EU-Flottengrenzwerte - Von der Leyen will Klima-Regeln für Autobauer lockern - das treibt Tankpreise in die Höhe

Eine mögliche Abschwächung der EU-Regeln für die Pkw-Flottengrenzwerte für CO₂ könnte zu deutlich höheren Spritpreisen und einer Belastung des Systems für Emissionshandel führen. Am Montag hat die Chefin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, vorgeschlagen, die Erfüllung der Grenzwerte von einem auf drei Jahre zu strecken – eine Maßnahme, die nach Kalkulation des Thinktanks International Council on Clean Transportation (ICCT) zu etwa 50 Millionen Tonnen mehr CO₂-Emissionen führen kann. Und wenn der für den 5. März avisierte Aktionsplan des EU-Kommissars für nachhaltigen Verkehr, Apostolos Tzitzikostas, dafür sorgt, dass in der Summe mehr Autos mit Verbrennungsmotor auf den Markt gelangen, könnte das wegen knapperer CO₂-Zertifikate im ETS 2 zu höheren Preisen für Benzin und Diesel führen. Dies brächte eine Belastung für die Verbraucher und möglicherweise Druck darauf, auch die Regeln des ETS 2 zu verwässern.

Von der Leyen will Klima-Regeln für Autobauer lockern - das treibt Tankpreise in die Höhe

Um das Problem drohender Strafzahlung für europäische Autobauer zu entschärfen, hat die EU-Kommission den „Strategischen Dialog über die Zukunft der europäischen Automobilindustrie“ ins Leben gerufen. Mit dabei ist vor allem die Autoindustrie, Zulieferer, aber auch die Verbraucherschutzorganisation BEUC sowie Transport & Environment, Europas Dachverband für sauberen Verkehr. Von der Leyen hat in ihrem Wettbewerbs-Kompass angekündigt, „sofortige Lösungen zu finden, um die Investitionsfähigkeit der Industrie zu sichern, indem wir mögliche Flexibilitäten prüfen“.

Das Problem: Nach Schätzungen könnten große europäische Hersteller 2025 ihre verschärften Flottengrenzwerte für CO₂ überschreiten. Um fällige Strafzahlungen zu vermeiden, müssen die meisten Autohersteller den Absatz emissionsarmer oder -freier Fahrzeuge erhöhen. Im Januar sind die Verkäufe für E-Autos in wichtigen europäischen Märkten bereits gestiegen. Beobachter vermuten, dass die Anreizwirkung der Flottengrenzwerte funktioniert. Laut Analyse des ICCT müsste der E-Auto-Anteil an den Pkw-Verkäufen im Durchschnitt aller Hersteller 2025 auf 28 Prozent steigen. 2023 lag der Anteil bei 16 Prozent. Das erforderliche Absatzwachstum sei zwar „in Reichweite“, so ICCT, allerdings fordere es die Hersteller in unterschiedlichem Maß. Während der Nachholbedarf bei VW groß ist, können Mercedes und vor allem BMW ihre Limits vergleichsweise leicht erreichen.

Strafzahlungen an Brüssel drohen

Wenn die Hersteller dennoch ihre Werte überschreiten, drohen nach EU-Recht Strafzahlungen. Die könnten insgesamt bis zu 15 Milliarden Euro betragen. Der Grund für die Regelung: Pkw und leichte Nutzfahrzeuge steuern 15 Prozent zu den CO₂-Emissionen der EU bei, jährlich mehr als 500 Millionen Tonnen. Um zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt zu werden, hat die EU 2019 den Green Deal als „unsere neue Wachstumsstrategie“ beschlossen, wie es von der Leyen damals nannte. Demnach müssen auch die Pkw-Emissionen drastisch sinken. Und diese Vorschriften haben eine längere Geschichte: Nachdem zuvor eine Selbstverpflichtung der Autoindustrie gescheitert war, hatte die EU bereits vor fast 20 Jahren jedem Autohersteller einen verbindlichen CO₂-Wert für die von ihm verkaufte Fahrzeugflotte verordnet. Unternehmen, die den Grenzwert reißen, müssen zahlen: 95 Euro für jedes Gramm oberhalb des Grenzwerts, multipliziert mit der Anzahl der verkauften Fahrzeuge. Bis Ende 2024 lag der Flottengrenzwert bei durchschnittlich 110 Gramm CO₂ pro Kilometer, seitdem gelten die neuen, im Rahmen des Green Deal verschärften Werte: 94 Gramm ab 2025, 50 Gramm ab 2030. Von 2035 an soll den Auspuffrohren gar kein CO₂ mehr entweichen dürfen. Das lässt sich nach Lage der Dinge nur mit Elektro-Pkw erreichen, 2035 gilt deshalb als Jahr des „Verbrenner-Aus“.

Es gibt starken Widerstand gegen diese Regelungen. Unter anderem der europäische Automobilverband (ACEA), Bürgermeister wichtiger Automobilstandorte und die EVP-Fraktion im Europäischen Parlament machen Druck. Denn die europäischen Hersteller verlieren gegenüber der chinesischen Konkurrenz an Bedeutung, sehen sich möglichen Zöllen der USA gegenüber und müssen eine beispiellose Transformation vom Verbrenner- zum Elektroantrieb stemmen. Außerdem findet die europäische Bevölkerung den Klimaschutz nicht mehr ganz so wichtig.

Die Hersteller haben aktuell folgende Handlungsalternativen:

  • Sie senken die Verkaufspreise und forcieren den Verkauf ihrer E-Pkw, um Strafzahlungen zu vermeiden.
  • Sie bilden einen Pool mit Konkurrenten, die ihre Grenzwerte bereits übererfüllen.
  • Sie zahlen die Strafen.

Neuer Tank-Preis: Ab 2027 droht ein 1-Euro-Aufschlag

Sämtliche Alternativen gehen zu Lasten des Gewinns. Deshalb kommt eine vierte Alternative ins Spiel: Die Rechtslage verändern. Das Freiburger Centrum für Europäische Politik (CEP) hat im Auftrag von ACEA Vorschläge ersonnen: Zielwerte verschieben, Grenzwerte lockern, Korrekturfaktoren einbauen – so lauten einige der Ideen. Emissionen, die mit entschärften Flottengrenzwerten nicht mehr vermieden werden könnten, „müssten dann über ETS 2 reduziert werden“, heißt es in dem CEP-Papier.

Das aber würde bedeuten, die Last zumindest teilweise auf die Verbraucher zu verschieben. Denn laut ETS 2, der in Europa ab 2027 eingeführt wird, brauchen Mineralölkonzerne in Zukunft Emissionszertifikate, wenn sie Diesel und Benzin verkaufen wollen. In Deutschland löst das System die für den Verkehr geltenden CO₂-Festpreise ab, die bisher beim Tanken fällig werden: Seit Januar 2025 sind das 55 Euro pro Tonne CO₂, das entspricht knapp 16 Cent pro Liter Benzin und gut 17 Cent pro Liter Diesel. Ab 2027 ist unter dem ETS 2 mit sehr viel höheren CO₂-Aufschlägen zu rechnen: mit bis zu 380 Euro pro Tonne CO₂, so Experten. Pro Liter wäre das mehr als ein Euro. Selbst wenn der Aufschlag nur halb so hoch ausfiele, drohten lautstarke Proteste wie vor einigen Jahren die Gelbwesten-Bewegung in Frankreich.

Denn das ETS-System ist direkt mit der CO₂-Flottenregelung verknüpft: Je mehr Verbrenner noch verkauft werden, desto höher steigt die Nachfrage nach den CO₂-Zertifikaten. Das treibt deren Preis in die Höhe. Und damit auch den Preis von Benzin und Diesel. Die neuen Vorschläge der EU-Kommission werden deshalb mit Spannung erwartet. Sie sollen eine Lösung für das Dilemma zwischen Verbraucherschutz, Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit der Autoindustrie präsentieren.

Von Fritz Vorholz

Das Original zu diesem Beitrag "EU-Flottengrenzwerte: Warum eine Verwässerung teuer für die Verbraucher werden kann" stammt von Table.Briefings.