Verkaufsstopp gefordert: Norwegische Lachszucht in der Kritik – jetzt melden sich Aldi und Lidl

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Norwegens Fischindustrie steht zunehmend in der Kritik von Foodwatch. Supermärkte wie Rewe, Edeka, Aldi und Lidl geraten unter Druck.

München – In Deutschland ist Lachs eine beliebte Delikatesse, sei es geräuchert, gegrillt oder roh im Sushi. Laut eines Berichts des Fisch-Informationszentrums konsumiert jede Person hierzulande durchschnittlich etwa 1,7 Kilogramm Lachs pro Jahr. Im Jahr 2023 griffen die Verbraucher am häufigsten zu Konserven und Marinaden (27 Prozent), gefolgt von tiefgekühltem Fisch (23 Prozent) sowie Krebs- und Weichtieren (16 Prozent). Frischfisch machte immerhin 13 Prozent des Konsums aus, wobei Lachs der bevorzugte Speisefisch ist.

Die Qualität des Lachses, die die Kundschaft in Supermärkten und Discountern erwirbt, steht jedoch infrage. Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch fordert seit geraumer Zeit einen Verkaufsstopp für norwegischen Lachs. Der aktuelle Massenausbruch von Fischen könnte den Druck auf die Lebensmittelhändler erneut erhöhen. Die Bilder sind auf jeden Fall alarmierend.

Foodwatch prangert Lachs-Missstände an: Zuchtfarmen außer Kontrolle

Norwegen ist der größte Produzent von Zuchtlachs, doch gerade die dortige Lachszucht steht in der Kritik. Foodwatch berichtet von erheblichen Umweltschäden und Tierleid, wobei bereits 100 Millionen Tiere vor der Schlachtung an Infektionskrankheiten verendet seien. Die Organisation beschreibt die Lachsindustrie in ihrem Report „Faule Fische“ aus dem Jahr 2024 als außer Kontrolle. Solange sich die Bedingungen nicht verbessern, sollten Rewe, Edeka, Aldi und Lidl keine Lachsprodukte mehr aus Norwegen verkaufen. Laut den Verbraucherschützern stammt jeder zweite Lachs in deutschen Supermärkten aus Norwegen. Ein Massenausbruch von 27.000 Lachsen aus einer Zuchtfarm im Norden Norwegens befeuert die Debatte nun erneut.

Kritik an der Lachszucht:

  • Viele Lachse sterben bereits während der Aufsucht in den Netzgebieten - oftmals an Infektionskrankheiten und Verletzungen. In der norwegischen Lachsindustrie stirbt jeder vierte junge Lachs und jeder sechste größere Lachs bei der Aufzucht.
  • Große Lachsfarmen schaden der Umwelt. Lachse werden mit Wildfisch gefüttert. Das trage zur Überfischung der Weltmeere bei.
  • Zusätzlich bedroht die breit angelegte Lachszucht in Käfigen vor der Küste Norwegens die Wildlachs- und Fischbestände. Immer wieder entkommen kranke Tiere aus den Zuchtanlagen, was fatale Auswirkungen auf die Ökosysteme hat. Schätzungen gehen von jährlich 200.000 Zuchtlachse aus, die aus ihren Gehegen entkommen.

Quelle: Foodwatch.de

Die Verbraucherorganisation berichtet darüber hinaus von gravierenden Verstößen in der dortigen Lachsindustrie. So würden tote Lachse aus Käfigen gepumpt und zur Weiterverarbeitung als Lebensmittel vorbereitet. Dies wurde bei einer Kontrolle im Jahr 2023 beim Produzenten Lerøy Seafood festgestellt. Es ist daher wahrscheinlich, dass ein Großteil der Lachse in deutschen Supermärkten aus Betrieben stammt, in denen die Tiere krank sind. Der deutsche Lebensmitteleinzelhandel trägt laut Verbraucherschutz somit eine Mitverantwortung für die skandalösen Zustände und die steigenden Todesraten in der Fischzucht. Auch Menschen in Island sehen sich und ihr Ökosystem von der Fischzucht bedroht – sprachen im vergangenen Jahr sogar von einer Invasion der „Zomnbielachse“.

Missstände, unter denen Lachse in der Zucht leiden:
(Quelle: Organisation für Tierrechte, peta.de)

  • Verhaltensstörungen
  • Pilzbefall
  • Parasitenbefall wie etwa Lachslaus
  • Großflächige Wunden und Verletzungen
Norwegischer Lachs steht massiv in der Kritik: Verbraucherschützer fordern einen Verkaufsstopp. (KI-generiertes Bild) © Ki-Generiert

Lachse aus Norwegen: Das sagen Aldi Nord und Aldi Süd über ihre Fischprodukte

Auf Anfrage von IPPEN.MEDIA antwortet eine Sprecherin von Aldi Nord: „Alle Lachsartikel bei Aldi Nord entsprechen hohen Qualitätskriterien. Artikel, die aus Aquakulturen stammen, sind nach internationalen Standards zertifiziert. Dazu zählen die Standards von Global GAP und Aquaculture Stewardship Council (ASC) sowie das EU-Bio-Logo“. Diese Siegel stehen laut Sprecherin für hohe Qualität und eine möglichst umweltverträgliche und sozial verantwortungsvolle Fischzucht, die regelmäßig vor Ort überprüft würden.

Auch Aldi Süd reagiert auf die Anfrage, im Gegensatz zu Edeka und Rewe (Stand: 23. März). Die Sprecherin von Aldi Süd erklärt: „Der Verzehr von Lachs aus norwegischen Zuchtbetrieben ist gesundheitlich unbedenklich.“ Sie weist auf regelmäßige Lebensmittelkontrollen durch die zuständigen Behörden hin. Der Discounter erwarte von seinen Lieferanten die Einhaltung hoher Standards, auch beim Fischkauf. „Deshalb steht das Unternehmen im engen Dialog mit der gesamten Lieferkette und beteiligt sich aktiv an der Weiterentwicklung bestehender Haltungsbedingungen und entsprechender Zertifizierungen“, betont die Sprecherin von Aldi Süd. Sie verweist dabei auf die Seite für nachhaltigeren und sozial verantwortungsvolleren Fischeinkauf.

Auch Discounter Lidl beteuert auf Nachfrage, sich für Tierwohl und Nachhaltigkeit einzusetzen. Das Unternehmen der Schwarz Gruppe hat sich nach eigenen Angaben zum Ziel gesetzt, „dass 100 Prozent unserer dauerhaft gelisteten Meerestier- und Fischprodukte entweder ein Bio-Siegel tragen oder nach MSC, ASC, GLOBALG.A.P oder BAP zertifiziert sind“, so eine Lidl-Sprecherin. Sie verweist dabei auf ein hauseigenes Positionspapier für nachhaltigen Einkauf von Fisch, Schalentieren und deren Erzeugnissen. Lachszuchtbetriebe müssen Lidl regelmäßig bestätigen, dass der Lachs ASC-zertifiziert ist. Dies gelte auch für den Lidl-Lieferanten Mowi. Bei Verlust der Zertifizierung würden die entsprechenden Produkte nicht mehr bei Lidl vermarktet.

Foodwatch fordert Verkaufsstopp von Lachs: Siegel für Fischprodukte aus Zuchtfarmen

Kunden können die Herkunft der Fischprodukte über den sogenannten ATC-Code auf der Verpackung nachvollziehen. Dieser Code gibt zwar den Lieferanten an, jedoch nicht den konkreten Zuchtbetrieb. In einer Stichprobe konnte Foodwatch von zehn ASC-Produkten nur zwei zu einer bestimmten Lachsfarm zurückverfolgen. Foodwatch fordert daher: Die Einzelhändler dürften sich „nicht länger hinter fragwürdigen Siegeln verstecken, sondern müssen jetzt Verantwortung übernehmen, um das Leid der Lachse zu beenden und die Umwelt zu schützen“, so Annemarie Botzki von Foodwatch gegenüber tagesschau.de. Es seien dafür klare Vorgaben für die Tiergesundheit, eine strenge Überwachung und harte Strafen bei Verstößen notwendig.

Sind Siegel für nachhaltige Fischzucht verlässlich?

Labels wie ASC oder das gelbe GGN-Siegel sollen für nachhaltige Fischzucht stehen. Das Aquaculture Stewardship Council (ASC) Siegel garantiert nach eigener Aussage: „Wer Lachs mit dem ASC-Siegel isst, weiß, dass der Fisch in sauberen Gewässern aufgezogen wurde, von Züchtern, die Wert auf die Gesundheit des Fisches legen.“ Die Herkunft der zertifizierten Fischprodukte soll anhand eines Codes auf der Verpackung von der „Zucht bis auf den Teller lückenlos nachvollziehbar sein“. Das GGN-Siegel zeichnet ebenfalls nachhaltige Aquakulturen aus. 

Quellen: ASC, falstraff.com

Foodwatch kritisiert Lachs-Siegel: Rückverfolgung funktioniert nicht

ASC zertifiziert nach eigenen Angaben 42 Prozent der norwegischen Lachsaquakultur, das gelbe GGN-Siegel sogar 90 Prozent. Ein Test von Foodwatch zeigt jedoch, dass die versprochene Rückverfolgbarkeit kaum funktioniert: Von zehn ASC-Produkten in einer Stichprobe konnten die Verbraucherschützer nur zwei zu einer bestimmten Lachsfarm zurückverfolgen. Die Siegel verhindern auch nicht die Missstände in der Lachsindustrie, so Annemarie Botzki in einem Beitrag zum Tierleid in der Zucht. Ein Ärgernis für Konsumenten, die Meeresfische mit gutem Gewissen genießen möchten. Wer wissen will, wie gut Räucherlachs bei Stiftung Warentest abschneidet, sollte sich das Testergebnis von 17 Produkten ansehen. Nur ein Bio-Lachs überzeugte die Testenden mit der Note „1,0“. Ein Aldi-Produkt landete auf dem zweiten Platz.

Lachse sind bereits vom Aussterben bedroht. Experten schätzen, dass sich die Wildlachsbestände in den letzten 20 Jahren halbiert haben. Sie befürchten, dass die Lachse aus den 2000 Flüssen weltweit verschwinden könnten, wenn dieser Trend anhält. Foodwatch hat daher eine Online-Petition mit dem Titel „Lachsleid stoppen!“ gestartet. Doch am Ende entscheiden die Verbraucher natürlich selbst, welche Lebensmittel in ihrem Warenkorb landen. (sthe)

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