Putin provoziert das Baltikum: Nato-Jets müssen mehrfach eingreifen
Russische Militärflugzeuge drangen in internationalen Luftraum ein: NATO-Jets begleiteten sie – die Vorfälle gelten als Machtdemonstration Moskaus.
Vilnius – Der Ukraine-Krieg bleibt auch fernab der Frontlinie spürbar: Wie das litauische Nachrichtenportal LRT unter Berufung auf das Verteidigungsministerium berichtet, starteten NATO-Kampfflugzeuge in der vergangenen Woche dreimal, um Militärmaschinen des russischen Präsidenten Wladimir Putin über der Ostsee zu identifizieren und zu begleiten. Die russischen Flugzeuge hatten demnach gegen internationale Flugregeln verstoßen.
Am vergangenen Dienstag (30. September) seien Jets der Allianz aufgestiegen, um zwei Transportflugzeuge des Typs AN-12 zu identifizieren. Diese waren mit eingeschaltetem Radar unterwegs, verfügten jedoch über keinen eingereichten Flugplan. Sie flogen vom russischen Festland durch internationalen Luftraum in Richtung der russischen Exklave Kaliningrad und hielten dabei Funkkontakt mit dem regionalen Flugsicherungszentrum (RATC).
Russische Flugzeuge ohne Plan – NATO reagiert
Ebenfalls am Dienstag identifizierten NATO-Piloten ein weiteres russisches Transportflugzeug vom Typ AN-72. Auch dieses flog mit eingeschaltetem Transponder, aber ohne Flugplan. Wie LRT berichtet, bestand kein Funkkontakt mit der Flugsicherung. Zur Eskorte stiegen vier SU-30- und zwei MIG-31-Kampfflugzeuge aus Kaliningrad auf – allerdings ohne Transponder, ohne Flugplan und ohne Funkkontakt.
In einem weiteren Vorfall starteten NATO-Maschinen, um eine SU-35 abzufangen. Am 1. Oktober identifizierten sie zudem ein taktisches Aufklärungsflugzeug vom Typ SU-24MR, das ohne eingeschalteten Transponder und ohne Flugplan unterwegs war und ebenfalls keinen Funkkontakt zur Flugsicherung hielt. Das Verteidigungsministerium betonte, die NATO-Luftraumüberwachung im Baltikum reagiere regelmäßig auf solche Verstöße russischer Flugzeuge. Derartige Einsätze gehören zum Routinebetrieb der Allianz im Rahmen der sogenannten „Air Policing Mission“.
Was ist die Air Policing Mission der NATO?
Die Luftraumüberwachung (Air Policing) der NATO ist eine Friedensmission. Es ist das Ziel, die Sicherheit des Luftraums der Bündnisstaaten zu gewährleisten. Dabei handelt es sich um eine kollektive Aufgabe, die „kontinuierliche Präsenz – 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr – von Kampfflugzeugen und Besatzungen erfordert, die bereit sind, schnell auf mögliche Luftraumverletzungen zu reagieren“. (Quelle: NATO)
Militärausgaben steigen: Russland provoziert weiter
Zuletzt hatte der Senior Policy Fellow des European Council on Foreign Relations (ECFR) das Baltikum als wahrscheinlichstes Angriffsziel Wladimir Putins bezeichnet. Die Sorge vor einer weiteren Eskalation wächst – auch wegen wirtschaftlicher und militärischer Entwicklungen in Russland.
Auffällig ist, dass das Regime in Moskau die Mehrwertsteuer erhöht hat: Nach Informationen des unabhängigen, russischen Nachrichtenportals Meduza sollen die zusätzlichen Einnahmen vor allem in den Verteidigungsetat fließen. Wie das ukrainische Fachportal Defense Express berichtet, plant die russische Regierung für die Jahre 2025 bis 2027 Militärausgaben in Höhe von rund 394,6 Milliarden US-Dollar.
Angesichts der jüngsten Luftraumverletzungen über Polen, Dänemark und Estland warnen nun auch deutsche Sicherheitsexperten. „Russland will provozieren. Russland will zeigen, dass es sich von den Entscheidungen der NATO – etwa zur Stärkung der Luftverteidigung an der Ostflanke – nicht einschüchtern lässt“, sagte der Politikwissenschaftler Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr München gegenüber der Tagesschau24. Die Vorfälle, bei denen russische Kampfjets mehrfach gegen internationale Flugregeln verstießen, werden in Vilnius, Warschau und Brüssel als bewusste Machtdemonstration interpretiert.
Litauen im Fokus: NATO und Russland im Konflikt
Besonders im Fokus: Nur einen Tag vor dem Start der NATO-Jets am 30. September war der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius zu Gast im litauischen Rukla. Dort übergab die litauische Regierung eine neue Logistikbasis an die Bundeswehr – ein Projekt im Wert von rund 71 Millionen Euro, das vollständig von Deutschland finanziert wurde.
Pistorius hatte bereits im Sommer 2023 überraschend angekündigt, eine ständige Bundeswehrbrigade in Litauen stationieren zu wollen. Das baltische Land liegt strategisch heikel zwischen der russischen Exklave Kaliningrad und dem belarussischen Vasallenstaat Belarus und verfügt selbst nur über begrenzte militärische Kapazitäten.
Interesse von Bundeswehrsoldaten an Litauen-Einsatz „sehr hoch“
Nach Angaben des Verteidigungsministeriums sind derzeit rund 400 Soldatinnen und Soldaten der sogenannten „Brigade Litauen“ vor Ort stationiert. Bis Ende des Jahres soll ihre Zahl auf etwa 500 anwachsen. 2026 werde die Brigade planmäßig weiter aufgestellt, sodass gemeinsam mit der bereits vorhandenen multinationalen Battlegroup bis Mitte 2026 rund 2.000 Angehörige in Litauen dienen sollen.
Noch können weder das Panzerbataillon 203 aus Augustdorf noch das Panzergrenadierbataillon 122 dauerhaft nach Litauen verlegt werden. Ab 2026 sollen jedoch beide Verbände regelmäßig dort üben. Nach Angaben des Ministeriums konnten bislang alle Dienstposten mit Freiwilligen besetzt werden – das Interesse sei, so heißt es, „sehr hoch“. Doch das ambitionierte Projekt stößt nicht überall auf Zustimmung. Innerhalb der Bundeswehr und auch in Teilen der Regierungskoalition gibt es Skepsis. Kritiker warnen, die neue Brigade müsse mühsam aus bestehenden Truppenteilen zusammengestellt werden – und das zu einer Zeit, in der die Bundeswehr ohnehin stark belastet sei und neue NATO-Verpflichtungen stemmen müsse. (Quellen: LRT, Landesschutzministerium der Republik Litauen, tagesschau24, Meduza, RND, Defense Express, European Council on Foreign Relations, Bundesministerium der Verteidigung, frühere Berichterstattung) (kox)