„Unterstützung auf Rinnsal geschrumpft“ - Trump stoppt Militär-Hilfe: „Die Ukraine hat sechs Monate, bis es auf Schlachtfeld auswirkt“

Drei Tage nach dem Eklat im Oval Office hat US-Präsident Donald Trump den Streit mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj weiter eskaliert. Am Montagabend ordnete er US-Medien zufolge eine „Pause“ bei der US-Militärhilfe für die Ukraine an.

Ein Regierungsbeamter ließ sich mit den Worten zitieren, Trump konzentriere sich darauf, ein Friedensabkommen zu erreichen, um den Krieg zu beenden, der durch den russischen Einmarsch in der Ukraine vor mehr als drei Jahren ausgelöst worden war.

Der Präsident wolle, dass Selenskyj sich diesem Ziel „verpflichtet“. Daher werde die Hilfe ausgesetzt und überprüft, um „sicherzustellen, dass sie zu einer Lösung beiträgt“.

"Schon jetzt ist die US-Unterstützung für die Ukraine auf ein Rinnsal geschrumpft" Dan Hamilton, Außenpolitik-Experte an der Johns Hopkins University in Washington, DC.

Die „New York Times“ berichtete, die Anordnung trete sofort in Kraft. Wie lange die „Pause“ dauern wird und wie ein Kompromiss aussehen könnte, war am Montagabend unklar. Sollten die USA die Ukraine aber dauerhaft fallen lassen, wären die Konsequenzen dramatisch.  

Peter Rough, Europa-Experte beim Hudson Institute in Washington, sagt, Trumps Vorgänger Joe Biden habe noch kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Amt Waffen und Munition im Wert von mehr als einer Milliarde Dollar durch die sogenannte „Presidential Drawdown Authority“ (PDA) genehmigt.

Dies ermöglicht es dem US-Präsidenten, im Falle eines unvorhergesehenen Notfalls sofort Ausrüstung und militärische Unterstützung aus Lagern oder Vorräten des US-Verteidigungsministeriums an Verbündete zu senden.

  • Peter Rough leitet das Center on Europa beim konservativen Hudson Institute in Washington, DC.

´„Damit sollte dem Trump-Team die Möglichkeit gegeben werden, Fuß zu fassen, während gleichzeitig sichergestellt wurde, dass die USA die Ukraine ununterbrochen mit Waffen versorgen“, sagt Rough. Die neue Anordnung Trumps werde diese nahtlosen Lieferungen nun unterbrechen.

Rough geht zudem davon aus, dass auch die Ukraine Security Assistance Initiative (USAI) gestoppt wurde, worüber die Ukraine Waffen direkt von US-Herstellern bezieht. Dabei geht es um mehrere Hundert Millionen Dollar.

„Dies sind die beiden großen Konten für die Unterstützung der Ukraine. Beide sind jetzt eingefroren“, sagt der Experte.

  • Dan Hamilton ist Politikwissenschaftler und Außenpolitik-Experte an der Johns Hopkins University in Washington, DC.

„Schon jetzt ist die US-Unterstützung für die Ukraine auf ein Rinnsal geschrumpft, und es ist unklar, inwieweit und wann der Kongress weitere Hilfen genehmigen würde“, sagt Dan Hamilton, Außenpolitik-Experte an der Johns Hopkins University in Washington, DC. Seit Trumps Amtsantritt wurde kein neues Hilfspaket für die Ukraine auf den Weg gebracht.

Unter Biden waren die Vereinigten Staaten der wichtigste Unterstützer und Waffenlieferant der Ukraine. Im Zeitraum zwischen der russischen Invasion im Februar 2022 und dem Regierungswechsel in Washington am 20. Januar 2025 haben die USA nach Angaben des Außenministeriums 65,9 Milliarden Dollar an Militärhilfe für die Ukraine bereitgestellt.

Viele Waffen aus Bidens Amtszeit noch nicht geliefert

Dazu gehören Luftverteidigungsausrüstung, Gewehre, Munition, lasergesteuerte Raketensysteme, Hubschrauber, Hunderttausende von Artilleriegeschossen, Panzer, Boote und mehr. Einschließlich der humanitären und finanziellen Hilfe hat der Kongress seit 2022 insgesamt 174,2 Milliarden Dollar für die Ukraine bewilligt.

Laut einem Bericht des Center for Strategic and International Studies (CSIS) befindet sich die unter Biden zugesagte Ausrüstung im Wert von mehreren Milliarden Dollar in verschiedenen Stadien der Lieferkette. Demnach vergehen von der Ankündigung eines Waffenpakets bis zum Abschluss der Lieferung in der Regel etwa acht Monate.

Aller Voraussicht nach wurde also vieles von dem, was Biden in seinem letzten Amtsjahr versprochen hat, noch nicht geliefert – auch wenn das Pentagon versucht hat, die Lieferungen in Bidens letzten Wochen zu beschleunigen. Die Lieferung von Waffen, die nicht aus vorhandenen Beständen, sondern von amerikanischen Rüstungsunternehmen stammen, kann sogar mehrere Jahre dauern.

Die Lage könnte aber noch viel dramatischer für die Ukraine werden. Denn das Land ist nicht nur in Bezug auf Waffen und Bargeld auf die Vereinigten Staaten angewiesen. Das ukrainische Militär verlässt sich auch stark auf das Starlink-Satelliten-Internet-System von Elon Musks SpaceX. Im vergangenen Jahr waren landesweit rund 42.000 Starlink-Terminals in Betrieb.

Ukraine ist angewiesen auf US-Geheimdienste

Zudem ist das ukrainische Militär auch von den Informationen der US-Geheimdienste abhängig, unter anderem für gezielte Drohnenangriffe. Ob auch diese Formen der Zusammenarbeit ausgesetzt oder beendet werden, ist offen.

Die Europäer haben bereits angekündigt, anstelle der USA einspringen zu wollen – keine leichte Aufgabe. „Europa muss unverzüglich eine Finanzlücke von 25 Milliarden Dollar an Militärhilfe schließen“, sagt Außenpolitikexperte Dan Hamilton. Das sei machbar. „Norwegen könnte diese Lücke ganz einfach selbst füllen, wenn es sich entschließen würde, mehr für die Ukraine zu tun.“

Europa müsse aber auch die von den USA geleistete Unterstützung in den Bereichen Kommunikation, Lufttransport und Luftabwehr übernehmen“, sagt Hamilton weiter. „Das ist eine große Herausforderung, da die europäischen Kapazitäten in diesen Bereichen begrenzt sind.“

Zögerlich dürfen sich die Europäer dabei nicht geben: „Die Ukraine hat etwa sechs Monate Zeit, bevor sich die fehlende US-Unterstützung auf dem Schlachtfeld bemerkbar macht“, sagt Hamilton. In diesem Zeitfenster müsse Europa handeln.

Von Juliane Schäuble