Spannungen zwischen Russland und der Türkei: Putin warnt Erdogan vor Abbruch der Wirtschaftsbeziehungen
Die Türkei will den Brics-Staaten beitreten. Das aber scheint derzeit schwierig zu sein. Vor allem Russland dürfte damit ein Problem haben – aus gutem Grund.
Ankara – Erneut steht eine Mitgliedschaft der Türkei in der BRICS-Gruppe zur Debatte. Außenminister Hakan Fidan hatte zu dem Thema bei seinem jüngsten Besuch am Dienstag (5. Juni) in China gesprochen. Laut Politikexperte Berthold Kuhn liegt darin eine weitere Entwicklung in Richtung multipolarer Weltordnung. Die Türkei würde damit den erwünschten „neuen Platz“ in der Weltordnung bekommen.
Immer wieder hatte Präsident Recep Tayyip Erdogan in den vergangenen Jahren gesagt, dass die Welt größer als fünf ist. Gemeint ist damit der Weltsicherheitsrat der UN und ihre fünf ständigen Mitglieder. Der Traum, dass die Türkei auch einen ständigen Sitz im UN-Weltsicherheitsrat bekommt, hat sich bisher allerdings nicht erfüllt.
Türkei erhofft sich Vorteile durch Brics-Mitgliedschaft
Doch eine Mitgliedschaft in den BRICS-Staaten würde der Türkei auch andere Vorteile bringen, sagte Kuhn in einem Focus-Interview. So könnte die Türkei ihre Souveränität durch mehr Unabhängigkeit von westlichen politischen und wirtschaftlichen Staaten stärken wollen und durch die Zusammenarbeit mit BRICS-Staaten „Alternativen zu westlich dominierten Finanzsystemen“ und internationalen Regeln finden.
Darüber hinaus, so Kuhn weiter, „könnten Investitionen und Handel gefördert werden, da BRICS-Mitglieder oft an gemeinsamen Entwicklungsprojekten arbeiten und gegenseitig in ihre Volkswirtschaften investieren“. Auch könnte sich die Türkei dadurch Zugang zu technologischen Innovationen und Know-how aus den Mitgliedsländern verschaffen, vor allem aus China und Indien.

Nachteile für die EU durch Brics-Mitgliedschaft der Türkei
Eine Brics-Mitgliedschaft der Türkei könnte zu erhöhten Spannungen mit der EU führen, warnt der Experte aber. Auch die Handelsbeziehungen zur EU könnten beeinflusst werden. „Es besteht die Möglichkeit, dass türkische Unternehmen verstärkt in Brics-Länder exportieren und importieren, was zu einer Veränderung der Handelsströme führen könnte.“
Auch auf die EU-Außenpolitik könnte es Auswirkung für den Fall der Mitgliedschaft haben. „Zudem könnte die Türkei durch eine Brics-Mitgliedschaft an Einfluss in globalen Institutionen gewinnen, was auch Auswirkungen auf die EU und die Außenpolitik der EU Mitgliedstaaten hätte“, so Kuhn
Eine Brics-Mitgliedschaft der Türkei ist derzeit kaum möglich
Allerdings scheint eine Brics-Mitgliedschaft der Türkei augenblicklich kaum möglich. „Die Brics-Mitgliedschaft kann der Türkei, die sich in einer wirtschaftlich schwierigen Situation befindet, sicherlich zugutekommen, aber für andere Mitglieder kann sie eher als wirtschaftliche Belastung denn als Beitrag verstanden werden“, sagt der Moskauer Politikwissenschaftler Dr. Kerim Has im Gespräch mit FR.de von IPPEN.MEDIA. „Aus diesem Grund glaube ich nicht, dass die BRICS-Länder einer Mitgliedschaft der Türkei sehr wohlwollend gegenüberstehen werden, insbesondere in dieser Zeit der Wirtschaftskrise.“
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Putin warnt die Türkei
Zudem scheinen die Beziehungen zwischen Russland und der Türkei angespannt zu sein. Der russische Präsident Wladimir Putin warnte bei einer Pressekonferenz beim St. Petersburg International Economic Forum, sich dem Druck des Westens zu beugen und sich dem Embargo gegen sein Land anzuschließen. „Die türkische Wirtschaftsführung hat sich in letzter Zeit darauf konzentriert, Kredite, Investitionen und Zuschüsse von westlichen Finanzinstitutionen zu erhalten“, so Putin. „Das ist wahrscheinlich keine schlechte Sache. Aber wenn dies auf die Einschränkung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit Russland zurückzuführen ist, dann wird die türkische Wirtschaft mehr verlieren als gewinnen.“
Türkei-Besuch von Putin kein Thema mehr
Der Moskauer Politikwissenschaftler Has sagt, dass Putin die Türkei offenbar schon im Februar besuchen wollte. „Dann hieß es aus dem Kreml, der Besuch sei für Ende April, Anfang Mai geplant, aber der russische Präsident hat die Türkei immer noch nicht besucht. Ein wichtiger Grund dafür ist offenbar, dass die Verhandlungen über die Umwandlung der Türkei in einen Energieumschlagplatz für russisches Gas noch zu keinem Ergebnis geführt haben. Es ist geplant, dass mehr russisches Gas über die Türkei nach Europa gelangt. Ein weiterer Grund ist, dass sich die Türkei in letzter Zeit in der Praxis stärker an die westlichen Handels- und Wirtschaftssanktionen gegen Russland gehalten hat.“ In letzter Zeit sei zudem zu beobachten, dass es für russische Unternehmen und Unternehmer schwierig ist, Konten bei türkischen Banken zu eröffnen.
Die Türkei steckt in einer Zwickmühle. Gerade angesichts der Wirtschaftskrise in dem Land sucht es dringend nach ausländischen Investoren und muss sich entscheiden. Eine Abkehr vom Westen aber könnte für Ankara katastrophale Folgen haben. Schließlich ist die Türkei weiterhin Nato-Mitglied und EU-Beitrittskandidat. (erpe)