FOCUS online vor Ort bei den US-Wahlen - „Wehrlos gegen Trump“: Ausgerechnet Schwarze Männer werden zum Problem für Harris

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Ulf Lüdeke / FOCUS online "Ein paar schwarze Jungs sind ganz schön stolz auf ihre Hautfarbe", sagt Wande aus Atlanta.

Kamala Harris ist schwarz und eine Frau – zwei Eigenschaften, die bei bestimmten Wählergruppen ein Vorteil bei der Präsidentschaftswahl sein sollten.  Doch der Zuspruch von Schwarzen ist deutlich geringer als der für Joe Biden. FOCUS online hat Schwarze in Atlanta nach möglichen Gründen gefragt.

Als Kamala Harris nur wenige Tage nach dem altersbedingten Rückzug von US-Präsident Joe Biden aus dem Wahlkampf als neue Kandidatin feststand, brach im Lager der Demokraten große Euphorie aus. Die Zustimmung war gewaltig, wochenlang lag die 59-jährige einstige Generalstaatsanwältin aus Kalifornien in nationalen Umfragen mehrere Prozentpunkte vor ihrem Konkurrenten, Ex-Präsident Donald Trump.

Gut drei Wochen vor der Wahl ist der Vorsprung allerdings verpufft. Einer neuen Umfrage des TV-Senders NBC zufolge liegen beide Kandidaten bei 48 Prozent. Nun rückt eine Schwäche von Harris in den Fokus, die auf den ersten Blick kaum nachvollziehbar scheint. Denn ausgerechnet bei Schwarzen scheint Harris laut der Umfragen deutlich weniger zu punkten als Joe Biden. Und ganz besonders gilt das bei Schwarzen Männern.

Holte Biden bei der letzten Wahl 2020 fast 90 Prozent aller Wählerstimmen von Schwarzen, stehen derzeit hinter Harris nur 78 Prozent. Und bei den Männern sind es laut einer brandaktuellen Studie des TV-Senders CNN nur 50 Prozent. Biden war noch auf 71 Prozent gekommen, Hillary Clinton im Jahr 2016 auf 69 Prozent.

Doch wie erklären sich Schwarze Männer in Atlanta, der Hauptstadt von Georgia, einem der wichtigsten Swing States bei der Präsidentschaftswahl, die Zahlen?

Alam Thomas glaubt, dass vor allem Fake News und schlechte Ausbildung dazu führen, dass schwarze Männer Probleme mit Kamala Harris als US-Präsidentin haben.
Ulf Lüdeke / FOCUS online Die Politikwissenschaftler Alan Thomas glaubt, dass vor allem Fake News und schlechte Ausbildung dazu führen, dass schwarze Männer Probleme mit Kamala Harris als US-Präsidentin haben.
 

„Schlecht Ausgebildete sind wehrlos gegenüber Fake News zu Harris“

Alan Thomas hat eine einfache Erklärung. „Ich glaube, das liegt vor allem an den Fake News, die im Internet über Kamala Harris verbreitet wird. Zum Beispiel, dass sie in ihrer Zeit als Generalstaatsanwältin eine Menge Männer zu Prostituierten gemacht haben soll.“

Thomas, Ende dreißig, fällt in einem kleinen Park an einer Universität mitten in Downtown Atlanta schon von weitem auf. Gut 100 Studenten, die an Tischen auf dem Rasen sitzen, schielen immer wieder zu dem in weißer Hose, schwarzem Hemd und knallgelbem Sakko gekleideten Mann.

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Doch Thomas weiß, wovon er spricht. Denn er selbst ist Ex-Student der Uni und hat dort einen Abschluss in Politikwissenschaften gemacht. „Natürlich ist das totaler Unsinn, was da über Harris verbreitet wird. Das Problem ist jedoch, dass es viele Schwarze Männer gibt, die nicht über eine ausreichend gute Ausbildung verfügen. Sie wissen nicht, wie man solche Fake News von echten Fakten unterscheiden kann, sind wehrlos - und glauben diesen Mist. Mit diesem tragischen Ergebnis“, so Thomas.

„Ein paar betrachten Kamalas Kandidatur noch mit Sklavenmentalität“

Zwei Häuserblocks vom Hurt Park entfernt bleibt Gary, der seinen Nachnamen nicht nennen will, kurz mit einer Kollegin stehen. „Oh, es gibt Schwarze Männer, die betrachten diese Kandidatur noch immer mit einer Art Sklavenmentalität. Sie kommen einfach immer noch nicht damit klar, dass Frauen heutzutage einfach alles werden können, was auch Männer werden. Eine Frau als Präsidentin passt einfach nicht zu ihrem völlig antiquierten Weltbild“, sagt Gary.

Ihm fällt auch noch ein zweiter Grund ein: „Viele Schwarze Männer trauen ihr nicht, weil sie Generalstaatsanwältin war.“ Sie sei einigen Männern nicht sympathisch, wie sie damals bei ihrer Kandidatur als Staatsanwältin in Kalifornien für sich geworben mit einem „Rekord an Verurteilungen“ geworben habe. Doch diese Bedenken hätten nur vier, maximal fünf Prozent unter dem männlichen schwarzen Wähler, sagt Gary, bevor er dann hastig mit seiner Kollegin verschwindet.

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„Harris scheint zwar sympathisch, wird aber entscheidende Dinge nicht liefern“

Coleman Mortante hingegen, der in einer grünen Dienstuniform eines christlichen Krankenpflegediensts an der Straße steht und gerade eine kleine Pause macht, gesteht zwar zu, dass Kamala Harris gute Absichten habe, sie aber nicht halten werde, falls die Amerikaner sie zur neuen Präsidentin wählen. „Sie scheint zwar auf den ersten Blick sympathisch, aber ich glaube, bei den entscheidenden Dingen wird sie nicht liefern“, sagt der ältere Mann.

Mit “entscheidenden Dingen" meint Mortante vor allem Themen wie „niedrigere Preise, eine effektivere medizinische Betreuung, mehr juristische Gerechtigkeit“. Für Mortanti allesamt Punkte, „die Trump besser umsetzen kann, weil er ein guter Geschäftsmann ist“. Und das ziehe eine ganze Reihe Schwarzer Männer stärker an als eine „freundlich lächelnde ehemalige Generalstaatsanwältin“.

Michael (l.) wundert sich, dass es überhaupt Leute gibt, die Trump wählen, sein Sohn Jonathan (r.) glaubt, dass einige schwarze Männer Harris nicht wählen, weil sie eine Frau ist.
Ulf Lüdeke / FOCUS online Michael (l.) wundert sich, dass es überhaupt Leute gibt, die Trump wählen, sein Sohn Jonathan (r.) glaubt, dass einige schwarze Männer Harris nicht wählen, weil sie eine Frau ist.
 

„Einige schwarze Männer trauen einer Frau den Präsidentenjob nicht zu“

Michael, der auch lieber nur seinen Vornamen nennt, sieht das ganz anders: „Ich verstehe nicht, wie überhaupt irgendjemand Donald Trump vertrauen kann angesichts all der unverschämten Lügen, die er schon verbreitet hat“, sagt der etwa 60-Jährige, der mit seinem Sohn Jonathan gerade vom Einkaufen in einem Supermarkt zurückgekommen ist und die Waren auf der Ladefläche eines Pickups verstaut.

Während der Vater vor allem das „große Bild“ im Blick hat und deshalb Harris wählen wird, schiebt der Sohn hinterher: "Vielleicht wählen einige Männer sie nicht, weil sie eine Frau ist und ihr den Präsidentenjob deshalb nicht zutrauen“, so der etwa 20-Jährige.

Ulf Lüdeke / FOCUS online "Ein paar schwarze Jungs sind ganz schön stolz auf ihre Hautfarbe", sagt Wande aus Atlanta.
 

„Ein paar schwarze Jungs sind ganz schön stolz auf ihre Hautfarbe“

Wande ist ein Polizist, der gerade mit einem Freund vom Sport kommt und über den Campus der Georgia State University schlendert. Er glaubt wie Gary, dass die Ablehnung von Harris unter Schwarzen Männern mit ihrer Zeit als Generalstaatsanwältin in Kalifornien zu tun hat. „Sie ist in jener Zeit öfter von der Polizei kritisiert worden. Ich weiß zwar nicht mehr genau, wofür, aber daran kann ich mich erinnern. Sie könnte für eine Justiz-Politik stehen, die bei schwarzen Männern auf Kritik stößt“, bleibt Wande vage.

Es gibt ein Detail, der Harris von Wande zum Vorwurf gemacht wird: Sie habe sich als Tochter einer Inderin und eines Jamaikaners als „Schwarze“ erst seit kurzem bezeichnet und habe vorher vor allem ihren „indischen “  Hintergrund betont. „Viele Schwarze Jungs sind ganz schön stolz auf ihre Hautfarbe und mögen es nicht, wenn sich jemand aus opportunistischen Gründen für etwas ausgibt, dass sie selbst vorher gar nicht so gesehen hat.“

Eine Behauptung, die im Übrigen Donald Trump im Wahlkampf Anfang August verbreitet hat. Mittlerweile gilt sie längst durch Aussagen und Überprüfungen diverser Quellen als widerlegt.

Kamala Harris macht laut „New York Times“ Boden gut

Aktuelle Zahlen einer Studie der „New York Times“ und des Siena College deuten jedoch darauf hin, dass sich das Bild bis zur Wahl am 5. November durchaus noch ein wenig ändern könnte. Zwar habe Biden 2020 rund 90 Prozent aller Wählerstimmen von Schwarzen für die Demokraten gewinnen können. Doch zum Zeitpunkt seines Ausstiegs aus dem Präsidentschaftsrennen habe er einen Wert von nur noch 74 Prozent gehabt - und damit vier Prozentpunkte unter dem von Kamala Harris derzeit. Sie scheint also aufzuholen, Ob es reicht, wird der Wahltag zeigen.