroht der Fachkräftemangel die deutsche Wirtschaft
Die deutsche Wirtschaft kämpft mit fehlenden Arbeitskräften: Mehr als 200.000 Fachkräfte fehlen im Handwerk, was das Land bis zu 74 Milliarden Euro kosten könnte.
Frankfurt – Ein akuter Fachkräftemangel setzt der Handwerks-Branche zu. Laut Berechnungen des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) fehlen bundesweit etwa 200.000 Fachkräfte in handwerklichen Berufen. Besonders betroffen sind die Bauelektrik, in der rund 18.300 Stellen unbesetzt bleiben, sowie die Kraftfahrzeugtechnik, die mit 16.300 offenen Positionen kämpft.
Auch im Bereich Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik fehlen rund 12.200 Fachkräfte. Obwohl die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge leicht gestiegen ist, kann der gestiegene Bedarf der Unternehmen nicht gedeckt werden. Ein besorgniserregender Trend, den das Institut für Wirtschaft in Köln (IW) beobachtet: Die Nachfrage übersteigt das Angebot zunehmend und stellt das Handwerk vor große Herausforderungen.
Fachkräftemangel: Ohne ausländische Fachkräfte wird es schwierig
Angesichts dieses Fachkräftemangels gewinnt die Integration ausländischer Arbeitskräfte immer mehr an Bedeutung. Besonders syrische Beschäftigte haben sich in den vergangenen Jahren als Ergänzung erwiesen. Der Präsident des Zentralverbands des ZDH, Jörg Dittrich, betont in der WELT die Notwendigkeit, diese Mitarbeiter langfristig zu binden, insbesondere vor dem Hintergrund politischer Veränderungen in Syrien. Trotz bestehender Fachkräfte-Einwanderungsgesetze gibt es in der Praxis immer noch Hindernisse, wie Probleme bei der Visa-Erteilung und bürokratische Hürden in den Ausländerbehörden, die den Prozess erschweren.
Viele weitere Unternehmen setzen schon länger auf die Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland. So hat beispielsweise laut BILD die Projektbau Matthias Regner GmbH aufgrund des Fachkräftemangels begonnen, Bauarbeiter aus Bosnien einzustellen. Diese internationalen Fachkräfte arbeiten zu denselben Bedingungen wie ihre deutschen Kollegen und tragen dazu bei, Personalengpässe zu überbrücken.
Fachkräftemangel umgehen und Handwerksberufe attraktiver gestalten
Die Ausbildungsberufe im Handwerk müssen attraktiver werden, fordern immer mehr Vertreter der Branche. Dazu gehört auch der Lohn. Eine Studie von StepStone untersuchte die Verdienstmöglichkeiten in rund 100 Ausbildungsberufen innerhalb der ersten drei Jahre nach Abschluss. Dabei zeigte sich, dass Industrie- und Handwerksberufe wie Chemikant mit einem Einstiegsgehalt von fast 46.000 Euro besonders lukrativ sind.
Auch Elektroniker und Fluggerätemechaniker zählen mit Gehältern zwischen 42.000 und 43.500 Euro zu den Spitzenverdienern. Trotz dieser attraktiven Vergütungen blieben im Jahr 2023 etwa ein Drittel der Ausbildungsplätze unbesetzt, was auf einen Nachwuchsmangel im Handwerk hindeutet. Für den Ausbildungsstart 2024 blieben laut ZDH über 20.000 Lehrstellen frei.
Der Fachkräftemangel ist also nicht nur auf finanzielle Aspekte zurückzuführen. Neben der Bezahlung spielen weitere Faktoren eine Rolle, darunter die körperliche Belastung, die oft als hoch empfunden wird, sowie die mangelnde gesellschaftliche Anerkennung handwerklicher Berufe.
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Im Nachbarland werden Elektriker dringend gebraucht
Nicht nur Deutschland kämpft mit Fachkräftemangel. Auch in der Schweiz wird händeringend nach Handwerkern gesucht. Eine Studie der Jobbörse Indeed zeigt, dass die Nachfrage nach Elektronikern in den letzten vier Jahren um 710 Prozent gestiegen ist, während bei der Nachfrage nach Anlagenbauern ein Zuwachs von 362 Prozent verzeichnet wurde.
Thomas Kaiser, Vertriebsleiter von Indeed Schweiz, betont in der Schweizer Zeitung Blick, dass diese Entwicklung nicht nur den Fachkräftemangel widerspiegelt, sondern auch die wachsende Bedeutung von Berufen in der Energie- und Technologiebranche, insbesondere im Kontext der Energiewende und Digitalisierung.
Fachkräftemangel könnte Deutschland noch 74 Milliarden Euro kosten
Der Fachkräftemangel hat direkte Auswirkungen auf die Wirtschaft. Projekte verzögern sich oder können nicht realisiert werden, was zu finanziellen Verlusten führt. Unternehmen sind gezwungen, Aufträge abzulehnen oder ihre Produktion zu drosseln. Zudem steigen die Lohnkosten, da Arbeitgeber versuchen, die wenigen verfügbaren Fachkräfte mit höheren Gehältern zu gewinnen. Das kann insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen eine große Belastung darstellen. Laut IW-Studie könnten die Kosten des Fachkräftemangels nämlich bis zum Jahr 2027 noch auf 74 Milliarden Euro ansteigen.
Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel im Handwerk
Um dem anhaltenden Fachkräftemangel im deutschen Handwerk entgegenzuwirken, wurden 2024 verschiedene Initiativen auf den Weg gebracht. Eine zentrale Strategie ist die Förderung der beruflichen Bildung. Der ZDH betont die Notwendigkeit, die Ausbildungskapazitäten zu erweitern und die Qualität der Lehre zu verbessern, um mehr junge Menschen für handwerkliche Berufe zu gewinnen. Dies umfasst auch die Modernisierung von Ausbildungsinhalten und -methoden, um den aktuellen Anforderungen des Marktes gerecht zu werden.
Auf europäischer Ebene hat die EU-Kommission einen Aktionsplan zur Behebung des Arbeits- und Fachkräftemangels vorgestellt. Dieser Plan enthält Maßnahmen in fünf Bereichen, darunter die Förderung von Qualifikationen und die Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) bei der Fachkräftesicherung. Dazu sollen unter anderem die Anwerbung von Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen erfolgen.